Anfang August ist die aktuelle Ausgabe der ARD/ZDF-Onlinestudie erschienen, deren – eher erwartbare – Resultate bereits für Resonanz und Diskussionen gesorgt haben (hier die Themenausgabe der Media-Perspektiven mit mehreren Auswertungsartikeln). Bemerkenswert ist jedoch die Verlagerung der Internetnutzung in die Abendstunden – und damit in die Fernseh-Primetime.
An dieser Stelle nur zwei Dinge (nach einem ersten, wirklich nur oberflächlichen Screening des Materials):
In einigen Blogs kursieren seit der Publikation am 1. August ein paar Spontankommentare (zB netzpolitik.org, basicthinking, onlinejournalismus.de), die meisten verweisen auf den gewohnt schnell, kompetent und ausführlich arbeitenden Herrn Schmidt mit Dete (inkl. follow-up und Wort zum Sonntag). Dort gibt es bereits eine sich allmählich verästelnde Debatte um die Methodik der Studie sowie v.a. die Web 2.0-relevanten Abschnitte der Untersuchung.
Politische Nutzung = Nachrichten?
1. Daten zu einer (wie immer gearteten) “politischen Nutzung” des Internet gibt es so gut wie nicht. Im Überblicksartikel von van Eimeren/Frees zur Internetverbreitung taucht das Wort “Politik” nicht einmal auf, das Themenfeld verschwimmt in der Catch-all-Kategorie “Nachrichten”. Es wäre doch eigentlich nicht völlig abwegig gewesen, schon im Jahr vor einem Superwahljahr wie 2009 (Bundespräsident, Europa, Bundestag, mindestens vier Landtage) mal ein paar Fragen in diese Richtung zu stellen, um dann im Jahr nach der Wahl mögliche Veränderungen beobachten zu können.
Blick in die USA
Dieses doch eher simple Verfahren setzt setzt einiger Zeit z.B. das Pew Internet and American Life Project um, so auch mit dem Report The Internet and the 2008 Election. Auch hier sind die Ergebnisse zwar nicht bahnbrechend (immer mehr Menschen nutzen das Netz für Wahlinformationen, beteiligen sich an Online-Kampagnen und Barack Obama hat die meisten Unterstützer), doch entsteht dabei allmählich ein recht konkretes Bild davon, wie sich die verschiedenen Dimensionen von Politik im Internet entwickelt haben. Noch sehr viel differenzierter ist die vollständige Materialsammlung des Pew Research Center zur US-Wahl 2008.
Surfen zur Primetime
2. Der Hinweis auf eine verstreut eingesehene Grafik aus dem offiziellen Studienmaterial, das die zeitliche Verteilung der Internetnutzung im Tagesverlauf darstellt.
Leicht lapidar heißt es dazu im Begleittext:
"Die Analyse der Internetabrufe im Tagesablauf verdeutlicht, dass sich die Internetnutzung immer stärker in den Abend verlagert. Lagen bis vor wenigen Jahren die Zugriffe der Internetnutzung noch dominant am Vor- und Nachmittag, war bereits in 2005 keine einheitliche Primetime festzumachen, da die Nutzungszeiten am Vormittag, Nachmittag und frühen Abend lagen. Dies hat sich in 2005 verändert.
Morgens E-Mail, abends mehr
Zwar ist weiterhin eine erste Primetime am Vormittag auszumachen, zum Beispiel für die
E-Mail-Kommunikation und den Informationsupdate, aber die primären Nutzungszeiten liegen nun am Vorabend und in der Fernseh-Primetime zwischen 20.00 und 22.00 Uhr."
Das ist alles andere als uninteressant: der größte Zuwachs liegt in der Zeit ab 17 Uhr, mit den absoluten Spitzen während des klassischen TV-Abendprogramms. Hier verbirgt sich gleich in mehrfacher Hinsicht einige Sprengkraft – zunächst ist dies die ökonomische Schlüsselzeit für den Verkauf von Werbezeiten, und spätestens jetzt werden sich wohl einige Unternehmen wirklich Gedanken darüber machen, in welches Medienumfeld sie ihre Werbegelder delegieren.
Warum noch Zeitung lesen?
Wenn es noch so etwas wie ein “Familienfernsehen” gibt (auf Angebots- wie auf Nachfrageseite), dann würde es wohl in dieser Zeit stattfinden – die Daten legen jedoch eher ein familiäre "media diet" nahe, die über mehrere Bildschirme eingenommen wird. Und auch die Vertreter der Printmedien werden diesen Tagesplan der Mediennutzung mit Stirnrunzeln zur Kenntnis nehmen – meist sind in dieser “neuen” Hauptnutzungszeit die Zeitungsausgaben des Folgetages bereits online einsehbar: wozu dann noch am nächsten Morgen die Frühstücks- oder Pendlerlektüre aus dem Briefkasten holen?
Bewegtbilder dominieren
Die besonders in der Zeitdimension wirkende Konkurrenzsituation deutet dabei auf das Zersplittern des Publikums hin, denn auch die These einer “Mediennutzung im Hintergrund” scheint bei ähnlichen oder gleichen Inhalten obsolet. Der in der Studie mehrfach erwähnte Erfolg der so genannten “Videoportale” untermauert die Dominanz audiovisueller Medieninhalte, noch zu klären ist aber in den nächsten Jahren, auf welchem Übertragungsweg die Zielgruppen erreicht werden. Im “klassischen” Fernsehen oder auf den Videoportalen des Internet. Und das gilt für (fast) alle: Unternehmen, Medienanbieter und – die Politik.
Dieser Text ist auch erschienen im Blog des Autors.
http://www.kampagne20.de/?p=64
eingehende Analyse der Studie in Bezug auf Web2.0 und Nutzen für NGOs