Alastair Campbell, der Spin-Doctor von Tony Blair, will für Labour den Wahlkampf per Online-Kampagne revolutionieren. Aber wie kommen altgediente Strategen und Kontrollfreaks wie Campbell mit den "Grassroots" im Netz zurecht?
In den vergangenen Jahren hatte Campbell zahlreiche offizielle Regierungsämter abgelehnt. Diesmal sagte er bei Labour jedoch wieder zu. Alastair Campbell arbeitete bereits von 1994 bis 2003 zusammen mit Tony Blair. Ab 1997 übernahm er die Aufgabe des Regierungssprechers. Bereits als "Spin Doctor" im Wahlkampf und später als Regierungssprecher wurde ihm großer Einfluss auf die New-Labour-Regierung zugesprochen.
Durch seinen sehr effektiven Umgang mit den Medien allerdings fühlten sich andere Abgeordnete und Minister der Partei ins Abseits gedrängt. Logischerweise verschaffte ihm dies nicht nur Freunde. Er galt als engster Vertrauter Tony Blairs und hatte maßgeblichen Einfluss auf wichtige Regierungsentscheidungen.
Der Fall und die Wiedergeburt des Medienexperten
Alastair Campbell geriet in die Kritik, als er im Vorfeld des Irak-Krieges die These der Massenvernichtungswaffen im Irak stützte und teilweise Informationen künstlich aufbauschte.
Die Krise eskalierte, als David Kelly, Biowaffenexperte der
Vereinten Nationen, von Campell als BBC-Informant öffentlich
denunziert wurde. Kelly beging daraufhin Selbstmord.
Die anschließend eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Vorfälle kam zu dem Schluss, dass Campbell unschuldig sei. Der öffntliche Druck jedoch zwang ihn 2003 zum Rücktritt.
Seitdem war es still geworden um den Medienexperten. 2007 veröffentlichte er seine Autobiographie. Diese basiert auf Tagebüchern, die er während der Zeit an der Seite von Tony Blair geschrieben hatte. Das Buch avancierte in Großbritannien zum Bestseller.
Die Grassroot-Bewegung: Ein Thema für Campbell?
Auch in Großbritannien hat sich der Wahlkampf seit 1994 maßgeblich verändert. Das Internet ist seit 2000 nicht mehr aus den Wahl-Kampagnen wegzudenken. Spätestens seit Obama 2008 ist auch klar, dass die "Grassroots" im Netz eine bestimmende Macht sein können – wenn man es richtig anpackt. Das soll Campbell nunmehr für Labour sicherstellen.
Viele Parteifunktionäre haben noch seine Glanzleistungen aus zahlreichen vergangenen Wahlkämpfen im Hinterkopf. Die Partei selbst gilt zur Zeit als unfähig, einen koordinierten Wahlkampf auf die Beine zu stellen. Somit kommt Campbell gerade zur rechten Zeit.
Aber gleichzeitig machen sich in der Partei alte Ängste breit: Campbell könnte mit seiner Medienpräsenz andere Politiker in den Hintergrund drängen. Die Meinungen über ihn sind also durchaus geteilt. Klar ist aber eins: Campbell wird den Wahlkampf führen und er will das Internet und die "Grassroots"-Bewegung in den Mittelpunkt rücken.
Authentizität soll Vertrauen schaffen
Campbell sieht dabei vor allem die Politik in einer Vertrauenskrise, die er mittels des Internet überwinden möchte:"People know that politicians might spin them a line, then the media spins them a line. The only stuff that cuts through now is authenticity." Damit stellt Campbell die "kontrollierte Kampagnentaktik" in Frage und lässt sich auf den Kampagnenstil der neuen Medien ein.
Plattformen wie GoFourth, die Labour-Kampagnen-Plattform, oder auch LabourList sind dabei erst der Anfang. Professionelle Hilfe besorgt man sich auch bei den Kampagnenmachern aus den USA und lässt sich Plattformen und Mechanismen erläutern. Mit Campbell hat Labour also einen altgedienten Wahlkämpfer ins Boot geholt, der verstanden hat, wozu die neuen Medien verwendet werden können: Das Schaffen von Authentizität soll die Distanz zum Wähler überwinden. Außer Medienankündigungen ist bisher allerdings nicht viel Revolutionäres passiert.
Kontinuität und Wandel
Ähnliches fand sich auch in den USA wieder: Hier waren es Kerry und Dean-Wahlkämpfer, die für Obama gearbeitet haben. Unternehmen wie "Blue State Digital", die die Online-Kampagne von Obama durchgeführt haben, sind von ehemaligen Wahlkämpfern gegründet worden. Joe Trippi, erfolgreicher Spin Doctor zahlreicher Kampagnen, gilt in den USA immer noch als Vordenker des modernen Wahlkampfes.
In Deutschland wurde mit Kajo Wasserhövel (SPD) ebenfalls ein Veteran der Spin-Doctor Riege auf den kommenden Wahlkampf angesetzt. Auch er ist überzeugt davon, dass das Internet eine bedeutende Rolle im Wahlkampf einnehmen wird.
Damit finden sich oftmals etablierte Wahlkämpfer, deren Kontinuität in der Arbeit unverkennbar ist, in der Position wieder, den modernen Wahlkampf managen zu müssen.
Neuer Wahlkampf mit alten Wahlkämpfern?
Dieser Wandel ist erstaunlich und zeugt von einer hohen Flexibilität und Bereitschaft, die neuen Medien in den Wahlkampf integrieren zu wollen. Sie birgt aber auch die Gefahr, dass die altgedienten Wahlkämpfer alte Kommunikationsmuster auf die neuen Medien aufstülpen wollen, wie jüngst in der CDU in Hessen.
Hier wurde versucht, dem Wähler möglichst schnell das Image "modern" zu vermitteln, indem klassische PR-Arbeit in neuem Gewand transportiert wurde. Kommunikation? Partizipation? Fehlanzeige! So geht die Zielgruppe "Onliner" den Wahlkämpfern verloren. Vorsicht ist also angebracht.
Ein wenig frischer Wind in den Kampagnenzentralen, hereingeweht durch junge Wahlkämpfer der Generation "internet natives", wird zweifellos wohltuend sein. Aber: Kontinuität und Wandel wollen gut gemischt werden. Und zumindest Campbell steht für kontinuierlichen Erfolg…