Das Internet steht heutzutage wie kein zweites Medium für die Globalisierung und weltweite Vernetzung von Menschen. Doch die Gesetzgebung erfolgt meist noch im nationalen Rahmen der Staaten – das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen und einer Zukunft gestaltenden Politik muss sogar noch im Kleineren gelegt werden. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Schmitt-Vockenhausen sah in der Kommunalpolitik eine wichtige Grundlage für jegliche Form von Politik, denn “die Gemeinden sind der eigentliche Ort der Wahrheit, weil sie der Ort der Wirklichkeit sind.”
Einen ähnlichen Ansatz hat Sebastian Koch gewählt, Netzpolitiker der Partei Die Linke und ehemaliger Mitarbeiter der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Halina Wawzyniak. In seinem Buch “Kommunale Netzpolitik” plädiert der gelernte Mediendesigner dafür, die Möglichkeiten des Internets lokal zu nutzen. Nach einer kurzen Einführung, was denn das Internet ist und welche Bedeutung es heutzutage (in Deutschland) spielt, zeigt Koch Berührungspunkte mit der Netzpolitik im Kommunalen auf.
Netzpolitik geht uns alle an
Von einem kommunal sehr engagierten Politiker für Kommunalpolitiker geschrieben, zeigt Sebastian Koch, wie wichtig es ist, einen netzpolitischen Blick auf kommunale Projekte zu werfen. Die Verwaltung spielt im Lokalen eine besondere rolle, kommunale E-Government-Portale und das Web 2.0 spielen eine immer größere Rolle. BürgerInnen bekommen dadurch einen zeitgemäßen Service geboten, in ländlichen Regionen sogar überhaupt eine Möglichkeit der einfachen Interaktion mit der Verwaltung. Doch derartige Projekte sind zugleich netzpolitische Entscheidungen – Fragen der Sicherheit, der Barrierefreiheit von Angeboten und des Datenschutzes in Cloud-Lösungen müssen bei allem Nutzen und Komfort mitgedacht werden.
Das Lokale liegt den Mensch oft näher als die Politik in Berlin oder Brüssel und so besteht hier ein besonderes Bedürfnis der Menschen nach einer festen und persönlichen Vertrauensbasis zur Politik und Verwaltung. Koch erklärt, wie durch kommunale BürgerInnenbeteiligung, Online-Petitionen und auch Live-Streams aus Rats- und Gemeindesitzungen ein Klima von mehr Offenheit und Transparenz geschaffen werden kann. Durch Verständnis entsteht eine stärkere Identifikation mit dem direkten politischen und gesellschaftlichen Umfeld. Ergebnis ist eine emanzipierte und politisch aktive Gesellschaft, Fundament einer starken Demokratie.
Derart noble Ziele und Vorhaben klingen gut, doch ist Politik auch immer Kommunikation und Vermittlung von Werten. Das Internet bietet als Kommunikationsmedium unendlich viele Möglichkeiten, die Leute zu erreichen. Für den Dialog mit den BürgerInnen erklärt Sebastian Koch verschiedene Mittel der modernen Online-Kommunikation – von Social Media über Etherpads bis zu Wikis – lässt dabei die LeserInnen aber nie im Unklaren, was Kommunikation bedeutet und wo die Gefahren liegen. Sein Aufruf, bewusst und mutig zu kommunizieren, ist ein lesenswerter Appell an mehr Kommunikation mit dem Souverän, der nicht nur in der Kommunalpolitik gültig ist und gehört werden sollte.
Wo hört das Internet auf und fängt Netzpolitik an?
Das Buch ist in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im VSA-Verlag erschienen und richtet sich nicht nur sprachlich vor allem an Kommunalpolitiker von Die Linke. Die im Buch erwähnten gesellschaftspolitische Aspekte der Netzpolitik, wie z.B. politische und gesellschaftliche Teilhabe, E-Government, Datenschutz, Urheberrecht oder Netzneutralität, werden immer auch in Zusammenhang mit kommunalen Bereichen gestellt, in denen Die Linke vor allem in den neuen Bundesländern noch personalstark vertreten ist.
Doch Kochs Buch hat eine über Parteigrenzen gehende Allgemeingültigkeit, die nur auf Grund von zielgruppenorientierten Formulierungen nicht übersehen werden sollte. Das Internet verbindet nicht nur afrikanische BloggerInnen mit chinesischen DissidentInnen, sondern auch GemeindevertreterInnen mit den Dorf- oder Stadtteilbewohnern. Ohne dass internetgestützte Lösungen als Mittel zum Abbau kommunaler Angebote genutzt werden soll, wie Sebastian Koch betont, bieten sie enorme Möglichkeiten einer neuen Politik des kommunalen Miteinanders.
Es ist nicht alles Netzpolitik, was in dem Buch erklärt wird, auch wenn der Begriff nicht eng zufassen ist, das Buch stellt wohl das wichtigste Sachbuch zu dem Thema dar, dass es zur Zeit gibt. Auch wenn die nützliche Beschreibung von Etherpads und Facebook in erster Linie keine netzpolitischen Themen sind, führt die Anwendung dieser Mittel und Techniken automatisch zu einem breiteren Bewusstsein für netzpolitische Fragestellungen. Sebastian Kochs Buch “Kommunale Netzpolitik” ist vielleicht wichtiger als mahnende Kolumnen von Sascha Lobo oder netzpolitischen Watchblogs, wird es doch hoffentlich PolitikerInnen eine neue digitale Perspektive ihrer Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Koch, Sebastian: Kommunale Netzpolitik. Die Möglichkeiten des Internet lokal nutzen, VSA Verlag Hamburg 2013, 104 S., ISBN 978-3-89965-507-0, EUR 7,50
Bilder: Charlott_L (CC BY-NC-ND 2.0), Sebastian Koch, Cover “Kommunale Netzpolitik”