Diese Woche wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Aktuelle Umfragen deuten auf einen Regierungswechsel in Hannover hin. Zusätzliche Bedeutung erhält die Wahl durch die sich möglicherweise verschiebenden Machtverhältnisse im Bundesrat, außerdem könnte die neue Sitzverteilung im Leineschloss als Fingerzeig für die Bundestagswahl im Herbst 2013 interpretiert werden. In einer Artikelreihe beleuchten wir das netzpolitische Wahlprogramm der Parteien: Wer ist wofür? Wer ist wogegen? Welche Themen werden nicht erwähnt?
Das Wahlprogramm der Piratenpartei ist leicht im Wiki der Partei zu finden, übersichtlich gestaltet und gut zu lesen. Die Themen Datenschutz und Transparenz bilden den Schwerpunkt des netzpolitischen Abschnitts. Beides sind den Piraten zugeschriebene Themen, die im Wahlprogramm mit einem regionalen Blick behandelt werden.
Datenschutz für alle
Die niedersächsischen Piraten fordern, dass Schüler_innen ″behutsam an den Computer als ein mögliches Arbeitsmittel herangeführt werden″ sollen und dass der ″Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte″ der Schüler_innen geschützt werden müssen. Ähnliches fordern die Grünen und die SPD, wobei die Sozialdemokrat_innen in ihrem Wahlprogramm sogar schon konkrete Konzepte anbieten. Die Einführung einer e-Petition ähnlich der des Bundestags findet sich ebenso in den Wahlprogrammen der anderen Parteien wieder. Bei Medienkompetenz und Möglichkeiten elektronischer Beteiligungen finden sich zahlreiche Schnittmengen bei den Oppositionsparteien.
Indem die Piratenpartei Niedersachsen ″die Videoüberwachung öffentlicher und privater Räume grundsätzlich″ ablehnt, zeigt sie wieder ein stärkeres Profil als Partei der Bürgerrechte. Undogmatisch räumt die Partei aber ein, dass es ″ein starkes Interesse an der Überwachung bestimmter Orte geben″ kann. Wenn dem so ist, muss ″der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bürger auf jeden Fall gewahrt bleiben″, wie die Piratenpartei schreibt. Dies soll durch eine Kennzeichnung aller installierten Überwachungskameras erfolgen, die in öffentlichen, privaten und öffentlich zugänglichen Bereichen installiert sind. Dabei sollen folgende Informationen abrufbar sein: Betreiber dieser Installation, Name des zuständigen Datenschutzbeauftragten, Kontaktadresse des Betreibers und Angaben zur Speicherung der erfassten Daten. Kameras, die gegen geltende Datenschutzbestimmungen verstoßen, sollen den Bestimmungen entsprechend verwendet oder außer Betrieb genommen werden.
Transparente Informationspolitik aller öffentlichen Stellen
Unter der Überschrift ″Transparenz in der Kommunalpolitik″ fordert die Piratenpartei Niedersachsen ″eine transparente Informationspolitik aller öffentlichen Stellen″ nach dem Open-Access-Prinzip. Öffentliche Informationen, die unter Open-Access-Bedingungen publizieren wurden, können dann von allen Bürger_innen gelesen, heruntergeladen, gespeichert, verlinkt, gedruckt und somit entgeltfrei genutzt werden. Durch den Einsatz freier Lizenzen können Nutzer_innen weitere Nutzungsrechte, wie z.B. die kommerzielle Nutzung, eingeräumt werden. Wie durch freie Lizenzen die freie Nach- und Weiternutzung, Vervielfältigung, Verbreitung oder auch Veränderung der Dokumente ermöglichen werden sollte, steht nicht im Wahlprogramm.
Mit diesen weitreichenden Forderungen schließen die Piraten an bereits in anderen Bundesländern bestehende Informationsfreiheitsgesetze an. Vorbildliche Bundesländer sind hier die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie das Bundesland Brandenburg. Die Ablehnung der Videoüberwachung bedeutet eine Rückbesinnung auf ein Kernthema der Piratenpartei, das im Wahlprogramm qualifiziert behandelt wird. Im ausführlichen Teil zur Bildung wird leider das Thema Urheberrecht, obwohl hier für Bundesländer eine der wenigen Stellschrauben für Veränderungen ist, rein gar nicht behandelt. Auch Forderungen nach Open Educational Resources, also freie Lern- und Lehrmaterialien, fehlen im Wahlprogramm der Piratenpartei.
Fazit
Mehr Datenschutz, weniger Videoüberwachung und eine transparente Informationspolitik in Niedersachsen, damit lässt sich das Wahlprogramm der Piratenpartei aus Niedersachsen beschreiben. Sehr wenig für eine selbsternannte ″Netzpartei″. Die Grünen und die SPD haben umfangreichere Wahlprogramme beim Thema Netzpolitik, die CDU sogar beim Thema Urheberrecht innovativere Ideen. Die Kompetenz mag in der Partei vorhanden sein, sie findet sich aber nicht im Wahlprogramm wieder. Wird das Programm aber wie eine Freigabemitteilung einer Software gelesen, sind die drei Themenkomplexe eben die Neuerungen im politischen Programm für die Landtagswahl in Niedersachsen. Einen derartig wohlwollenden Blick werden ″normale″ Wähler_innen aber nicht haben. Zu unsicher ist, was vom nicht genau zu definierenden Grundkonsens in der Partei später auch eine politische Forderung wird.
Disclosure: Der Autor ist neben seiner Tätigkeit als Blogger und Journalist auch Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen Berlin.
Hier finden Sie das Programm der FDP im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm von Bündnis 90 / Die Grünen im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der CDU im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm von DIE LINKE. im Netzpolitik-Test.
Hier finden Sie das Programm der SPD im Netzpolitik-Test.