Eine aktuelle Studie des Branchenverbands Bitkom gibt die Richtung vor: Gut ein Drittel der Befragten sagt, dass der Internet-Wahlkampf entscheidend für den Ausgang der Bundestagswahl ist, jeder Dritte informiert sich auf Social-Media-Plattformen über Politik. Auch wenn der klassische Wahlkampf damit nicht ersetzt wird, sollte 2013 keine Partei ohne Online-Kampagne in den Kampf um Stimmen ziehen. Wie man Wähler am besten im und ins Netz lockt, darüber haben wir mit den Verantwortlichen gesprochen. Welche Bedeutung hat der Online-Wahlkampf? Kann der User mitmachen? Was tun im Shitstorm?
Für die FDP hat Tommy Diener unsere Fragen beantwortet, er ist Bereichsleiter Dialog der Abteilung Strategie, Dialog und Kampagnen der FDP.
politik-digital.de: Welche Wählergruppe wollen Sie mit der Online-Kampagne ansprechen?
Tommy Diener: Der Online-Wahlkampf spielt eine wichtige Rolle, insbesondere um junge Menschen und Erstwähler anzusprechen.
politik-digital.de: Wie wichtig ist der Online-Wahlkampf, verglichen mit anderen Werbekanälen? Hat sich bezüglich der Priorisierung etwas im Vergleich zu 2009 geändert?
Tommy Diener: Der Online-Wahlkampf hat 2009 noch in den Kinderschuhen gesteckt. In diesem Jahr wird er professioneller und effektiver sein.
politik-digital.de: Welchen Anteil am Gesamtbudget hat die Online-Kampagne? Gibt es eine Veränderung, verglichen mit 2009?
Tommy Diener: Der FDP-Bundesverband plant für 2013 mit einem Etat von vier Mio. Euro. Davon werden etwa 20 Prozent für den Online-Wahlkampf ausgegeben.
politik-digital.de: Welcher Teil des Online-Wahlkampfes ist das Herzstück der Kampagne?
Tommy Diener: Neben der Wahlkampfseite wahl.fdp.de und der Homepage des Spitzenkandidaten Rainer Brüderle setzen wir auf die bereits bestehenden Seite “Portal Liberal”, die Homepage der FDP und das soziale Netzwerk “meine freiheit”. Zudem wird es Aktionen in den sozialen Netzwerken und klassische Bannerwerbung geben.
politik-digital.de: Soll mit der Online-Kampagne auch versucht werden, gezielt verlorengegangene Wähler wieder an die Partei zu binden und das ramponierte Image aufzubessern?
Tommy Diener: Die FDP sieht großes Potenzial im Internet und in den sozialen Medien im Hinblick auf die Platzierung liberaler Kernthemen im öffentlichen und politischen Diskurs. Auf Facebook allein sind bis zu 14 Millionen Nutzer mit Themen zu erreichen, die von Freunden der FDP-Seiten sowie deren Freunden geteilt werden. Diese gewaltige Zahl unterstreicht die Bedeutung, die das Agendasetting im Netz für die FDP hat. Darüber hinaus ist das Internet ein sehr attraktives Medium, um Wähler für die FDP zu gewinnen, weil gerade Internetnutzer offen sind für liberale Datenschutz- und Bürgerrechtspolitik. Außerdem fahren wir viele Satellitenkampagnen, um gezielt einzelne Gruppen anzusprechen.
politik-digital.de: Hat der User die Möglichkeit, mitzumachen? Falls ja: Wie wird er dazu animiert? Kann die Parteibasis Einfluss nehmen auf die Kampagne?
Tommy Diener: Bereits seit der Erstellung des Bürgerprogramms 2002 hatte jeder User – egal ob Mitglied oder nur Sympathisant – die Möglichkeit, an unserem Wahlprogramm online mitzuarbeiten. Bei unserer „Gut gemacht“-Kampagne konnten User ihre eigenen Fotos hochladen und damit Plakate gestalten. Weitere Social Media-Aktionen wird es auch im Bundestagswahlkampf geben. Zudem bieten wir eine Reihe von Mitmach-Möglichkeiten über unsere Wahlkampfseite wahl.fdp.de an.
politik-digital.de: Beobachten Sie, wie die Konkurrenz online vorgeht? Kann ggf. flexibel reagiert werden?
Tommy Diener: Dass wir die politischen Mitbewerber beobachten und auf sie reagieren, haben wir bereits des Öfteren auf Facebook gezeigt – mit schnellen und reichweitenstarken Repliken z.B. auf den Kampagnen-Claim der SPD.
politik-digital.de: Räumen Sie dem Internet einen großen Stellenwert bei der Mobilisierung von Nichtwählern ein? Wenn ja, wie funktioniert die Mobilisierung im Netz?
Tommy Diener: Zum einen ist Online-Wahlkampf zeitgemäß und wird von den Wählerinnen und Wählern erwartet. Zum anderen ist das Internet insbesondere für junge Menschen ein zentrales Medium geworden, um sich über Politik zu informieren.
Besonders interessant für den Wahlkampf macht das Internet die Geschwindigkeit, mit der Neuigkeiten verbreitet werden können. Zudem bietet der gegenseitige Austausch von Ideen und Informationen im Netz die Möglichkeit des echten Dialogs anstelle klassischer, einseitiger Kommunikation. Auch ist es über soziale Medien einfacher, einen Multiplikator-Effekt zu erzielen, um eine Vielzahl von potenziellen Wählerinnen und Wählern zu erreichen. Aufgrund dieser Vorteile ist das Internet heute nicht mehr aus dem Wahlkampf der FDP wegzudenken.
politik-digital.de: Wo online um Wähler geworben wird, ist der Shitstorm nicht weit. Haben Sie eine „Eingreiftruppe“? Wie wird die intervenieren?
Tommy Diener: Ja, wir haben eine „Eingreiftruppe“, die durch Richtigstellung reagiert. Aber im Gegensatz zu anderen lassen wir auch Kritik auf unseren Seiten zu und zensieren nur strafrechtlich Relevantes – man muss einen Shitstorm auch mal aushalten.
politik-digital.de: Ihre Kampagne „Gut gemacht, FDP“ wurde auf einem tumblr-Blog aufgegriffen: Alle Plakate, die es nicht auf Ihre Homepage schaffen, werden dort als Negativkampagne veröffentlicht. Wie gehen Sie damit um bzw. reagieren darauf?
Tommy Diener: Die Motive auf tumblr wurden nicht über unser Tool erstellt! Negative Campagning kann man nicht verhindern, aber man darf es auch nicht überbewerten. Die Auseinandersetzung mit unserer Kampagne erhöht jedoch auch die Aufmerksamkeit und zeigt die Relevanz.
Hier finden Sie Teil 1 der Reihe: Christophe Chan Hin (Piratenpartei) im Interview
Hier finden Sie Teil 2 der Reihe: Uwe Göpel von der CDU im Interview
Hier finden Sie Teil 4 der Reihe: Interview mit Marion Heinrich (Die LINKE)
Auch unser 3. Berliner Hinterhofgespräch hatte das Thema “Auf Stimmenfang im #Neuland – Die Online-Kampagnen zur Bundestagswahl”. Hier geht’s zum Video.
Bilder: Sebastian Drescher, Tommy Diener