Nachdem Hamburg sich in den letzten Jahren
zu einem der wichtigsten New Economy- und New Media-Standorte entwickelt hat,
haben auch die Parteien in der Hansestadt das Potenzial des WWW erkannt: Viel
stärker als beim Wahlkampf vor vier Jahren setzen die Landesverbände auf die digitalen
Möglichkeiten, die sich in einem Netz-Ringen um die Wählergunst erschließen lassen.
Doch hat sich die Mühe und das Geld gelohnt? Wer ist digitaler Gewinner und Verlierer?
Und wie macht sich "Richter Gnadenlos" Schill im WorldWideWeb? Sicher ist: Viel
mehr Gelder als 1997 fließen nun auch in die Planung, den Aufbau und die Pflege
von Wahlkampfwebsites. Während der Gesamtetat für den Wahlkampf bei der SPD bei
1,5 Millionen Mark liegt und die CDU mit rund der Hälfte auskommen muss, schneiden
online jedoch die Konservativen in der Elbmetropole am besten ab.
Gewinnen mit Online-Ole
Die CDU Hamburg um Spitzenkandidat Ole von Beust präsentiert sich im frischen
Hellblau — farblich abgestimmt auf den blonden Hamburger Jung´. Die übersichtliche
Struktur der Seite, unterstützt durch eine Sitemap, wird durch ganz neue Wahlkampf-Strategien
der CDU Hanseaten ergänzt: Neben geplanten Chats mit dem Spitzenkandidat
wird ein SMS-Service angeboten, der potenzielle Wähler mit den neuesten Informationen
aus der konservativen Wahlkampfzentrale versorgt. Doch damit nimmt die Interaktivität
noch kein Ende: Ein eher unterhaltsames denn wahlwirksames Instrument ist das
Gästebuch. Auf den ersten Blick erkennt man hier, dass kein Webmaster am Werk
ist und Beiträge zensiert. Ob eine ernstgemeinte Auseinandersetzung mit dem
Wahlprogramm oder ähnliches dadurch gefördert wird, ist allerdings zu bezweifeln.
Früh angekündigt hat Online-Ole seine e-Voting Initiative. Der User kann hier
zwischen vier Möglichkeiten wählen, was die CDU als erstes machen soll, wenn
Sie in der Regierungsverantwortung ist. Das vermeintliche Highlight im Webwahlkampf
der CDU ist jedoch die Website www.gewinnen-mit-ole.de.
Doch entpuppt sich diese Site nicht als Rätsel oder Wissensspiel, sondern vielmehr
als Adressensammelstelle. Denn um an der Verlosung um einen "Dombesuch mit Ole
von Beust" teilzunehmen, reicht es lediglich, Name und Adresse anzugeben. Nichtsdestotrotz
beweist die Hamburger CDU hier Internetinnovation. Sie schöpft viele Möglichkeiten
der digitalen Information und Kommunikation aus, und liegt so ganz klar vor
der SPD.
Nichts Neues bei der SPD
Diese legt andere Schwerpunkte im Netz: Anders als die Konservativen setzen
die Sozialdemokraten ihr digitales Augenmerk nicht auf Spitzenkandidat und Regierenden
Bürgermeister Ortwin Runde, sondern auf allgemeine Informationen zur Wahl zur
Hamburgischen Bürgerschaft. Sämtliche Downloads von der Kandidatenliste über
das Programm bis hin zum Versenden von elektronischen Wahlkampfkarten, bieten
nicht wirklich etwas Neues. Auch das Diskussionsforum für registrierte Besucher
und die Möglichkeiten, sich den SPD-Newsletter zuschicken zu lassen, zeigen
keine digitalen Innovationen. Das Ziel der SPD-Internet-Projektgruppe, alle
84 Hamburger SPD-Distrikte ins Netz zu bringen, wurde jedoch erreicht, so dass
zu lokalen Veranstaltungen, dem Vorstand und den Zielen für den Distrikt jederzeit
im Netz Informationen bereit stehen. Die interaktiven Möglichkeiten des WorldWideWeb
werden auch in der Hochphase des Wahlkampfes von der SPD Hamburg nicht ausgeschöpft.
So scheint es, als setzten die Hamburger Sozialdemokraten eher auf Information
als auf Kommunikation.
Krista Sager Superstar
Beim Koalitionspartner, der GAL
Hamburg, sieht es auf der Landesverband-Website ähnlich aus. Jedoch sind
Angaben zur Wahl leichter zu finden, und auch die Informationen zu den Personen
sind auf den Wahlkampf abgestimmt und übersichtlicher angeordnet. Neben den
obligaten Dialogmöglichkeiten wie Mailingliste, Gästebuch und Diskussionsforum
bieten aber auch die Grünen/Alternative Liste im digitalen Wahlkampf keine Innovationen.
Die persönliche Homepage der Spitzenkandidatin Krista
Sager kann dies nicht wettmachen, verschafft jedoch einen umfassenden Einblick
in die Biographie, in die politischen Schwerpunkte und die Fußballprognosen
der Senatorin für Wissenschaft und Forschung, die ein bekennender FC St. Pauli
Fan ist.
FDP setzt auf Lange
Während sich die Hamburg-Site der FDP momentan in Überarbeitung befindet, ist
der Wahlkampf der Hanseatischen Liberalen schon bei der Domaineingabe ganz auf
den Spitzenkandidaten Rudolf Lange (www.lange2001.de)
zugeschnitten. Die Seite hält neben Informationen zum Wahlprogramm und zum Spitzenkandidaten
einen SMS-Newsservice bereit, wie ihn die CDU auch anbietet. Desgleichen wartet
die FDP mit einem e-voting für die Hamburger auf. Hier geht es jedoch nicht
um inhaltliche Fragen wie bei der CDU, sondern der User soll allein schätzen,
wie viel Prozent der Wählerstimmen die Hamburger FDP am 23. September für sich
verbuchen kann. Die Ankündigung des Spitzenkandidaten Lange, einen frechen Wahlkampf
zu machen, erfüllt sich im Netz am offensichtlichsten am Beispiel des Anti-SPD
Puzzles, das der User per Mausklick zusammenfügen kann. Als einziger Landesverband
in Hamburg ruft die FDP im Netz zum Spenden auf, im "Spendenforum" finden sich
jedoch keine Online-Überweisungsträger, sondern lediglich Angaben zur Bankverbindung.
Im Gegensatz dazu möchten die Hamburger Liberalen Mitgliederrekrutierung online
ausführen.
Der "Häuptling" informiert
Die Statt-Partei
Hamburg um Spitzenkandidat Jürgen Hunke stellt solide und gut strukturierte
Information ins Netz. "Der Häuptling der Nichtwähler", wie sich Hunke gerne
bezeichnet, geht mit einem Mini-Etat von 10.000 Mark in den Wahlkampf, damit
sind auch im Netz keine Neuheiten zu erreichen.
Der (S)chill Out-Bereich
Auch die schillerndste Persönlichkeit im hanseatischen Wahlkampf, Ronald Barnabas
Schill, ist mit seiner Partei
Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) im Netz vertreten. Jedoch kann dieser
Webauftritt nicht mit dem Gegenspieler, der Anti-Schill-Site, mithalten. Dröge
Wahlkampf-Informationen rund um die Partei des "Richter Gnadenlos", Termine
und eine Presseschau präsentieren sich in einem unprofessionellen Layout. Der
Link "Forum" ist zurzeit nicht anklickbar – ähnlich wie in seinen Verhandlungen
ist Schill, der sich ab September schon als Hamburger Innensenator sieht, wohl
auch digital nicht zu einem Dialog bereit. www.schill-out.de
wurde von den Jusos Hamburg ins Leben gerufen. Die Seite befasst sich inhaltlich
mit dem Wahlprogramm der PRO-Partei , hat eine kommentierte Version der SPD
Harburg und der Gewerkschaft ver.di online gestellt und möchte so dem "Haider
Norddeutschlands" jegliche Wählergunst entziehen.
Auch wenn die Hamburger Parteien im Jahre 2001 digital versierter und professioneller
an den Wahlkampf im Netz herangehen und besonders bei der CDU Interaktivität
groß geschrieben wird, ist eins klar: Information für und Kommunikation mit
dem Wähler muss im WWW anders gehandhabt werden als auf dem Marktplatz oder
vor dem Fußballstadion. Politisch interessierten Usern reicht es nicht, in einem
Kandidaten-Chat mit den Slogans, Zahlen und Wahlkampfthesen abgespeist zu werden,
die sie schon auf Großveranstaltungen und auf Plakaten präsentiert bekommen.