Das Urheberrecht in die Schranken gewiesen – einige Auswirkungen der Umsetzung der letzten EG-Richtlinie zum Urheberrecht
Am 29.01.2003 wird es eine Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages zum derzeitigen
Gesetzesentwurf der Bundesregierung geben, der das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft regeln soll. Hintergrund der neuen Regelungen bildet eine
Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rats vom 22.05.2001, die eine teilweise Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts innerhalb der EU Rates anstrebt. Der vollständige Name lautet: „Richtlinie 2001/29/EG … zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“, häufig wird sie deshalb einfach nur als „Copyright-Richtlinie“ bezeichnet. Außerdem werden in dem Gesetzesentwurf zwingende Vorgaben aus zwei bereits ratifizierten internationalen Urheberrechtsübereinkommen, den
WIPO-Verträgen umgesetzt.
Frist versäumt
Die Richtlinie war innerhalb von 18 Monaten nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EG in nationales Recht umzusetzen, eine Frist, die mit Ablauf des 31.12.2002 bereits verstrichen ist. Deutschland ist aber nicht das einzige Land innerhalb der EU, das die Frist verpasst hat. Derzeit ist nicht abzusehen, ob dies Konsequenzen haben wird. (Wie weit die Umsetzung in anderen Ländern ist, informiert folgende
Internetseite.)
Bisherige Richtlinien zum Urheberrecht
Um das Urheberrecht der einzelnen Mitgliedstaaten zu harmonisieren sind bereits eine Anzahl von Richtlinien erlassen und in der Zwischenzeit in nationales Recht umgesetzt worden. Davon betroffen waren folgende Bereiche:
– der Schutz von Computerprogrammen
– das Vermiet- und Verleihrecht
– der Satellitenrundfunk und das Kabelweiterverbreitungsrecht
– die Dauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte und
– der Schutz von Datenbanken.
Einheitliche Schutzfrist innerhalb der EG
In praktischer Hinsicht hatte das z.B. zur Folge, dass in allen Mitgliedsländern der EG die Urheber bzw. deren Angehörige 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers Schutz für die geschaffenen Werke genießen, egal ob für Texte, Musik, Bilder usw.
Einheitliche Schrankenregelungen?
Die Verhandlungen auf der EU-Ebene zur Copyright-Richtlinie haben sich – über 3 Jahre – vor allem deshalb so lange hingezogen, weil die Mitgliedstaaten sich die Aufgabe gestellt hatten, für einen einheitlichen Binnenmarkt die sogenannten urheberrechtlichen Schranken zu vereinheitlichen. Über die Jahre hinweg hatten sich zum Teil sehr unterschiedliche Schrankenregelungen herausgebildet. Frankreich z.B. kannte bisher eine Schrankenregelung, die speziell für die Nutzung von urheberrechtlichen Werken durch Behinderte galt – um beispielsweise Bücher in Blindenschrift herstellen zu können. In Deutschland existierte keine derartige Regelung, hier gab es für die Nutzung durch Blinde aber Absprachen zwischen den beteiligten Verbänden.
Was ist eine Schranke?
Schranke in diesem Sinne bedeutet, dass der Urheber (bzw. Rechteinhaber) bestimmte Einschränkungen in Bezug auf die Verwertung und Nutzung seiner Werkes und seiner Rechte daran hinnehmen muss. Dabei geht es um die Abwägung seiner Interessen mit denen der Allgemeinheit. Schrankenregelungen sind teilweise Ausnahmeregelungen von den Grundsätzen des Urheberrechts – Erlaubnis- und Vergütungspflicht. Dabei ist, zumindest im deutschen Urheberrecht, für jede Schranke einzeln geregelt der Zweck, der Umfang des Einschnitts und teilweise ein finanzieller Ausgleich zugunsten des Urhebers oder Rechteinhabers. Gründe für die Festlegung bestimmter Schranken im Gesetz liegen z.B. in der grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Informationsfreiheit.
Im Ergebnis der zahlreichen Debatten und Papiere konnte man sich letztendlich nicht wirklich auf eine EU-weite einheitliche Definition von Schranken einigen. Es sind in der Richtlinie fixiert: a) Schranken“kataloge“ von den die Länder Gebrauch machen können, b) verbindliche Schranken, die umgesetzt werden müssen und c) sogenannte Fälle von geringerer Bedeutung.
Abschließende Schrankenregelung
Zu den Regelungsmöglichkeiten der Schranken“kataloge“, die selbst abschließend sind, zählen z.B. das Caching und Browsing. Dies bedeutet, es können Ausnahmen und Beschränkungen vom Vervielfältigungsrecht für sogenannte flüchtige bzw. begleitende, technisch notwendige „Zwischen“-Speicherungen für diejenigen eröffnet werden, die nur als technischer Vermittler rechtmäßiger Datenübertragungen tätig werden. Vorraussetzung ist, dass der betreffenden Übertragung keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
Offen geblieben?
Zwei wesentliche Aspekte der Richtlinie mussten nicht bis zum 31.12.2002 umgesetzt werden, sondern können auch später geregelt werden – die sogenannte Privatkopie und der digitale Pressespiegel. Diese Möglichkeit hat die Bundesregierung in Anspruch genommen, die Zulässigkeit von digitalen Pressespiegeln beruht derzeit nicht auf einer gesetzlichen Regelung sondern auf einem
Urteil des BGH. Die im Entwurf zum Teil enthaltene Reglung der sogenannten Privatkopie ist allerdings vielschichtiger.
Die Privatkopie bisher
Die Regelung der Schranke der Privatkopie, d.h. die sogenannte Vervielfältigung zum privaten Gebrauch, in § 53 Urheberrechtsgesetz normiert, ist von großer praktischer Bedeutung. Danach war bisher jedem gestattet, von urheberrechtlich geschützten Werken einzelne Vervielfältigungsstücke zum privaten Gebrauch anzufertigen bzw. durch Dritte anfertigen zu lassen. Aus einem Buch darf man sich also einige Seiten kopieren, von einer rechtmäßig erworbenen CD darf man sich eine Kassettenkopie für Nutzung im Autoradio anfertigen ohne einen Urheber oder sonstigen Inhaber von Nutzungsrechten um Erlaubnis bitten zu müssen. Der Ausgleich für die Berechtigten erfolgt dadurch, dass – im Fall von Texten – das Kopiergerät mit einer Kopiergeräteabgabe versehen ist, die der Betreiber bzw. Käufer zahlen muß und die an die
Verwertungsgesellschaft (VG) Wort geleitet wird. Über diese VG erhalten die dort angemeldeten Urheber einen pauschalen, nach bestimmten Kriterien am Ende eines Verwaltungsjahres errechneten finanziellen Ausgleich. Auch für die Kassette hat man als Käufer bereits einen fixen Betrag von ca 0,06 Cent pro 60 Minuten Spielzeit als „Leerkassettenabgabe“ beim Kauf gezahlt, der über die Verwertungsgesellschaft
GEMA und die
GVL an die Berechtigten ausgekehrt wird.
Regelungsansatz
In dem derzeitigen Gesetzesentwurf ist die private Kopie weiterhin enthalten, nun sowohl die analoge als auch die digitale. Dies wird aber nicht als endgültige Regelung angesehen. Darüber hinaus wirkt eine bereits im Entwurf enthaltene, ergänzende Regelung – „Durchsetzung von Schrankenbestimmungen“ (§ 95 b UrhG) als scharfer Einschnitt in den Grundsatz der Privatkopie. Demzufolge müssen Verwender technischer Schutzmaßnahmen (damit sind Digital Right Managements – DRM- gemeint) nicht alle Schrankenmöglichkeiten, die im Gesetz geregelt sind, dem Nutzer ermöglichen, sondern nur einen eingeschränkten Katalog. Digitale Kopien sind in diesem Katalog aber nicht enthalten. Von der ursprünglichen Privatkopie bleiben nur Kopien auf Paper, wenn sie z.B. mittels photomechanischer Verfahren hergestellt wurden – also analog – übrig.
Ein Gutachten, dass der Deutsche Multimedia Verband (DMMV) in Auftrag gegeben hat, kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass es derzeit keine technischen Schutzmaßnahmen gäbe, die den gesetzlichen Erfordernissen an „wirksame technische Schutzmaßnahmen“ entsprächen. Mit der gegenwärtigen „halben“ Regelung ist deshalb keine Seite zufrieden. Da bisher auch nicht feststeht, zu welchem Zeitpunkt die ergänzende Regelung der Privatkopie gelöst sein soll, steht zu befürchten, dass sich bis dahin eine praktische Lösung verfestigt, bevor der gesetzliche Rahmen dafür geschaffen wurde.
Weitere Spannungspunkte
Zu den darüber hinaus stark umstrittenen Punkten gehören die Regelungen der „öffentlichen Zugänglichmachung für Unterricht und Forschungszwecke“ des § 52a UrhG. Dabei geht es u.a. darum, was zukünftig für die Online- und Intranetnutzung von Werken in Schulen und im Rahmen von wissenschaftlichen Forschungen gelten soll – soweit damit kein kommerzieller Zweck verfolgt wird. Da seitens des Justizministeriums aber bereits geäußert wurde, dass hier noch Nachbesserungen erfolgen, bleibt abzuwarten, wie der nächste Entwurf sich hierzu äußert.
Alexandra Hölzer ist selbständige Rechtsanwältin in Berlin und tätig auf den Gebieten des Urheber-, Medien- und Onlinerechts. Zudem arbeitet sie als Dozentin an der Wirtschaftsfachschule GfS und hält Vorlesungen bei Cimdata.
Erschienen am 09.01.2003
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