Dr. Thorsten Braun, Syndicus beim Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft, erläutert die Schwachstellen des Gesetzes. Besonders die Missbräuche bei der „Privatkopie“ müssten beseitigt werden.

Die Funktionsfähigkeit des Musikmarkts ist derzeit durch massenhaftes (legales wie illegales) „Brennen“ von CDs und durch Internet-Piraterie nachhaltig gestört. Hier ist der Gesetzgeber gefragt: Das Urheberrecht als traditionelles Marktordnungsrecht muss an die neuen technologischen Entwicklungen angepasst werden. Die Musikwirtschaft erwartet von der Novelle des Urheberrechtsgesetzes wichtige Impulse: Tonträgerhersteller müssen in ihren Bemühungen unterstützt werden, ihre Produkte gegen unkontrolliertes Klonen zu schützen. Missbräuche bei der so genannten „Privatkopie“ müssen beseitigt werden. Außerdem gilt es, den Rechtsrahmen für funktionierende Geschäftsmodelle im Internet zu schaffen. Dazu zählen auch wirksame und effektive Rechtsbehelfe, um unautorisierte Musikangebote im Internet unterbinden zu können. Der Regierungsentwurf für ein „Gesetz zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“ wird den Erwartungen der Musikwirtschaft in vielen Punkten gerecht, auch wenn zu einzelnen Aspekten des Entwurfs noch wichtige Nachbesserungen notwendig sind.

Die positiven Aspekte des Regierungsentwurfs

Zur Privatkopie folgt der Regierungsentwurf dem Prinzip „das Schützbare schützen, das Nicht-Schützbare vergüten“. Dieses Prinzip hatten die Phonoverbände zusammen mit dreizehn weiteren Urheberrechtsorganisationen in einem „Forum der Rechteinhaber“ formuliert. Entgegen aller Forderungen vorgeblicher Verbraucherschützer wird in dem Gesetzentwurf kein „Anspruch auf Privatkopie“ verankert. Einen solchen Anspruch gibt es heute nicht, und ihn darf es auch zukünftig nicht geben. Dort, wo keine technischen Schutzmaßnahmen eingesetzt werden, bleibt die Privatkopie zulässig und – das ist ebenfalls wichtig – vergütungspflichtig (über Geräte- und Leermedienabgaben). Wo jedoch technische Maßnahmen zum Schutz eines Produkts angewandt werden, müssen diese respektiert und dürfen nicht umgangen werden.

Doch nicht nur das Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen wird zukünftig verboten sein. Viel bedeutsamer ist, dass jede Form der Verbreitung von Umgehungstechnologien oder der Anleitung zum Umgehen von Kopierschutz ebenfalls verboten wird. Die Zeiten, in denen sich Computer-Magazine darin überbieten, das Knacken von Kopierschutz zu erläutern und sogar Umgehungssoftware hierfür anbieten, werden dann endlich vorbei sein.

Hinsichtlich des Musikvertriebs im Internet soll in das Urheberrechtsgesetz ein neues Recht eingeführt werden: das Recht der Zugänglichmachung. Dieses garantiert Autoren, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern, die Auswertung von Musikaufnahmen in „Music on Demand“-Diensten zu erlauben oder zu verbieten. Damit werden die Rechte, die Kreative und Produzenten hinsichtlich traditioneller physischer Tonträger besitzen, auf neue Angebotsformen, insbesondere im Online-Bereich, übertragen. Der Regierungsentwurf hält sich insoweit eng an die internationalen Vorgaben der EU-Informationsgesellschaften-Richtlinie.

Doch nicht in allen Punkten wird der Regierungsentwurf den Anforderungen der Musikwirtschaft gerecht.

Es besteht noch Änderungsbedarf

Der Regierungsentwurf versäumt es leider, die Missbräuche bei der so genannten Privatkopie zu beseitigen. So fehlt eine Klarstellung, dass Kopien zum eigenen privaten Gebrauch nur von legalen Quellen angefertigt werden dürfen. Was einmal illegal ist, muss auch nach der Vervielfältigung illegal bleiben und darf nicht „reingewaschen“ werden. Eine illegal im Internet angebotene Musikaufnahme darf also auch nicht zum privaten Gebrauch legal heruntergeladen werden. Darüber hinaus besteht überhaupt kein Grund, auch die Herstellung von Kopien durch Dritte zuzulassen. Dadurch wird nur der private Charakter der Vervielfältigung in Frage gestellt und unnötig eine rechtliche Grauzone aufgebaut, die Piraterie Vorschub leisten kann.

Äußerst problematisch sind die Vorschriften zur Einschränkung technischer Schutzmaßnahmen zugunsten einzelner Nutzergruppen (sog. „Durchsetzung von Schranken“). Was verbirgt sich dahinter? Das Gesetz sieht für bestimmte Nutzungen Ausnahmen (Schranken) vom Urheberrecht vor, z.B. aus sozialen Gründen. Da offenbar befürchtet wird, diese Ausnahmen könnten durch technische Schutzmaßnahmen völlig ausgehöhlt werden, sollen sie sich gegen die technischen Maßnahmen durchsetzen. Für die Lösung dieses bislang völlig theoretischen Problems sieht der Regierungsentwurf verschiedene Klagemöglichkeiten und ein Ordnungswidrigkeitenverfahren vor. Dies führt insgesamt zu einer unberechtigten „Übersicherung“ der angeblichen Rechte einzelner Nutzergruppen und wird der Vorgabe der EU-Richtlinie nach einer Förderung freiwilliger Maßnahmen nicht gerecht. Der Entwurf verursacht Rechtsunsicherheit, indem er die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen provoziert, und er behindert dadurch die sinnvolle Entwicklung technischer Schutzmaßnahmen, von der gerade auch die Nutzer profitieren können. Gerade in Anbetracht des nicht absehbaren praktischen Bedürfnisses ein Eingreifen des Gesetzgebers, sollte dieser vorerst von dieser umstrittenen Regelung absehen.

Im Regierungsentwurf ist eine ausdrückliche Regelung zur Kennzeichnung von Produkten aufgenommen worden, bei denen technische Maßnahmen wie z.B. ein Kopierschutz eingesetzt werden. Sachlich ist die Kennzeichnung sinnvoll: Die IFPI hat von Anfang an empfohlen, kopiergeschützte CDs entsprechend zu kennzeichnen und inzwischen auch ein einheitliches Kopierschutzlogo vorgestellt. Doch die Verankerung der Kennzeichnungspflicht im Urheberrechtsgesetz ist überflüssig und inhaltlich unklar. Eine Kennzeichnung muss dort erfolgen, wo es berechtigte Verbrauchererwartungen gibt. Wo diese nicht bestehen, ist auch eine Kennzeichnung nicht erforderlich. Die Vorschrift könnte dazu führen, dass CDs zukünftig ein „Beipackzettel“ beigefügt werden muss, dessen Umfang kaum übersehbar und dessen Inhalt angesichts neuer Gerätekonfigurationen schnell überholt wäre.

Schließlich fehlen im Regierungsentwurf Vorschriften für ein effektives Vorgehen gegen Internet-Piraterie. Der durch die EU-Richtlinie zwingend vorgeschriebene Unterlassungsanspruch gegen Internet Service Provider ist ebenso wenig im Gesetzentwurf enthalten wie ein ausdrücklicher Auskunftsanspruch, der den Rechteinhabern eine Identifizierung von Rechtsverletzern ermöglichen würde, ohne gleich Strafverfahren einleiten zu müssen. Diese Punkte sollten im Regierungsentwurf nachgebessert werden, damit das neue Urheberrechtsgesetz tatsächlich den internationalen Vorgaben gerecht wird.

Die Novelle ist nur ein erster Schritt

Der Regierungsentwurf enthält eine Fülle von weiteren Vorschriften, die dazu dienen, das Urheberrecht den Anforderungen der Informationsgesellschaft anzupassen. Sie können hier nicht alle dargestellt werden, sind teilweise für die Musikwirtschaft auch von geringer praktischer Bedeutung. Allerdings spart der Gesetzentwurf auch bewusst einige (auch für die Musikwirtschaft) wichtige Fragen aus, so insbesondere die Regelung der Vergütungssätze für Leermedien und Vervielfältigungsgeräte. Dies geschah, um das Gesetzesprojekt nicht mit einer Vielzahl besonders strittiger Punkte zu belasten und zeitlich zu verzögern. Diese Strategie ist nicht ganz aufgegangen, konnte das Gesetz doch in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden. Weitere Verzögerungen sollten aber vermieden werden. Mit den genannten notwendigen Detailänderungen sollte das Gesetz nunmehr zügig verabschiedet werden. Wenn die zwingenden EU-Vorgaben umgesetzt sind, kann in einem zweiten Schritt über weitere Änderungen diskutiert werden.

Dr. Thorsten Braun ist Syndicus beim
Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft

Erschienen am 23.01.2003


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