Discussion by Robin Yang CC0 via unsplashDas Online-Partizipationstool OPIN soll Jugendorganisationen und Verwaltungen internetbasierte Beteiligungsmöglichkeiten an die Hand geben. Funktioniert das? Wie erfolgreich ist Online-Partizipation eigentlich und wer beteiligt sich überhaupt noch?

Sinkende Wahlbeteiligung, resignierende WählerInnen, angeblich uninteressierte Jugendliche, Politikverdrossenheit: Demokratie steckt in der Krise. Nicht nur in Wahljahren bestimmen diese Schlagwörter den politischen Diskurs. Eines ist klar, Partizipation und Demokratie, das gehört zusammen. Fehlt eines dieser Bindeglieder oder nimmt es ab, leidet der Gegenpart. Aus den Informationen des Bundeswahlleiters zur Wahlbeteiligung und Stimmabgabe nach Altersgruppen bei der Deutschen Bundestagswahl 2013 geht hervor: gerade jüngere BürgerInnen unter 40 beteiligen sich politisch immer weniger. Doch es gibt Hoffnung, so scheint es zumindest.

Die Digitalisierung unserer Gesellschaft macht längst nicht mehr Halt an technischen Innovationen, sozialen Netzwerken und allgegenwärtiger internetbasierter Informationsbereitstellung. Auch die Politik hat die Potentiale des Internet erkannt. Online-Partizipation, BürgerInnen animieren, politisch mitwirken, ganz einfach und von überall! Diverse Angebote, Studien und Berichte machen aber schnell deutlich, Online-Partizipation kämpft mit unterschiedlichen Problemen. Aber woran liegt das?

Einer der Gründe ist der „digital divide“. Obwohl der Begriff „Online-Partizipation“ bereits seit Beginn des 21. Jahrhunderts besteht und längst unzählige Werkzeuge Anwendung in Beteiligungsverfahren gefunden haben, sind der Mechanismus und der Einsatz von Online-Partizipation in vielen Bevölkerungsschichten unbekannt. Vor allem die jüngeren Generationen, die zeitgleich mit der Digitalisierung der Gesellschaft aufgewachsen sind, sind die größten NutzerInnen des Internet. Ältere Generationen, denen der Zugang zum Internet schwerer fällt, greifen deutlich weniger auf die Möglichkeiten des Internet zurück. Dennoch setzt sich die digitale Gesellschaft nicht durch homogene NutzerInnengruppen zusammen und lässt sich ebenso wenig anhand sozio-demographischer Merkmale charakterisieren. Lösungsansätze haben daher mit unterschiedlichen Voraussetzungen zu kämpfen. Zusätzlich besteht das Problem, dass bestehende Online-Tools häufig ungenutzt bleiben – und das auch bei den aktivsten NutzerInnengruppen. Gerade bei politischer Partizipation, die die gesamte Gesellschaft integrieren soll, ist dies ein Problem. Hier stellen sich also die Fragen: Wo ansetzen? Wie kann ein alltägliches Selbstverständnis von Online-Partizipation geschaffen werden und das in der Breite der Gesellschaft?

OPIN – Europäischer Werkzeugkasten für Jugend-ePartizipationsprojekte

Die unter dem Forschungs- und Innovationsprojekts EUth – Tools and Tipps for Mobile and Digital Youth Participation in and across Europe entwickelte Toolbox für Onlinebeteiligungsprojekte von Jugendlichen, OPIN, setzt an der Stelle an, wo Partizipationsprobleme bestehen. Durch das Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union gefördert, entwickelt EUth zwischen März 2015 bis März 2018 eine webbasierte Plattform für digitale und mobile Jugendarbeit. Diese soll kontinuierlich in drei Versionen erweitert werden. Ziel ist es, attraktive und jugendfreundliche Beteiligungsmöglichkeiten zu fördern.

OPIN soll das schaffen. Die erste Start-Version ist seit März 2016 nutzbar. Drei Features unterstützen dabei unterschiedliche Beteiligungsprozesse. Die „Ideensammlung“ dient zu einer ersten Definition von Projekten und Beteiligungsideen. Dabei wird die Entwicklung und Ausformulierung von Vorschlägen sowie die Konkretisierung von Agenden ermöglicht. Das Feature „Gemeinschaftliche (kollaborative) Textarbeit“ soll vor allem die gemeinsame Arbeit an Positionspapieren, Erklärungen und Programmen von Jugendorganisationen und Verwaltungen unterstützen. Ist hier ein erster Entwurf entwickelt, erlauben weitere Kommentarwerkzeuge die Reaktion und Bearbeitung durch andere NutzerInnen. So können Projekte schrittweise von der gesamten Gruppe begleitet werden. „Mobile Umfragen“ ergänzen die Entscheidungs- und Beteiligungsprozesse. Diese Funktion erlaubt eine demokratische Partizipation von überall. OPIN greift hier auf die bereits bestehenden Tools Adhocracy von Liquid Democracy e.V. und FlashPoll zurück. Durch die Möglichkeit, Offline-Veranstaltungen in die Nutzung von OPIN zu integrieren und verschiedene Projektstadien kontinuierlich einzusehen, wird Jugendorganisationen und Verwaltungen ein hilfreiches Partizipationstool an die Hand gelegt.

Fünf Projektpartner testen nun die Möglichkeiten von OPIN und sollen den Umgang mit dem Partizipationstool evaluieren. Neben einer webbasierten Version, die in eigene Webseiten integrierbar ist, bietet OPIN eine App-Version und ermöglicht so einen nutzerInnenfreundlichen Umgang mit der Plattform. Die Auswahlfunktion der verschiedenen Features unterstützt zusätzlich eine individuelle Verwendung. Bei Fragen und Unklarheiten bietet EUth zusätzlich eine Betreuung bei der Nutzung des Tools sowie beim Aufbau, der Integration und der Strategieentwicklung eigener Projekte.

Warum funktioniert Online-Partizipation häufig nicht?

Trotz innovativer Projekte wie OPIN ist der anfangs überschwängliche Hype um Online-Partizipation in den letzten Jahren abgeflacht. Die Grenzen neuer Beteiligungsformen sind zunehmend deutlich geworden. Die 2014 erschienene Partizipationsstudie des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft zeigt: Mehr als die Hälfte der in der Studie Befragten greifen nicht auf Online-Partizipationsangebote zurück. So ist eine breite Legitimation für politische (online-)Partizipationsprozesse unmöglich. Der „digital divide“ hinsichtlich neuer Partizipationsmöglichkeiten wird durch die Studie ebenfalls bestätigt. Weiterer Kritikpunkt: 281 Befragte kennen zwar die Möglichkeit, über politische Sachverhalte online abstimmen zu können, tatsächlich beteiligen sich aber nur 34 Prozent der Befragten. Bei der Betrachtung von Partizipationsformen, die auf das Verfassen politischer Beiträge abzielen, verstärkt sich dieses Resultat: lediglich 19 Prozent der 267 KennerInnen nutzen derartige Angebote.

Auch auf bundespolitischer Ebene bleibt die Rücklaufquote bei Online-Partizipation-Projekten gering und findet in breiten gesellschaftlichen Diskussionen lediglich ergänzend Anwendung. Dabei zeigt sich, dass selbst die jüngeren NutzerInnengruppen, die sich am aktivsten im Internet bewegen und gleichzeitig selten auf klassische politische Beteiligungsmöglichkeiten zurückgreifen, auch online nur selten aktiv partizipieren. Weder bei ihnen noch bei anderen Bevölkerungsgruppen hat sich die Gewohnheit etabliert, politische Inhalte online zu diskutieren.

Fazit: die Gesellschaft ist sich der Möglichkeiten von Online-Partizipation bewusst, nutzt diese aber nur teilweise. Bedeutet dies also, dass Online-Partizipation nicht funktioniert?

Ansätze erfolgreicher Online-Partizipation

Nein! Es gibt funktionierende Online-Partizipationsprojekte, insbesondere auf lokaler und kommunaler Ebene. Beispielprojekte wie LiquidFriesland und der Bürgerhaushalt Lichtenberg zeigen dies. Hier wird deutlich, dass Beteiligungsangebote mit der Möglichkeit, politische Inhalte auf die eigene Lebenswelt zu übertragen, erfolgreich von BürgerInnen genutzt werden. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und hält in ihrer Digitalen Agenda 2014-2017 fest: „Demokratie lebt von Teilhabe. […] Dazu unterstützen wir lebensnahe offene Beteiligungsplattformen sowie Mitgestaltungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene.“.

Die genannten Beispiele zeigen, dass neue Beteiligungsformen erfolgreich sein können. Es stellt sich also weniger die Frage „ob“ Online-Partizipation Anwendung finden soll, sondern „wie“ diese erfolgreich umgesetzt und langfristig im gesellschaftspolitischen Diskurs etabliert werden kann. Hier ist es weiterhin schwierig, weitgehend offline lebenden BürgerInnen die technischen Innovationen von Online-Partizipation nahezubringen. Aus diesem Grund müssen weniger technikaffine Gruppen erreicht und ein sicherer Umgang mit Online-Partizipationsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Das Erlangen notwendiger Kompetenzen sowie eine Annäherung an die Angebote politischer Teilhabe im Internet müssen dabei ineinandergreifen. Zusätzlich müssen aber auch die KennerInnen dieser Beteiligungsmöglichkeiten weiter motiviert und zu weiteren Entwicklungen ermutigt werden. Ähnlich wie die Nutzung sozialer Netzwerke und internetbasierter Kommunikation, muss politische Partizipation Einzug in unser Alltagsleben finden – online ist das möglich und zeit- und raumunabhängig umsetzbar!

Anknüpfungspunkt sind daher vor allem die technikaffinen jüngeren Generationen. Hier kann durch Online-Partizipationswerkzeuge wie OPIN ein Bewusstsein für politische Partizipation geschaffen werden. Der Umgang mit diesen Möglichkeiten in den individuellen Realitäten der BürgerInnen erleichtert dabei den Zugang zu Online-Partizipation. Hier stellt sich auch deren demokratischer Eigenwert heraus. Gerade jungen Menschen wird durch die Möglichkeit, Angebote Web- und App-basiert zu nutzen, demokratische Mündigkeit deutlich gemacht.

Orientierung an den Lebensrealitäten der Zielgruppe, die Transparenz der Beteiligungsprozesse, eine Verknüpfung von Online- und Offline-Realitäten sowie ausreichende Beratungs- und Begleitungsressourcen sind dabei entscheidende Faktoren. Finden diese Punkte in aktuellen und zukünftigen Onlinepartizipationsprojekten Beachtung, könnte deren Erfolg gesteigert werden und Online-Partizipation zunehmend von einer gesellschaftlichen Mehrheit aktiv genutzt werden. OPIN orientiert sich an diesen Punkten. Eins ist klar: die schrittweise Etablierung der gesellschaftlichen Digitalisierung wird sich weiter fortsetzen. So auch politische Partizipation im Internet. Online-Partizipationswerkzeuge wie OPIN helfen jetzt schon dabei, jüngeren Generationen politische Beteiligung verständlich zu machen und in ihren Alltag zu integrieren. Vollzieht sich dieser Prozess weiter, könnten die Vorteile von Online-Partizipation zunehmend herausgestellt werden. Das schafft Kompetenzen, Motivation und Partizipation. Und letzten Endes Hoffnung für politische (online-)Partizipation insgesamt.

Titelbild: Robin Yang via unsplash unter CC0/Original zugeschnitten

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