Alle vier Jahre veröffentlicht der Mineralölkonzern Shell eine Jugendstudie, die Einblicke in Einstellungen, Werte und Sozialverhalten der jungen Generation Deutschlands bieten soll. In diesem Jahr behandelt die 19. Ausgabe der ShellStudie besonders die zunehmenden Sorgen und Ängste im Bereich Politik, Gesellschaft und Umwelt von rund 2.500 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Trotz der aktuellen Krisen und Herausforderungen, wie Kriege, Klimawandel und Armut schauen die Jugendlichen mit einem optimistischen Blick und Vertrauen der ungewissen Zukunft recht zuversichtlich entgegen.

Dies betont auch der Kommunikationswissenschaftler Wolf Zinn. In seinem Artikel “Junge Deutsche blicken positiv in die Zukunftunterstreicht er die Zuversicht und Zufriedenheit der jungen Deutschen. Die untersuchte Generation ist geprägt durch einen großen Optimismus, Pragmatismus und eine hohe Toleranz gegenüber anderen. Das ausgeprägte Bewusstsein für Zukunftsfragen und die hohen Ansprüche zeugen von einer neuen Generation, die genau weiß, wo sie hinmöchte und was dafür verändert werden muss.   

Seit dem Aufkommen der Fridays-for-Future Bewegung ist zu erkennen, dass Klimawandel und Umweltschutz ein sehr wichtiges Thema in der Lebenswelt von Jugendlichen sind. Doch in der diesjährigen Jugendstudie wird deutlich, dass die Sorge um die Klimakrise im Vergleich zu 2019 leicht abgenommen hat und weitere Ängste hinzugekommen sind.
Mit Russlands Überfall auf die Ukraine entwickelte sich eine größere Angst vor einem Krieg in Europa bei rund 80% der befragten Jugendlichen. Weitaus mehr als die Hälfte der Befragten sorgen sich zudem, wegen der wirtschaftlichen Lage in Deutschland.  Die Angst von Armut betroffen zu sein und Verlustängste spielen eine große Rolle in der jungen Generation.  

INTERESSE AN POLITIK 

Dennoch hat sich im Vergleich zu vor rund 20 Jahren das politische Interesse der Jugendlichen fast verdoppelt. 2024 geben 55% der Befragten an, politisch interessiert zu sein. Es informieren sich weitaus mehr Jugendliche aktiv über Politik und die Bereitschaft zum politischen Engagement wächst ebenfalls. Einer Mehrheit ist es also bewusst, wie notwendig es ist, die aktuelle Politik zu verfolgen, sich zu informieren, zu diskutieren und sich zu positionieren. Das ansteigende Interesse und Bewusstsein der Jugendlichen an politischen Themen kann als ein anhaltender Trend begriffen werden, der zeigt, wie viel Einfluss die aktuellen Geschehnisse in unserer Welt auf junge Menschen haben.  

VERSCHIEDENE POSITIONIERUNGEN, ENGAGEMENT & DEMOKRATIEZUFRIEDENHEIT 

Mit einem Anstieg des politischen Interesses werden auch Positionierungen der Jugendlichen deutlicher. Die Studie belegt nämlich, dass populistische Positionen immer attraktiver werden und dabei mehrheitlich männliche Jugendliche weiter nach rechts rücken, während eher linke Positionen von allen Geschlechtern gleich verteilt eingenommen werden. 
Die Richtungen werden klarer, die Meinungen stärker und es wächst unter den Befragten die Angst vor Radikalisierungen und einer polarisierten Gesellschaft, die sich gegenseitig anfeindet und misstraut. Dennoch ist trotz der unterschiedlichen Haltungen “keine unüberbrückbare Polarisierung oder Spaltung” bei den Jugendlichen zu erkennen.
Die junge Generation verzeichnet erkennbar einen Anstieg bei der Relevanz für politisches Engagement. Den jungen Menschen wird laut Studie bewusst, dass ihr eigenes Engagement die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse verändern kann. 

Die Jugendlichen sind mit 75% der Befragten sehr zufrieden mit der Demokratie in Deutschland. Der Politikwissenschaftler und Leiter der 19. Shell Jugendstudie, Professor Mathias Albert betont, dass das “gewisse Grundvertrauen in die Gesellschaft und in die Institutionen” eine Folge der Corona Pandemie sei. Die Gesellschaft könne durch ihre Stärke eine solche globale Großkrise durchstehen. Dies bestätige den Jugendlichen, dass sie auch in Extremsituationen auf ihren Staat bzw. auf das demokratische System zählen könnten. “Es gibt Kritik, aber keine Systemkritik”, da Jugendliche hinter der Demokratie, als “richtige Staatsform” stehen würden, so Albert weiter.   

DIGITALISIERUNG 

Das Thema Digitalisierung spielt eine enorme Rolle in der Lebenswelt der heutigen Jugend. Sie haben die Entwicklung der Digitalisierung hautnah miterlebt und sind mit der Nutzung digitaler Medien von Kindesbeinen an vertraut. An erster Stelle steht dabei die Kommunikation mit ihrem engsten Umfeld. Mindestens einmal täglich benutzt fast jeder der Befragten einen Messenger Dienst. 

Mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen informieren sich aktiv online oder offline zu politischen Themen. Während immerhin ein Teil der jungen Menschen (35%) auch weiterhin noch auf klassische Medien zurückgreift, um sich politisch zu informieren, spielen die digitalen Kanäle eine immer wichtigere Rolle bei der Informationsbeschaffung. Fast die Hälfte (45%) aller Jugendlicher greifen dabei auf Online-Medien zurück. Im Vergleich zu 2019 ist dabei ein Anstieg von 15% zu verzeichnen.  

Eine große Rolle in den aktuellen Digitalisierungsprozessen spielt das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Politische Fakenews lassen immer mehr Menschen an einer korrekten und umfangreichen Berichterstattung in den Medien zweifeln. Daher fordern die in der Studie befragten Jugendlichen fast einstimmig einen verpflichtenden Unterricht an Schulen, der den Umgang mit KI, digitalen Medien und das Erkennen von Fakenews behandelt. Sie sind der Meinung, dass auch der jungen Generation ein bedachter Umgang mit den neuartigen Technologien gelehrt werden muss. 

Viele Jugendliche erkennen in den Einsatzmöglichkeiten von KI einen Fortschritt. Die Mehrheit glaubt daran, dass KI ihren Alltag vereinfacht und die Welt in vielen Bereichen verbessern wird. Andererseits sind ihnen die Risiken beim Einsatz von KI durchaus bewusst und sie fürchten die „Unmenschlichkeit des Systems“ bei gleichzeitiger individueller Überforderung. Aus diesem Grund äußern 77% der Jugendlichen den Wunsch einer klaren Kennzeichnungspflicht, wenn sie mit KI in Kontakt kommen.  

FAZIT 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass viele oft geäußerte Vorurteile über eine apolitische, selbstbezogene Jugend in der Studie nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, ein Großteil der jungen Menschen setzt sich differenziert und reflektiert mit vielfältigen politischen Themen, den verschiedenen Großkrisen unserer Zeit und deren Konsequenzen auf sich selbst, aber auch auf die Gesellschaft auseinander. Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus 2019 ist der deutliche Anstieg des Anteils politisch interessierter Jugendlicher als positive Entwicklung zu verstehen, während man die aufkommende Rechtsorientierung von 16% (2019) auf 24% als besorgniserregenden Trend verzeichnet. Trotz der brisanten globalen Lage lassen sich viele der Befragten nicht unterkriegen und blicken mit Zuversicht ihrer Zukunft entgegen. Das Bewusstsein und das Realisieren, der eigenen Macht zur Veränderung zeigt, dass die junge Generation Deutschlands eine durchaus starke und selbstbewusste Seite hat, die es weiter zu fördern gilt. 

Bild von Mircea Iancu auf Pixabay