Kann #aufschrei kann die Beziehung zwischen den Geschlechtern wirklich dauerhaft verbessern? Und wie steht es mit der Beziehung zwischen Staat und Bürger? Ist sie seit Prism in der Krise? Nachrichtendienste nutzen das digitale Beziehungsgeflecht, um sich Informationen über den Bürger zu verschaffen. Die Piratenpartei könnte das nutzen, um durch gemeinsamen Protest wieder eine Beziehung zum Wähler herzustellen, scheitert daran aber bisher. Und Google hat eine verdächtig enge Beziehung zu Adblock plus – dies und mehr in unserer Presseschau.
Video der Woche
Überwachung im Internet – DAS Thema dieser Tage. Markus Beckedahl, Netzaktivist und Gründer des Blogs netzpolitik.org, gibt im N24-Hangout seine Einschätzung zum aktuellen Spionageskandal und zur Datensicherheit im Internet.
Ein Aufschrei für #aufschrei
Der Hashtag #aufschrei entfachte eine riesige Debatte, die on- wie offline geführt wurde und bis heute andauert. Vor zwei Wochen erst wurde der hashtag mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Teresa Bücker schreibt im Blog der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von einer neuen Online-Debatten-Kultur, die durch #aufschrei entfacht wurde. Frauen hätten „sich über digitale Bündnisse selbst Bühnen geschaffen, die klassischen Präsentationsflächen gewachsen sind und diese herausfordern.“ Die entscheidende Vorbereitung auf die gesellschaftliche und mediale Diskussion habe in den Online-Öffentlichkeiten stattgefunden. #hashtag verdeutliche nicht nur die Diversität der Frauen, die nach einer Welt ohne Sexismus und sexualisierter Gewalt verlangen, sondern ermögliche es interessierten Männern und Frauen auch, in sozialen Netzwerken und Blogs stärkeren Einfluss auf Öffentlichkeit, etablierte Medien und Politik auszuüben.
Beziehungskrise
Patrick Breitenbach von der Karlsruher Karlshochschule sieht eine Asymmetrie zwischen Staat und Bürger: Während der Staat nahezu alles über den Bürger wisse und ihn pauschal verdächtige, gebe der Staat kaum etwas von sich und seinen Methoden preis. Das führe zu einem Vertrauensbruch. „Ich, [der Staat], misstraue dir permanent, schenk du mir aber dein Vertrauen bei der kommenden Wahl. Das ist keine demokratische Beziehung, das ist Herrschaft“, so Breitenbach. Ein Abdriften in diktatorische Verhältnisse sei zwar nicht akut, die Möglichkeit dazu jedoch weniger denn je von der Hand zu weisen, mahnt Breitenbach.
Wer mit wem und wie oft?
Wer Metadaten besitzt, weiß, wer Absender und Empfänger einer E-Mail- oder Chat-Nachricht sind, kennt aber nicht deren Inhalt. Trotzdem können sie eine ganze Menge aussagen, meint Jörg Schieb Blog des Westdeutschen Rundfunks. Ein aktuelles Forschungsprojekt des Massachusetts Institute of Technology zeige, dass Metadaten nicht nur offenbaren, wer mit wem wie häufig kommuniziert. Darüber hinaus werden auch folgende Daten gespeichert: die Anzahl der gespeicherten Mails einer Privatperson, die Anzahl gesendeter und empfangener Mails pro Jahr, die Anzahl der Kontaktpersonen und der neuen Kontakte eines Jahres, den ersten und letzten Kontakt mit einer Person und die Struktur ganzer Gruppen. Ein Blick auf das Analysetool des MIT lohnt sich: Dort kann man auf Wunsch auch sein eigenes E-Mail-Konto analysieren lassen.
Digitale Bevormundung
„Google reicht es offenbar nicht mehr, dass Menschen das Internet benutzen. Google möchte nun auch die Verhaltensregeln vorgeben“, stellt Stefan Schulz auf faz.net fest. Dies treffe weniger die privaten Internetnutzer, als vielmehr die Anbieter von Blogs und Podcasts. Google hatte angekündigt, künftig diejenigen Websites im Suchindex zu löschen oder herunterzustufen, die ihre Kunden nicht darüber aufklären, welche ihrer Inhalte bezahlte und welche „eigene“ seien. Außerdem entscheide Google darüber, welche Betreiber von Websites als Autorität auf einem bestimmten Gebiet gelten und damit ganz oben in der Suchanzeige erscheinen. Vergangene Woche wurde zudem bekannt, dass Google dem Anbieter des Werbeblockers „Adblock plus“ Geld dafür bezahlte, Werbung trotz des eigenschalteten Filters anzeigen zu dürfen. Schulz kritisiert vor allem, dass Google selbst weder Einsicht in seine Auswahlkriterien und Regeln, noch in den Algorithmus gewährt, der den Suchindex erzeugt.
Chancentod
Eigentlich hat Edward Snowden der seit Monaten im Umfragetief verharrenden Piratenpartei in Form der PRISM-Enthüllungen einen Zuckerpass par Exellence vor die Füße gespielt. Doch das Tor – Aufmerksamkeit in der Sache und die 5-Prozent-Hürde – scheint wie vernagelt, der Ball will nicht hinein. Und das, obwohl die Piraten doch beste Voraussetzungen mitbringen, um sich beim Thema Datenschutz zu profilieren. Schließlich ist Datenschutz ein integraler Bestandteil des Wahlprogramms. Die Piraten aber glänzen im Zusammenhang mit dem Überwachungsskandal vor allem durch Einfallslosigkeit und können den Rückenwind nicht in positive Energie verwandeln. Das Ergebnis: Die Bürger bleiben erstaunlich indifferent bei dem Thema. Die berechtigte Frage von Tobias Wagner auf Cicero Online: Welche Gelegenheit könnte der Piratenpartei besser auf die große Bühne verhelfen als überbordende Überwachung?