hh rathaus_bearbGut zwei Monate liegt die Wahl in Hamburg zurück, jetzt haben sich SPD und Grüne endlich auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Nachdem wir uns vor der Senatswahl bereits die Wahlprogramme der Parteien genauer angesehen haben, werfen wir nun aus netzpolitischer Sicht einen Blick auf den Koalitionsvertrag.

„Zusammen schaffen wir das moderne Hamburg“. Ein bisschen sperrig kommt er daher, der Titel des Koalitionsvertrags zwischen SPD und Grünen für die gemeinsame Regierungsbildung in den kommenden fünf Jahren. Tatsächlich haben beide Parteien einen Großteil ihrer netzpolitischen Ankündigungen aus den Wahlprogrammen übernommen und so ein zeitgemäßes Programm geschnürt. Die wichtigsten Vorhaben im Überblick.

Digitale Stadt

Der Bereich eGovernment soll in den nächsten Jahren verstärkt ausgebaut werden und mehr niedrigschwellige und kundenfreundliche Verwaltungsangebote schaffen, ohne gleichzeitig persönliche Dienstleistungen der Verwaltung abzubauen. Diese sollen wenn möglich auch über entsprechende Apps zugänglich gemacht werden und so den Behördengang für Bürgerinnen und Bürger erleichtern.

Für die Hamburger Stadtverwaltung plant der neue Senat, verstärkt OpenSource-Lösungen zum Einsatz kommen zu lassen und externe IT-Dienstleister durch No-Spy-Klauseln zur Einhaltung von Datenschutz und Vertraulichkeit zu verpflichten. Beide Anliegen fanden sich bereits im Wahlprogramm der Grünen und haben nun Eingang in den gemeinsamen Koalitionsvertrag gefunden.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Hamburgs soll in den kommenden Jahren mit seinem Amt vollständig vom Senat gelöst und dadurch in seiner Unabhängigkeit weiter bestärkt werden. Wie in den meisten Bundesländern ist der Datenschutzbeauftragte der Hansestadt für die datenschutzrechtliche Aufsicht und Beratung öffentlicher und nicht-öffentlicher Stellen sowie für die Informationsfreiheit und Akteineinsicht zuständig.

Ausbau freier WLAN-Angebote

Nachdem der Hamburger Senat bereits 2012 die Bundesratsinitiative zur Schaffung von Rechtssicherheit bei der Störerhaftung angestoßen hat, unterstreicht die künftige Regierungskoalition nun diesen Anspruch. Gewerbliche und private WLAN-Netze sollen noch in dieser Legislaturperiode ein möglichst flächendeckendes freies Angebot ermöglichen. Dafür muss jedoch auf Bundesebene endlich Rechtsklarheit für die Betreiber solcher Netze geschaffen werden.

Urheberrecht – zwischen klassischen Geschäftsmodellen und neuen Vertriebswegen

Der Senat will sich aktiv in die Diskussion um die künftige Ausgestaltung des Urheberrechts in Deutschland und Europa einbringen und für einen fairen Ausgleich der Interessen von Urhebern, Verwertern und Nutzern eintreten.

Öffentlich-rechtliche Inhalte länger verfügbar

Viele Beitragszahler des Rundfunkbeitrags ärgern sich regelmäßig, wenn eine verpasste Sendung nach sieben Tagen nicht mehr in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügbar ist. Auch der neue Hamburger Senat sieht hier Handlungsbedarf und will sich gemeinsam mit anderen Bundesländern für eine längere Verfügbarkeit öffentlich-rechtlicher Produktionen einsetzen. Die Rechtsgrundlagen hierfür sollen im Hinblick auf das sich wandelnde Seh- und Nutzungsverhalten der Beitragszahler geschaffen werden, und das unter Berücksichtigung der Interessen privater Anbieter.

Bildung im digitalen Zeitalter

Die Kontroverse um die Herauslösung des Informatikunterrichts aus dem Pflichtfach Naturwissenschaft und Technik hatte 2013 zu hitzigen Diskussionen in der Hansestadt geführt. SPD und Grüne haben bei diesem Thema in der vergangenen Wahlperiode unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die Einigung scheint jetzt ein Minimalkonsens zu sein. Im Koalitionsvertrag wird nun lediglich ein neuer Rahmenlehrplan für das Wahlpflichtfach Informatik angekündigt.

Die Nutzung digitaler Medien soll verstärkt in den Unterricht integriert und hierfür sollen auch das WLAN-Angebot an Schulen und der Einsatz freier Lernressourcen ausgebaut werden.

Eine positive Entwicklung wird im Bereich der Hochschulbildung und Lehre angekündigt. Die Urheberrechtsregelungen für die Produkte wissenschaftlicher Forschung will der Senat im Hinblick auf die Anforderungen und die heutige Praxis von wissenschaftlichem Arbeiten und Lehre auf den Prüfstand stellen. Der digitale Zugang zu Publikationen könnte für Studierende und Lehre so endlich ausgebaut und erleichtert werden. Studien, Analysen und Gutachten, die mit öffentlichen Geldern gefördert wurden, sollen der Öffentlichkeit in Zukunft nach Open Data-Prinzipien zugänglich gemacht werden.

3-D-Print-Initiative

Ein wenig überraschend kommt die 3-D-Druck-Strategie des Senats daher. Als vielversprechende Querschnittstechnologie, die einen Strukturwandel in Medizintechnik, Luftfahrt, Logistik und Handel befördern soll, erhofft sich die künftige Regierung Standortvorteile vom 3-D-Druck. Die bereits vorhandenen Kompetenzzentren sollen durch eine übergreifende Strategie weiter gefördert und unterstützt werden und Hamburg als Technologieführer etablieren. Was genau geplant ist und in welchem Umfang zum Beispiel Arbeitsplätze entstehen könnten, bleibt allerdings offen.

Schaffung eines Start-up-Ökosystems

Die Unterstützung von Start-up-Hubs und die gezielte Förderung von Start-ups soll auch in der nächsten Legislaturperiode fortgeführt werden. Besonders die Hochschulen und Universitäten rücken hier als Ausgangspunkt für wissensbasierte Gründungen in den Mittelpunkt.

Interessanterweise spielen Netzneutralität und Vorratsdatenspeicherung, trotz vieler aktueller Diskussionen auf Bundes- und EU-Ebene, im Koalitionsvertrag keine Rolle. Andere Themen wie Störerhaftung, Urheberrecht oder die Verlängerung der Speicherfristen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kann Hamburg nicht alleine angehen. Gemeinsam mit gleichgesinnten Bundesländern wird viel Überzeugungsarbeit geleistet und gegen starke Lobbyinteressen Stand gehalten werden müssen. Der Koalitionsvertrag zeigt, dass SPD und Grüne den Anforderungen an die digitale Zukunft Hamburgs gerecht werden wollen und hier eine wichtige Querschnittsaufgabe erkannt haben. Wie ernst sie es damit meinen, wird sich daran messen lassen, welche Ankündigungen sie in den kommenden fünf auch umsetzen.

Bild: Markus Daams

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