Thema einer Diskussion am Mittwochabend war Netzpolitik als Standortpolitik. Die Diskussion drehte sich um Vor- und Nachteile eines starken Datenschutzes, die Ausbildung von Fachkräften und die hohen Strompreise aufgrund des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Auf Einladung von eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft, diskutierten Vertreter_innen der Cloud-Computing-Industrie gemeinsam mit Politiker_innen des deutschen Bundestags kontrovers.
Wunschzettel der Lobbyverbände
In den Eingangsreferaten wurde die aktuelle Situation der deutschen Cloud-Computing-Industrie beschrieben, erst von Andreas Weiss, Direktor von EuroCloud Deutschland, dem Verband der deutschen Cloud Computing-Industrie, danach von Peter Knapp, Geschäftsführer von Interxion Deutschland. Das in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckende Cloud Computing hat enorme Wachstumspotenziale, die aber – im Hinblick auf Datenspeicherung und -transport – auch große Herausforderungen darstellen.
Weiss hält das hohe Sicherheitsbewusstsein und den Datenschutz in Deutschland für Standortvorteile, trotzdem bedarf es seiner Meinung nach der Schaffung von besseren Rahmenbedingungen durch die Politik.
Der Vortrag von Peter Knapp war eine überraschend und ungewöhnlich direkte Klage gegen die Politik. Die Steuerpolitik der aktuellen Bundesregierung und das Fehlen von gesetzlichen Ausnahmen für die Cloud-Computing-Industrie beim EEG führten zu einem Fernbleiben von dringend benötigten Investoren und hohen Betriebskosten, bei denen allein der Stromverbrauch schon 50 Prozent ausmache. Knapp rechnete vor, wie viel preiswerter Unternehmen in Ländern ihre Dienste anbieten können, in denen die Energieversorgung noch mit Atomstrom erfolgt.
Auf offene Ohren stieß Knapp mit dieser Sichtweise offensichtlich bei Claudia Bögel, Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion für den Mittelstand, und Thomas Jarzombek, netzpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die beide in Aussicht stellten, sich um die Cloud-Computing-Industrie zu kümmern. Dahingegen wiesen Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, und der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Linder, mehrmals darauf hin, dass die Energiewende eine politische Entscheidung sei, die akzeptiert werden müsse und die sich langfristig auszahlen werde. Für die anwesenden Unternehmensvertrer_innen scheinen kurzfristige Steuererleichterungen und niedrigere Betriebskosten jedoch wichtiger zu sein.
Standortpolitik ist ideologisch geprägt
Bei den vier anwesenden Politiker_innen waren die Lagergrenzen zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün schon ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl also klar zu erkennen. Der Grüne Lindner forderteinen Universaldienst auf Breitbandinternet, was auch Klingbeil sich ab 2016 vorstellen kann – falls der Markt bis dahin nicht selber dafür sorgen wird. Jarzombek und Bögel hingegen lehnen dies grundsätzlich ab. Jarzombek plädierte dafür, digitale Fernsehsignale sofort einzustellen und den gesamten Frequenzbereich für Breitbandinternet zur Verfügung zu stellen.
Damit sich in Zukunft mehr und größere Rechenzentren in Deutschland ansiedeln, plädierte Lars Klingbeil für einen europäischen Wettbewerb, der nicht über den Preis ausgekämpft wird. Es müssten dabei andere Anreize geschaffen werde, wie ein stärkerer Datenschutz und bessere Fachkräfte. Diese sollen auch aus dem Ausland kommen dürfen, wofür sich insbesondere Jarzombek aussprach. Bögel betonte ihre Herkunft aus dem Mittelstand und forderte neben der Abschaffung des EEG ein Minimum staatlicher Eingriffe in den Markt. Dessen anwesende Vertreter_innen schienen sich allerdings mehr staatliche Eingriffe zu wünschen, solange diese in ihrem Interesse sind.
Fazit
Netzpolitik als Standortpolitik scheint noch nicht in der Politik angekommen zu sein. Da es sich dabei um ein Querschnittsthema handelt, kann es wohl auch noch eine Weile dauern, bis es ausreichend bearbeitet wird. Die Interessen der Cloud-Computing-Industrie sollten die Energiewende nicht von der Agenda verdrängen. Mit den Themen Datenschutz und Fachkräftemangel sollte die Politik sich hingegen schon jetzt für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland einsetzen. Ein starker Datenschutz, der Sicherheit garantieren kann, und besseres Fachpersonal sind gute Alternativen zu niedrigeren Preisen der ausländischen Konkurrenz.