Alvar Freude wollte mit seinem Satireprojekt „FreedomFone“ auf die Gefahren der Zensur aufmerksam machen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anzeige gegen ihn und droht mit Berufsverbot.

Als eine Parodie war das ganze Projekt gedacht; eine Parodie auf die umstrittenen Bemühungen der Bezirksregierung Düsseldorf, Internetseiten per Verfügung sperren zu lassen. politik-digital.de berichtete über die
Hintergründe. Auf seiner Internetseite
odem.org bietet der Medienkünstler Alvar Freude umfangreiches Material zum Thema Internetzensur an. Dort findet man auch die Satire FreedomFone.

Vorlesen per 0190

Der Sinn der Satire ist schnell erklärt. Auf einer Internetseite bietet er einen einzigartigen Dienst zum Vorlesen von in Nordrhein-Westfalen gesperrten Internetinhalten an. Dies geschieht über eine 0190-Telefonnummer für stolze 1,24 € die Minute. „Was wir zeigen wollen, ist die Problematik, was passiert, wenn man Kommunikationskanäle verstopft: Die Informationen suchen sich einfach andere Wege,“ sagt Alvar Freude.

Satire oder Straftat?

Die Bezirksregierung Düsseldorf sah jedoch keinerlei Anhaltspunkte für eine Satire. Nach der Überprüfung im Juni 2003 kam es zur Anzeige. Das Projekt sei dazu da, Zugang zu illegalen Inhalten zu vermitteln, heißt es in einer Begründung. Diese schien aber selbst der Staatsanwaltschaft nicht stichhaltig genug zu sein. Freudes Anwalt beantragte Akteneinsicht, woraufhin das Verfahren mit einem weiteren zusammengelegt wurde. Hier ermittelt das LKA Baden-Württemberg seit eineinhalb Jahren wegen Volksverhetzung. Der Hintergrund: Freude setzte in seinem Onlineportal Links zu den von der Bezirksregierung gesperrten Internetseiten. Links sind Querverweise auf andere Internetinhalte, die durch Anklicken weiterführende Informationen bieten. Alvar Freude zeigt sich unbeeindruckt von der aktuellen Anzeige und ist zuversichtlich: „Ich rechne damit, dass das Verfahren spätestens in der zweiten Instanz eingestellt wird.“ Wenn aber nicht, möchte er bis zur letzten Instanz gehen. Es geht immerhin um sein Einkommen, die Staatsanwaltschaft drohte sogar mit Berufsverbot.

Medienkompetenz in Frage gestellt

Links zu umstrittenen Inhalten allein stellen jedoch keine Straftat dar. Die Nennung der Links zu Dokumentationszwecken erfüllt nach §86 StGB nicht den Strafbestand der Volksverhetzung oder Gewaltdarstellung. politik-digital.de fragte deshalb bei der Bezirksregierung nach, wie es zur Strafanzeige kommen konnte. „Die strafrechtlichen Inhalte lagen auf Herrn Freudes Internetserver bereit, das haben wir gesehen. Somit ist der Strafbestand erfüllt. Wir halten es für unsere Pflicht, dies anzuzeigen und es ist uns absolut ernst.“, so der Pressesprecher der Bezirksregierung Düsseldorf. Freude entgegnet dieser Aussage: „Ich hatte diese Inhalte definitiv nicht auf meinem Server, das ist technisch nachvollziehbar.“ Das Prinzip seiner Internetseite basiere auf Querverweisen, die das Kopieren ganzer Inhalte überflüssig mache. Freude vermutet, dass der Irrtum auf fehlende Internetkenntnisse der Regierungsbeamten zurückzuführen sei. Pressessprecher Hamacher zeigt jedoch keine Zweifel an den Kenntnissen der federführenden Beamten Büssow und Schütte aus Düsseldorf: „Die Beiden besitzen sehr hohe Internetkenntnisse, sie nutzen das Internet täglich.“

Bleibt der Vorwurf der Bezirksregierung, Alvar Freude würde den Inhalt der gesperrten Internetseiten verherrlichen. Pikanterweise handelt es sich hierbei um rechtsradikale Inhalte. Freude aber distanziert sich davon. Sein Anwalt formuliert in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft: „Der Beschuldigte ist lediglich der Auffassung, dass die Vorgehensweise der Bezirksregierung Düsseldorf, derartige Inhalte einfach auszublenden, vor den Bürgern zu verstecken und damit schlicht zu negieren, der falsche Weg im Umgang mit rechtsradikalem oder volksverhetzendem Gedankengut ist.“

Zensur bald flächendeckend?

“Ich befürchte, dass die Zensurbemühungen technisch eher realisiert sind, als dass das Thema Sperrungsverfügung jemals gesellschaftspolitisch diskutiert wurde. Ich wünsche mir eine Ausweitung der Diskussion von der Szene auf die breite Öffentlichkeit”, sagt Freude. Problematisch findet er beispielsweise das Projekt ICRA, ein System, entwickelt zum Schutz der Jugend im Internet. Das System zum Filtern von jugendgefährdenden Seiten beruht auf einer freiwilligen Selbstkontrolle von Internetanbietern. Jeder kann seine Internetseite selbst einstufen und sich somit dem System und dem Nutzer gegenüber als jugendfreundlich oder auch nicht präsentieren. Der Endanwender installiert eine Software auf seinem Computer, die genau diese Einstufungen erkennt und umsetzt. Freude weist daraufhin, dass dem Endanwender die bisherige Kontrolle über die Internetinhalte entrissen werden könnte, wenn die Software von Zugangsanbietern wie der Telekom und AOL eingesetzt werden würde. „Das Auftreten der Bezirkregierung Düsseldorf treibt die Provider eventuell zur Installation von ICRAplus, um den Sperrungsverfügungen der Regierung zuvorzukommen,“ sagt Freude. Erklärtes Ziel sei die “regulierte Selbstregulierung”. “ICRAplus bietet in der aktuellen Fassung nicht nur Echtzeitfilter, also die Abkehr vom Prinzip des Selfratings, sondern auch die Möglichkeit, die Filter direkt beim Zugangsprovider scharfzustellen”. Wesentlicher für die Umsetzung von ICRA dürfte der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vom 01.April.2003 sein. ICRA könnte von allen Providern Deutschlands eingesetzt werden, um Konflikten mit dem Gesetz präventiv entgegenzukommen.

Erschienen am 05.11.2003

Kommentieren Sie diesen Artikel!


Diskutieren Sie mit anderen in unserem Forum!


Weiterführende Artikel: