Während das Weiße Haus neue Formate politischer Kommunikation im Digitalen erprobt, betritt die Bundesregierung seit einigen Wochen mit Facebook erst noch Neuland.
Dan Pfeiffer war bis Anfang März 2015 als Obamas Berater im Weißen Haus für die Kommunikationsstrategie des US-Präsidenten zuständig. Nach seinem Rücktritt hat er sich zum Wandel der Regierungskommunikation in den letzten Jahren geäußert. Seine Überlegungen gehen auf das Problem einer fragmentierten Öffentlichkeit und die Notwendigkeit ein, auch im Netz “Influencer” zu identifizieren und mit ihnen adäquat zu kommunizieren. Wandelt die Bundesregierung nun bei Facebook auf den Spuren Obamas?
Der US-Präsident hat sich in letzter Zeit durch diverse Auftritte in Online-Medien hervorgetan: Er führte Interviews mit YouTube-Stars sowie mit Vox.com und Buzzfeed. Für Buzzfeed posierte er im Tausch gegen einen Link zu Healthcare.gov sogar mit einem Selfie-Stick. Verantwortlich für diese Online-Offensive war sein Berater Dan Pfeiffer, den das Magazin “Backchannel” bei Medium.com als “the man who made obama viral” porträtiert. Den Vorwurf, die Obama-Adminstration weiche auf diesem Weg der Auseinandersetzung mit kritischeren Medien aus, dreht er um: Vor der Vervielfältigung der Kanäle hätten die Hauptstadtjournalisten darüber entschieden, mit welchen Themen das Weiße Haus zum Publikum durchdringen kann. Ähnliches gelte auch für die Vorabveröffentlichung der Rede zur Lage der Nation, die in diesem Jahr erstmals bei Medium.com erfolgte. Bislang wurde das Manuskript zuvor nur an Journalisten versendet, die dann das Privileg hatten zu entscheiden, an wen sie den Text weitergeben. Insofern reagiert Obamas Regierungskommunikation auf die Relativierung etablierter Gatekeeper, forciert diese aber auch.
Parodie als Mittel der Kommunikation
Pfeiffer ist sich dieser Problematik bewusst: Einerseits sieht er das Weiße Haus in Zukunft noch stärker als einen Ort, an dem eigene Inhalte auch in Form von Grafiken und Videos produziert werden. Anderseits gibt er zu bedenken, dies dürfe nicht in Propaganda ausarten. Doch statt über den schmalen Grat zwischen “Persuasion” und Propaganda zu reflektieren, erwartet der ehemalige Obama-Campaigner die Bereitschaft, dass audio-visuelle Formate ebenso als normale Formate der Regierungskommunikation akzeptiert werden wie schriftliche Pressemitteilungen. Darüber hinaus könnten gerade humorvolle Inhalte auch ernsthafte Konsequenzen auslösen: Über den Link im Abspann eines Obama-Interviews mit Zach Galifianakis im Rahmen seiner Parodie-Serie “Between Two Ferns” seien viele Nutzer zu Healthcare.gov gekommen und hätten dort Anmeldeformulare für die neue Krankenversicherung ausgefüllt.
Regierungssprecher Seibert über Facebook: “Ein schönes Diskussionsklima”
Es scheint, als wandele die Bundesregierung in Sachen Online-Kommunikation mit dem üblichen transatlantischen Zeitverzug auf den Spuren der Obama-Administration: Sie hatte sich in der ersten Amtsperiode darauf konzentriert, Kanäle wie Facebook adäquat zu bespielen. Wenige Jahre später hat sich die Bundesregierung nun dazu durchgerungen, dort auch Präsenz zu zeigen: Seit dem 20. Februar 2015 wird gepostet, was das Zeug hält. Auch hier haben Kommunikationsberater ganze Arbeit geleistet, denn kein Status-Update kommt ohne Video, Grafik oder Foto aus; häufig als share-pic mit integriertem Zitat. Diese Inhalte werden geliked, geteilt, kommentiert und das Community-Management des Bundespresseamtes reagiert auf Nutzerkommentare.
Spiegel Online resümiert: “Die Pöbler und Hetzer werden im Namen der Bundesregierung mit Humor und Sarkasmus entwaffnet. Das geschieht mit einer Professionalität, von der so manch ein Unternehmen nur träumen kann.” Das ist insofern treffend beobachtet, als die schlagfertige Reaktion insbesondere auf impertinente Kommentare in den sozialen Medien inzwischen als Zeichen sozial-medialer Kommunikationskompetenz verstanden wird. Einmal pro Woche antworten Verantwortliche wie Regierungssprecher Seibert sogar in einem Video-Statement auf einige ausgewählte Nutzerfragen.
Mit Responsivität im Sinne des Eingehens auf Bürgerinteressen, die auch außerhalb etablierter Verfahren politischer Beteiligung artikuliert werden, hat dies jedoch wenig zu tun. So ist in den meisten Fällen, bei denen von politischen Akteuren in Online-Foren und -Formaten um Kommentare gebeten wird, unklar, ob und wie diese zu welchem Zweck zur Kenntnis genommen werden. Ein “schönes Diskussionsklima“, das Steffen Seibert der amtlichen Facebook-Präsenz bescheinigt, ist jedenfalls für eine Regierungskommunikation, die mehr als politisches Marketing intendiert, zu wenig.
Dies ist ein Crosspost von Netzpiloten.de. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.
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