Wie entwickelte die USA Interesse für das
Kosovo? PR-Agenturen warben für
Kosovo-Albaner und Serben.
Von Joachim Wehnelt


Selbst Abgeordnete des US-Kongresses, so erzählt
PR-Manager James Harff, fragten noch Anfang der 90er
Jahre: "Kosovo? Wer ist Kosovo?" Nach vier Wochen
Krieg gegen das Milosevic-Regime wissen die
Amerikaner Bescheid. Der Aufstieg des Kosovo vom
politischen Niemandsland zur Existenzfrage für das
mächtigste Verteidigungsbündnis der Welt dauerte
Jahre. Dass die Amerikaner sich überhaupt für diese
ferne Krisenregion interessieren, ist auch Harff zu
verdanken. Er war PR-Manager der Kosovo-Albaner.

Seit 1991/92 versuchen Serben und Kosovo-Albaner
den Nato-Anführer USA von ihren politischen und
wirtschaftlichen Interessen zu überzeugen. Die
Schlacht vor dem Krieg führten die verfeindeten Seiten
mit den Waffen professioneller Öffentlichkeitsarbeit:
Renommierte PR-Firmen vermittelten Termine mit
US-Abgeordneten, organisierten Reisen in die
Krisenregion und sorgten für Interviews in den Medien.
"Die Arbeit war nicht leicht", erzählt James Harff. Von
1992 bis 1997 war er bei der PR-Agentur Ruder Finn für
die Lobby-Arbeit der Kosovo-Albaner in den USA
verantwortlich. Auftraggeber: die Exilregierung der
"Republik Kosovo" mit Sitz in Bonn. Harffs Rezept:
Hochrangige Politiker erhielten regelmäßig Newsletters
über die politische Lage im Kosovo, "immer kombiniert
mit einer Landkarte, damit sie verstehen, wo dieses
Land ist". Unter den Empfängern: Mitglieder des
Kongresses, des Nationalen Sicherheitsrats und des
Weißen Hauses. Wichtiger waren nach Harffs Meinung
allerdings die persönlichen Begegnungen. Sein größter
Erfolg: Er arrangierte eine Zusammenkunft des
gewählten Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova und des
Exil-Ministerpräsidenten Bujar Bukoshi mit
Außenministerin Madeleine Albright. "Ein zweiter
wichtiger Punkt waren die acht Reisen von
Kongressdelegationen in das Kosovo, damit sich die
Abgeordneten aus erster Hand informieren konnten."
Weitere Maßnahmen: ein Interview-Training für Rugova
und Unterstützung der albanisch-amerikanischen
Gemeinde, Demonstrationen zu organisieren.

Die Agentur Ruder Finn, die auch für Bosnien und die
Schweiz tätig war, erhielt für ihre Kosovo-Arbeit 982
493,56 Dollar (918 218,28 Euro). Das geht aus
Dokumenten des US-Justizministeriums hervor. In
diesen Listen sind auch alle weiteren PR-Maßnahmen
verzeichnet. Zum Beispiel für die Demokratische Liga
Kosovo (LDK). Die Partei des Kosovo-Präsidenten
Rugova engagierte die Washingtoner Agentur Arnold &
Porter. Die PR-Manager warben bei zahlreichen
Regierungsvertretern um Verständnis für die Lage im
Kosovo. Ihr prominentester Gesprächspartner: James
Rubin, den sie am 27. Januar 1994 und vier weitere
Male sprachen. Damals war er US-Sprecher bei den
UN, heute erläutert der Ehemann von CNN-Reporterin
Christiane Amanpour die Nato-Kriegsstrategie
Albrights. Unabhängigkeit, Frieden, Freiheit: Während
sich die Vertreter der Kosovo-Albaner stets darum
bemühten, für ihre Politik Unterstützer zu finden,
zielten die Serben hauptsächlich auf wirtschaftliche
Interessen. Denn die Souveränität ihres Staates war
zunächst nicht gefährdet. Doch die im Mai 1992 wegen
der andauernden Menschenrechtsverletzungen in
Kroatien und Bosnien verhängten
UN-Wirtschaftssanktionen gegen Rest-Jugoslawien
sorgten für ökonomische Einbußen in Serbien und
Montenegro. PR-Maßnahmen sollten helfen sie in
Grenzen zu halten. Der führende serbische
Arzneimittelhersteller ICN Galenika, 1991 privatisiert,
trug wesentlich zum serbischen Exportvolumen bei.
Kein Wunder, dass die Firmenführung bereits am 8.
Mai 1991 die PR-Agentur Rivkin, Radler, Bayh, Hart &
Kremer engagierte. Während der Terror gegen Kroatien
und Bosnien immer brutaler wurde, hatten die
Lobbyisten die Aufgabe, "Ratschläge zu erteilen und
Kontakte mit US-Regierungsmitgliedern aufzunehmen
bezüglich der Ereignisse in Jugoslawien". Pharma-Chef
Milan Panic war von Milosevic sogar zum
Ministerpräsidenten ernannt worden. Doch die
Weggefährten überwarfen sich bald.

Mit Wirtschaft Politik machen ­ und umgekehrt: Auch
die serbischen Brüder Karic, die Banken, Unternehmen
und den Belgrader Sender BK besitzen, beherrschen
diese Kunst. In Jugoslawien ist die Familie laut dpa
wichtiger Finanzier der Sozialistischen Partei von
Milosevic. In den USA engagierte Bogoljub Karic & the
Karic Group of Companies unterdessen die PR-Agentur
LeBoeuf, Lamb, Greene & MacRae. Aufgabe:
"Öffentlichkeitsarbeit für Geschäftsentwicklungen und
US-Geschäftsinteressen". Kosten: 90 000 Dollar (84
112,15 Euro). Auch der Ölkonzern Jugopetrol
investierte Hunderttausende Dollar in amerikanische
Öffentlichkeitsarbeit (siehe Kasten). Der Kampf um
Einfluss ist nicht billig. Manchmal ist er allerdings
umsonst. Danielle Sremac ist eine der raren Stimmen
in den USA, die bereits seit dem Bosnien-Krieg
öffentlich für die Politik der Serben eintreten ­ auch, als
die amerikanischen Sanktionen gegen Jugoslawien
immer schärfer wurden. Ihr Einsatz war allerdings ohne
Erfolg. Als "die einzige Verteidigerin" charakterisierte
die "Washington Post" sie in einem Porträt. In
Interviews verteidigt sie immer wieder die Sache der
Serben und wettert gegen die "kommunistische
Propagandamaschine" ­ der USA. In der
amerikanischen Politik gehören PR-Agenturen zur
Grundausstattung. Wie wichtig sie sind, zeigte bereits
der Golfkrieg. Hill & Knowlton vertrat die "Bürger für ein
freies Kuwait". Ein Mädchen berichtete über irakische
Soldaten, die Babys aus Brutkästen genommen und
getötet hätten. Später stellte sich allerdings heraus,
dass Hill & Knowlton die Geschichte erfunden hatte.
Doch das war nach dem Golfkrieg. Wie stark
PR-Firmen die öffentliche Meinung vor dem
Kosovo-Krieg beeinflusst haben, wird sich erst nach
dem Ende der Nato-Schläge erweisen. Kosovo-Streiter
Harff, heute Chef der Agentur Global Communicators,
ist über den Kriegsausbruch unglücklich: "Wenn es
erst mal zum Krieg kommt, ist das fast ein Zeichen
des Versagens für alle Beteiligten." Immerhin: Seinen
Beitrag in der PR-Schlacht sieht er "als Erfolg".