Seit drei Monaten sendet der ehemalige Berliner Piratensender Twenfm täglich von 20.00 bis 5.00 Uhr auf der UKW-Frequenz 104.1 FM und rund um die Uhr auf DAB – und überlegt weiter, wie neue digitale Techniken unabhängigen Künstlern nutzen können. politik-digital.de traf sich zum Gespräch mit TWENFM-Produktionsleiter Sascha Benedetti

Ganz zum Schluss fällt es ihm ein: „Eigentlich gehörten wir ja zu den Ersten, die Webradio in Deutschland gemacht haben“ sagt Sascha Benedetti. Damals gab es noch keine ständigen streams – und TWENFM sorgte sogar für Wirbel im Ausland. Das lag vor allem auch am Programm des Senders: Im Livebetrieb und oft von den Künstlern und Produzenten selbst präsentiert, sendet TWENFM das neueste aus der elektronischen und alternativen Musikszene und unterstützt so unabhängige Künstler und kleine Labels.

TWENFM startete 1997 in Frankfurt als Piratensender, siedelte 1999 nach Berlin über und probierte viel herum: zum Beispiel wurde ein audiovisueller stream produziert und im Offenen Kanal übertragen. Und die SMS-Chats, die bei Viva und MTV mittlerweile den halben Bildschirm einnehmen, probierte TWENFM auch bereits vor Jahren auf experimentellem Level aus – und die Kids chatteten mit.

Doch das ist lange her, und beim Thema Webradio zuckt Benedetti mit den Schultern: „Jede Playlist mit 20 Charthits nennt sich mittlerweile Webradio. Ich sehe das eher als ein Dienstleistungsangebot, was viele Websites im Programm haben, das ist kein Qualitätsmerkmal mehr.“

Zwar bietet TWENFM auf der Website selbst einen Stream an, problematisch aber ist, dass die Sendekosten mit jedem Nutzer steigen. Für ein kleines Unternehmen wie TWENFM, das sich über Kulturförderungen und gelegentliche Kooperationen finanziert, nicht die optimale Sendeform.

Aber auch wenn TWENFM sich in erster Linie als klassischer Radiosender versteht, sieht Sascha Benedetti neue digitale Techniken klar als die Zukunft der Verbreitung von Musik – auf einem Markt, der gerade völlig durcheinander gewirbelt wird: „Im Mainstreambereich hat Musik für viele Menschen an Wert verloren. Überall wird man mit den neuesten Hits zugeballert, also nimmt auch die Bereitschaft ab, für Musik überhaupt noch zu bezahlen. Und ob die CD als Trägermedium noch Berechtigung hat, ist für mich fraglich, schließlich bekommt man alle Daten auch im Netz“, sagt Benedetti.

Welche Technik macht das Rennen?

Für TWENFM bleibt die Frage, welche digitalen Techniken interessant werden. Das digitale Radio ist dabei nur ein Aspekt. TWENFM sendet 24 Stunden über DAB und
vertreibt über die Sender-Website in Kooperation mit einem Hersteller digitale Endgeräte für den Empfang. Der Verkauf aber läuft nicht gut: „Die Medienanstalt kolportiert, dass es digitales Radio in dieser Form bald gar nicht mehr geben wird, und besonders Teenies kaufen eben einfach keine Radios, auch keine digitalen.“ Handys als Endgeräte sind da schon interessanter für die Übertragung von Musik. Dazu werden dieselben Frequenzen genutzt werden, über die momentan digitales Radio gesendet wird. Aber auch hier ist die Entwicklung nicht ganz absehbar: „Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass diese Frequenzen nicht mehr medienrechtlich sondern kommunikationsrechtlich betrachtet werden. Dann wird es so werden wie bei den UMTS-Frequenzen: zwei, drei große Player werden konkurrieren und wer am meisten zahlen kann, bekommt die Frequenz“, vermutet Benedetti. Aber auch bei solchen Entwicklungen behält TWENFM die Möglichkeit für eigene neue Geschäftsmodelle immer im Blick.

Demokratisches Musikhören

Als richtungsweisend für die Entwicklung sieht Benedetti auch einen zweiten Wandel im Hörerverhalten hin zu einem selbstbestimmten Musikhören: „Durch die Verbreitung von MP3 kann sich jeder das zusammenstellen, was er hören möchte und muss nicht das hören, was ihm irgendjemand liefert.“

Liegt die Zukunft also im on-demand-Musikhören?

Mit Endgeräten wie i-pod, Pocket-PCs und MP3-Playern können Hörer digital und rechtlich unbedenklich mitschneiden – nach demselben Prinzip, nach dem jahrzehntelang mit dem Kassettenrekorder analoges Radio mitgeschnitten wurde. Benedetti glaubt, dass Podcasting schnell dazu führen wird, dass viele Leute eigene, moderierte Sendungen produzieren und übers Netz verbreiten werden. Über das Abonnieren bestimmter RSS-Feeds kann damit ein absolut individualisierter Musikgeschmack bedient werden. Markiert dies den Gegenpol zum Geschmacksdiktat der großen Player in der Musikindustrie? Benedetti jedenfalls hofft, dass durch die Krise und das Sterben der CD vielleicht auch die Majorlabels erkennen, dass es sich lohnen würde, wieder substantiellere Künstler zu unterstützen und aufzubauen.

Wo auch immer die Entwicklung hingehen wird, TWENFM als Broadcaster werden weiter ihren Weg gehen und mit unabhängigen Künstlern und Labels zusammenarbeiten und dabei immer offen sein für neue Verbreitungsmöglichkeiten – schließlich verstehen sie sich als progressiv und lieben Musik.