schuelePolitiker, Wissenschaftler sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger diskutierten Mitte Juni 2015 in zwei voneinander unabhängigen Veranstaltungen der Bundestagsfraktionen von Union und SPD über die Frage, welche Perspektiven und Herausforderungen sich durch die zunehmende Digitalisierung unseres Bildungswesens ergeben. Tut die Politik genug für den digitalen Wandel im deutschen Schulwesen? politik-digital.de fasst vor dem Hintergrund der beiden Veranstaltungen einige der aktuellen Diskussionspfade der „neuen“ Bildungsdebatte hierzulande zusammen.

Die Nutzung computergestützten Medien bei der Vermittlung von Lehrplaninhalten ist – zumindest im Grundsatz – längst Normalität an deutschen Schulen. Sollte man meinen. Die Möglichkeiten, die beispielsweise multimediale oder interaktive Anwendungen bieten, haben nicht nur das Aussehen von Klassenzimmern quer durch die Republik verändert: sie dienen, je nach technischer Umsetzung und didaktischer Kompetenz der Lehrkräfte, mitunter allen vier Lerntypen (dem auditiven, visuellen, kommunikativen oder motorischen Lerntyp). Ein wichtiger Beitrag, um unterschiedliche Voraussetzung im Lernprozess zu egalisieren.

Doch – und damit zum Kongress „Bildung 2.0 – Digitale Bildung neu denken“ der CDU/CSU-Fraktion – die „digitale Bildung“ ist mehr als nur IT-gestützte Lehrinhaltsvermittlung. Der Bildungsauftrag vor dem und mit dem Computer muss auch Kapazitäten schaffen, um Schülerinnen und Schüler für den täglichen Umgang mit Computer und Internet zu sensibilisieren. Dass gerade dies in Deutschland notwendig ist, betonte Dr. Birgit Eickelmann, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Paderborn, anhand eines Verweises auf die zentralen Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study 2013.

Computer- und informationsbezogene Kompetenzen im internationalen Mittelfeld           

Die Studie verweist unter anderem die Annahme „Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien“ ins Reich der Legenden. Deutschland rangiert, folgt man den Studienergebnissen, im Mittelfeld: Etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler verfügen demnach über lediglich „rudimentäre bzw. basale Fertigkeiten und Wissensstände hinsichtlich des kompetenten Umgangs mit neuen Technologien“. Fähigkeiten und Kenntnisreichtum hängen zudem oftmals von der sozialen Herkunft ab. Achtklässlerinnen und Achtklässler aus unteren und mittleren sozialen Schichten weisen überdurchschnittliche Kompetenzdefizite auf. Wie in allen untersuchten Ländern zeigen Mädchen auch in der Bundesrepublik einen Leistungsvorsprung vor den Jungen.

Nur ein „Umsetzungsproblem“? – Experten diskutieren Defizite, Herausforderungen und Perspektiven  

Auch auf der bildungspolitischen Veranstaltung der SPD-Fraktion war eines relativ schnell Konsens: Die Tatsache, dass die Digitalisierung der Bildung großartige Perspektiven bietet und daher die Schulen – das Lehrpersonal genauso wie die Schülerinnen und Schüler – dahingehend fit gemacht werden müssten. Schon Deutschlands Rolle als innovativer Industriestandort mache dies erforderlich.

Der Mehrwert der digitalen Bildung bietet, so wurde während der Diskussion deutlich, für die Erlangung von Fähigkeiten in den Grundlagenfächern sowie in verschiedenen Lernprozessen außerhalb des Lehrplans enormes Potential. Die digitale Bildung müsse jedoch, so wurde auch bei der Veranstaltung der SPD-Fraktion konstatiert, zweierlei leisten können: zum einen im Sinne des Empowerments den adäquaten Umgang mit digitalen Medien und Technologien vermitteln, zum anderen neue und effektivere Lehr- und Lernformen gewährleisten.

Ebenfalls die soziale Dimension, der „digital divide“ aus sozialpolitischer Perspektive, geriet bei den sozialdemokratischen Bildungspolitikern in den Fokus: Für Ties Rabe, seit dem Jahr 2011 sozialdemokratischer Senator für Bildung und Schule im Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, war dabei klar: „Digitale Kompetenz ist die Voraussetzung für soziale Teilhabe“. Um die Befähigung zum Umgang mit digitalen Medien zu fördern, bedürfe es eines konkreten politischen Handlungsrahmens, der fehle jedoch bisher, so Rabe.

Föderalismus als Hindernis bei der Umsetzung digitaler Bildungsarbeit?

Dies gestaltet sich bislang, so wurde angemerkt, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache schwierig, dass das deutsche Bildungswesen durch die Länderkompetenz, etwa bezüglich der Bildungspläne, große Differenzen aufweist. Der griechisch-deutsche Pädagoge Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis etwa stellte ebenfalls die allgemeinen Strukturprobleme voran und argumentierte, dass der Lernprozess wichtiger sei als bloße Wissensvermittlung.

Einig waren sich die Experten bei der Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion mit Blick auf die Notwendigkeit einer angemessen Ausstattung von Schulen, betonten aber – wie der Schulleiter Dr. Pallack aus der Praxis berichten konnte – die technisch ausgefeilte aber konzeptlose Aufrüstung sei bislang vielerorts nicht konstruktiv verlaufen. Zudem gäbe es weiterhin Defizite. Nur zehn Prozent der Schulen seien in ausreichendem Umfang mit digitaler Infrastruktur ausgestattet, bemängelte Christine Hauck, Vorsitzende des Bündnisses für Bildung e.V, . Prof. Dr. Christoph Igel, Experte für digitale Bildung, verwies in diesem Zusammenhang auf die in ausreichendem Umfang vorhandene Expertise und schlussfolgerte: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.“

Fazit

Ob die digitale Bildung dank der beiden jüngsten Veranstaltungen weiter an Schub gewinnt und verstärkt die (bildungs-)politische Agenda prägen wird, kann heute niemand wissen. Es bleibt vor allem zu hoffen, dass gute Projekte und engagierte Akteure in Zukunft nicht zwischen den bildungspolitischen Kompetenzstreitigkeiten der Länder zerrieben werden. Ein positives Zwischensignal dieser Woche: das Thema findet in den Bundestagsfraktionen Gehör und die hohen Teilnehmerzahlen sprechen für ein öffentliches Interesse, das weit über die bildungspolitische Community hinausreicht. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn die beiden Koalitionspartner es in Zukunft nicht bei separaten Diskussionsveranstaltungen belassen, sondern bei dem Thema nach dem „Dreisatz“ „Getrennt Veranstaltungen abhalten – miteinander reden – gemeinsam digitale Bildung voranbringen“ handeln würden.

(Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Alexander Löser)

Bild: Tess Watson (CC BY 2.0)

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