In den USA wird die politisch unabhängige, ultra-konservative Tea-Party-Bewegung zum begehrten Wahlkampf-Objekt der Republikaner. Die nur lose organisierte Szene ist digital bestens vernetzt, die Bloggerin Keli Carender ein Star unter den Tea-Party-Aktivisten. Soziale Netzwerke wie patriotcaucus.com ersetzen derzeit aber noch Führungspersönlichkeiten der Online-Opposition zu Obama.
Da gibt es in den USA also diese junge Bewegung, die konservativer ist als die Republikaner. Eine Bewegung, die Kritik an Obamas Politik radikaler formuliert als es die Opposition der Republikaner derzeit kann. Sie nennt sich Chicago-Tea-Party-Bewegung in Anspielung auf die Boston Tea-Party von 1773. Damals warfen Aufständische aus Protest gegen die Steuerpläne der britischen Kolonialherren ganze Schiffsladungen indischen Tees ins Wasser. Während Obama und den Demokraten nahe stehende Organisationen im Internet massiv für die Gesundheitsreform und andere Projekte werben, organisieren sich auch seine Gegner im Netz.
Freiheit! – von Steuern
Anfang Februar trafen sich die Chicago Tea-Party zu ihrem ersten nationalen Kongress in Nashville (Tennessee). Hauptrednerin war Sarah Palin, die ehemalige Vizepräsidenten-Kandidatin der Republikaner. Das zeigt, wie groß das Interesse der Republikaner an der gut vernetzten und bislang parteipolitisch unabhängigen Tea-Party-Bewegung ist. Denn eigentlich mangelt es den Aktivisten nicht an charismatischen Sprechern. Eine davon ist Keli Carender, Bloggerin aus Seattle und eine Art Star der Bewegung. Hauptgegner sind für sie der Marxismus und ein "starker Staat", den Obama mit seiner Hilfe für die Banken und die Automobilindustrie für Carender verkörpert.
Keine klassische Konservative
Carender hat Mathematik und Biologie in Oxford studiert, ist tätowiert, trägt eine Hipster-Brille – und arbeitet für eine Non-Profit-Organisation. Dort gibt sie Unterricht für einkommensschwache Erwachsene. Auf den ersten Blick also nicht unbedingt das, was man sich unter dem Star einer ultra-konservativen Bewegung gemeinhin vorstellt. Ihr Blog redistributingknowledge macht aber schnell deutlich, wie sehr sie sich für die Bewegung engagiert. Dort polemisiert sie gegen ‘linke’ Politiker oder ruft ganz gezielt zu Aktionen auf. Beliebt sind vor allem massenhafte Protestanrufe bei Abgeordneten, deren politische Projekte zu Steuererhöhungen führen könnten. Einem Post von Carender vom 16. Februar zufolge konnten angeblich bereits einige der aufgelisteten Abgeordneten umgestimmt werden.
Taxed Enough Already
Carenders Blog ist ein prominentes aber nur kleines Glied der Bewegung. Die Strategie der direkten Einflussnahme auf lokale Abgeordnete gehört bei vielen weiteren Portalen dazu. Die Evergreen Freedom Foundation, ein weiteres Tea-Party-Forum zum Beispiel, listet unter der Rubrik "Hey, Big Spender (how much will your legislator cost you?)" die Namen der Kongressabgordneten auf, die Steuererhöhungen fordern. Auch hier ruft man zu Massentelefonanrufen auf.
Denn was die Bewegung eint, ist ihre Wut auf Steuererhöhungen, die Gesundheitsreform und einen "starken Staat". Ansonsten unterscheiden sich die politischen Überzeugungen der Tea-Partier recht stark. Das zeigt sich zum Beispiel an den Diskussionen in den bewegungseigenen sozialen Netzwerken wie patriotcaucus.com über die künftige politische Strategie. Unter der Rubrik Mitglieder findet sich dort ein Freundesnetzwerk, das in Funktion und Aussehen stark an Facebook erinnert. Und auch im ‘echten’ Facebook ist die Bewegung aktiv, Gruppen wie Tax Day Tea Party 2010 mit über 65.000 Mitgliedern informieren über geplante Aktionen oder bieten die Möglichkeit zum Austausch. Aktuell wird dort zum Beispiel diskutiert, ob die Bewegung lokale Sprecher oder Abgeordnete wählen sollte. Viele betonen aber die Vorteile einer "führungslosen" Bewegung.
Dass der erste nationale Konvent der Bewegung trotzdem so viel mediale Wirkmacht erzeugen konnte, liegt an der guten digitalen Vernetzung. In der Blogosphäre der Bewegung finden sich nicht nur Aktionsplattformen wie redistributionknowledge, die Evergreen Freedom Foundation oder eastsideteaparty.com. Seiten wie americanthinker.com oder smartgirlnation.com liefern mit Artikeln und Texten Denkanstöße und eine theoretische Basis.
Wem gehört die Bewegung?
Für die Tea-Party-Aktivisten sind ihre Ziele aber nicht zwingend an die Republikaner geknüpft. So erklärte eine Demonstrantin aus Nevada, Barbee Kinnison, auf dem Tea-Party-Kongress, dass sie mehrere der zahlreichen Tea-Party-Gruppen hinter dem demokratischen Senator Harry Read versammeln will. Keli Carender hat Kontakt zu den Demokraten in ihrem Blog selbstbewusst angeregt: „Not everyone in the Tea Party Movement is a Republican, so why not help fiscally conservative people push forth in the Democrat party as well? Why not change the range of what is acceptable in both parties? Hmmm?“
Dazu passt ergänzend auch dieser Text aus Welt online: Obamas verlorene Generation: http://www.welt.de/die-welt/politik/article6593924/Obamas-verlorene-Generation.html