Internetnutzer demonstrieren gegen geplante Internetfilter der Düsseldorfer Bezirksregierung
Gegen einen Erlaß der Düsseldorfer Beszirksregierung will der Chaos-Computer-Club nun auf der Strasse und in aller Öffentlichkeit demonstrieren. Anfang Februar hatte die Bezirksregierung 80 Anbietern von Internetzugängen (Access-Provider) aufgefordert, Webseiten aus dem rechtsextremen Spektrum zu sperren (
politik-digital berichtete).
Analog zur einer Verfügung der selben Bezirksregierung vom vergangenen November richtet sich ihre Maßnahme nicht gegen die vom Ausland aus agierenden Betreiber der Internetseiten, sondern gegen die Access-Provider in Nordrhein-Westfalen, die aufgefordert werden, die entsprechenden Domainnamen zu sperren.
Das es sich hier nur um eine technische Umgehung handelt und der Zugang zu den Webseiten durch die Eingabe der numerischen Adresse für halbwegs versierte Nutzer weiterhin möglich ist, stört den Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Bussow nicht. Er will für den “durchschnittlichen Nutzer eine Zugangserschwernis” erreichen.
Mittlerweile haben die ersten Universitäten begonnen, die angemahnten Webseiten zu sperren. Juristisch bewegt sich die Bezirksregierung jedoch auf dünnem Eis, da zahlreiche Medienrechtler die Kompetenz für ein derartiges Eingriffsrecht anzweifeln. Thomas Hoeren, Professor am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster erklärte beispielsweise, da es sich “um reine Homepages” handelt und nicht etwa um “redaktionelle Mediendienste”, sei die Bezirksregierung, die sich auf den Mediendienstestaatsvertrag beruft, gar nicht zuständig.
Kritiker wie der Chaos-Computer-Club befürchten in erster Linie einen Durchbruch für weitere Zensurmaßnahmen des Netzes. In den Gesprächen zwischen Bezirksregierung und Internet-Providern wurde beispielsweise der Start eines Pilotprojektes an der Universität Dortmund zur Filterung des gesamten Internet-Verkehrs angekündigt (
http://www.bocatel.de/filterpilot).
Nachdem es bereits im Netz zu zahlreichen erfolgreichen Protestaktionen gegen die Aktion des Regierungspräsidenten gekommen ist – so sammelte die Onlineinitiative
odem.org bereits 6000 Unterschriften für die Informationsfreiheit im Internet – will der Chaos Computer Club (CCC) den Protest nun vom Netz auf die Straße tragen. Damit dürfte es sich wohl um die erste Online-Demonstration in Deutschland handeln, die auch in der “realen Welt” stattfindet, am kommenden Samstag, den 6. April um 14.00 auf dem Gustav-Gründgens-Platz in Düsseldorf.
“Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben sich mit gesellschaftlichen Problemen zu befassen, um sie besser zu verstehen und so besser bekämpfen zu können”, sagt Ingo Schwitters vom CCC Köln. “Ein gefiltertes Netz erschwert die Aufklärung über Probleme, die sich nicht durch wegschauen lösen lassen”, führt er weiter aus.
Mittlerweile haben sich zahlreiche politische Organisationen dem Aufruf zur Demonstartion des CCC angeschlossen, darunter auch der
Verband Deutscher Schriftsteller Köln oder die deutsche
Jugendpresse. Politisch brisant ist die Tatsache, dass mit dem
Virtuellen Ortsverein der SPD und dem SPD-Bundestagsabgeordneten
Jörg Tauss, zwei “Genossen” die im Demonstrationsaufruf enthaltene Rücktrittsforderung und Verurteilung von Jürgen Büssow unterstützen. Denn Jürgen Büssow ist auch SPD Parteimitglied, der zudem in den nächsten Bundestag einziehen möchte. Das “Störfeuer” aus den eigenen Reihen dürfte ihn nicht gerade erfreuen.
Zudem ist der Aufruf sehr drastisch formuliert: “Damit ist in Nordrhein-Westfalen für Kunden von Internetanbietern, die sich dieser grundrechtefeindlichen Zensurmaßnahme beugen, ein gefiltertes Internet entstanden, wie es bisher nur aus Staaten wie dem Iran, Irak oder der VR China bekannt war.”
Doch die Befürchtungen der Demoveranstalter sind alles andere als unbegründet, gerade wenn man sich anschaut, mit welchen Maßnahmen beispielsweise die USA nach dem 11. September versuchen, den Internetverkehr mit Hilfe des gigantischen Überwachungsprogramms “Carnivore” bei den Providern zu kontrollieren.
Spannend wird es auf jeden Fall, wie viele Demonstranten sich am Samstag gegen die Maßnahmen Büssows stellen werden. Eine Netzdemo im Freien hat es in Deutschland schließlich noch nicht gegeben. Die
Homepage mit dem Demonstrationsaufruf war am Dienstag, den 2. April jedenfalls kurzzeitig offline, hoffentlicht auf Grund des hohen Zugriffs auf die Seite und nicht wegen eines Zensurversuches von außen.
Erschienen am 04.04.2002
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