Das Land Baden-Württemberg bietet seit Dezember seinen BürgerInnen und allen Interessierten die Möglichkeit, sich aktiv politisch zu beteiligen. Auf der Beteiligungsplattform “Bürger und Öffentlichkeitsbeteiligung am integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept” können noch bis zum 1. Feburar von der Landesregierung geplante Maßnahmen im Bereich Energie und Klimaschutz bewertet werden.
Der Kern des Beteiligungsverfahrens “BEKO” auf www.beko.Baden-Wuerttemberg.de besteht aus der Kommentierung und Formulierung von Handlungsempfehlungen zu von der Landesregierung entwickelten Maßnahmen. In sieben Themenblöcken können die NutzerInnen entscheiden, ob sie die Durchführung der geplanten Maßnahmen im Energie- und Klimaschutz „sehr“ bis „überhaupt nicht” empfehlen. Darüber hinaus bietet eine Kommentarfunktion die Möglichkeit, explizit Meinungen, Anregungen und Kritik zu äußern. Die Ergebnisse der Online-Befragung werden im Anschluss bei sogenannten „Bürgertischen“, sprich Diskussionsrunden von jeweils 25 zufällig ausgewählten BürgerInnen, reflektiert und in einer gemeinsamen Sitzung mit den Verbänden zu Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Im Mai sollen diese Empfehlungen an die Landesregierung übergeben werden.
Umweltminister Franz Untersteller zufolge würden “alle Beurteilungen auf Umsetzbarkeit überprüft”, und wo immer es ginge, solle der Sachverstand der Bevölkerung in das Integrierte Energie und Klimaschutzkonzept (IEKK) einfließen.
Einen Monat nach dem Start der Bürgerbeteiligungsplattform zieht Untersteller eine erste positive Bilanz. Bereits Rund 4.000 BürgerInnen haben die Website besucht und ca. 40.000 Bewertungen und Kommentare hinterlassen. Den Erfolg des Projektes sieht Mitinitiator Frank Ulmer vor allem in der Proaktivität des Verfahrens. So unterscheide sich BEKO von anderen Beteiligungsverfahren, weil es kein “Alibiverfahren” sei, sondern den BürgerInnen die Möglichkeit biete, sich tatsächlich Gehör zu verschaffen. Auch habe sich der Methodenmix von On- und Offline-Verfahren bewährt und sei auch für eine Umsetzung auf Bundesebene denkbar, so Ulmer.
Die Diskussion um Bürgerbeteiligungsverfahren auf nationaler wie Landesebene wird seit langem kontrovers geführt und bietet durchaus kritisches Potential. Im repräsentativen System der Bundesrepublik liegt ein häufiger Kritikpunkt in der Gefahr der Verlangsamung von politischen Prozessen durch den stetigen Einbezug der Bevölkerungsmeinung. Auf die Frage, inwiefern BürgerInnen generell an politischen Entscheidungen teilhaben sollten, grenzt Ulmer das Verfahren der Bürgerbeteiligung als “innovative Form der Politikberatung” klar von anderen direkten Verfahren, wie dem Bürgerentscheid, ab. Bei der Bürgerbeteiligung gehe es vor allem darum, frühzeitig Informationen seitens der BürgerInnen einzuholen, die Experten übersehen haben. Auch würden die Präferenzen der BürgerInnen häufig falsch eingeschätzt, was durch Bürgerbeteiligung korrigiert werden könne.
Zur ebenfalls vieldiskutierten technischen Umsetzung von Online-Beteiligungsverfahren hat Ulmer ebenfalls eine klare Haltung. So sei kein “technisches Feuerwerk” nötig, um Beteiligung zu initiieren, es reiche, wenn die entsprechende Webseite fehlerfrei funktioniere. Wenn die BürgerInnen merkten, dass Ihre Belange ernsthaft geprüft würden, sei das ein Anreiz, der mehr Wert sei als eine technisch besonders aufwendige Webseite.
Wichtig sei außerdem die Bereitschaft politischer AkteurInnen, Zeit und Ressourcen zu investieren. Bügerbeteiligung sei aufwendig, und auch Standard-Onlineverfahren sollten nicht unterschätzt werden, so Ulmer, der bereits seit Jahren zum Thema Bürgerbeteiligung forscht und an der Umsetzung verschiedener Beteiligungsverfahren mitgewirkt hat. So berät er beispielsweise die Stadt Heidelberg bei der Entwicklung von Leitlinien für Bürgerbeteiligung und ist Gründungmitglied der “Allianz für Beteiligung“, einem Netzwerk für zivilgesellschaftliche Initiativen. Im Auftrag der Landesregierung organisiert er gemeinsam mit Jörg Hilpert für die gemeinnützigen Gesellschaft für Kommunikationsforschung “Dialogik GmbH” die BEKO.
Noch bis zum 1. Februar kann die Beteiligungsplattform aktiv genutzt werden. Alle BürgerInnen in Baden-Württemberg sind aufgefordert, sich aktiv einzubringen.
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