Eindrücke vom 20. Chaos Computer Club Congress: Ein Treffen nicht nur für Technikfreaks, sondern ein Barometer der kommenden netzpolitischen Themen.

Alle Jahre wieder spielt sich zwischen den Weihnachten und Sylvester das gleiche Spektakel ab: Der Chaos Computer Club (CCC) trifft sich zum jährlichen
Weinnachtskongress in Berlin. Und diesmal an einem ausgesprochen historischen Ort: dem Kongresscenter am Alexanderplatz.

Geboten wird wie immer Einiges: Spektakuläres –Aktivisten verändern vorübergehend das Aussehen von Webseiten– wechselt sich mit nahezu wissenschaftlichen Foren ab. Diese tragen so komplizierte Titel wie „Practical Win32 and UNICODE exploitation“ oder „the WYMIWYG KnoBot project“.

Hacken für einen guten Zweck

Auch diesmal war das sogenannte Hackcenter aktiv: Surfer wurden auf der Eingangsseite einer einschlägigen Neonaziplattform nicht wie üblich von Reichsadlern und Wehrmachtssymbolen begrüßt, sondern von einem großen Peace-Zeichen und der Aufforderung “Make Love Not War”. Auch die Website der Berliner Polizeigewerkschaft wurde sanft auf eine Sicherheitslücke auf ihrer Webseite aufmerksam gemacht.

Politik statt Fun

Aber eins bleibt in Zeiten, wo die SPD einen Beauftragen für Pop-Musik ernennt und die FDP auf der Love-Parade einen Wagen mieten will, festzuhalten. Der CCC-Kongress ist vor allem eins: Politisch. Foren wie „BigBrother auf der Autobahn? – Das deutsche Mautsystem“ oder „Fragen an eine maschinenlesbare Regierung -Informationsfreiheitsgesetz jetzt“ seien hier nur stellvertretend erwähnt. Daher ist der CCC-Kongress auch ein gutes Stimmungsbarometer für die kommenden netzpolitischen Themen.

Kryptische Alpträume 2004

Bei den immer am letzten Tag des Kongresses stattfindenden „Security Nightmares“ weiss man in der Regel spätestens Bescheid, was nächstes Jahr alles so passieren kann. Fast alle Gefahrenherde tragen geheimnisvolle Abkürzungen wie „RFID“, „TCPA“ oder „DRM“. Die Stichwörter im Einzelnen werden vielen wahrscheinlich noch nicht allzu viel sagen, was dahinter steckt, umso mehr:

„RFIDs“ – „Radio Frequency Identification-Chips -“ sind Mini-Funkchips, die unter der Vorgabe der Diebstahlsbekämpfung und besserer Waren- und Lagerverwaltung in Gebrauchsgegenstände eingebaut werden sollen und unbemerkt Standortdaten über Funksignale aussenden können. Damit wird allerdings die Privatsphäre ihrer Besitzer bedroht. Netzaktivisten haben bereits dazu aufgerufen, die Technikfolgen von RFID von einer neutralen Instanz abschätzen zu lassen und fordern, Händlern zu verbieten, Kunden zum Akzeptieren von RFID-Etiketten zu zwingen.

„TCPA“ heißt „Trusting Computing Plattform Alliance“ und ist ein Zusammenschluss namhafter IT-Unternehmen wie IBM, Intel oder Microsoft. Das Industriekonsortium arbeitet an einem Sicherheits-Chip namens „Trusted Platform Module“ (TPM), der umfassende Kontrollmöglichkeiten von Rechnern gewährleisten soll. Sprecher des Konsortiums betonen zwar, es gehe in erster Linie um Geschäftskunden und eine höhere Sicherheit der Rechner, aber nicht nur der CCC ist skeptisch. Eine unfassende Kontrolle von Rechnern kann schnell das Aus für Open-Source-Anwendungen oder Freie Software bedeuten. Außerdem sucht die Unterhaltungsindustrie fieberhaft nach Lösungen, um den Datentausch im Netz zu unterbinden. Der TCPA-Chip – in Verbindung mit digitalem Rechtemangement (DRM) – könnte zukünftig die Nutzung von Informationen über das Netz erheblich regelmentieren.

„TCPA“ steht also in direktem Zusammenhang mit dem nächsten Stichwort: „DRM“, dem sogenannten „Digital Rights Mangement“, dass vom CCC gerne auch als “Digital Restrictions Management” bezeichnet wird. Die strikte Anwendung der digitalen Rechteverwaltung gefährde laut CCC den freien Zugriff auf Wissen und bedrohe damit auch indirekt Kulturgüter.

Lesehilfe für Bundestag

Originell und wichtig – im Hinblick auf den zweiten Korb der Urheberrechtsreform -ist die von der
Wau-Holland-Stiftung propagierte „Lesemaschine fürs Parlament“. Die dem CCC nahestehende Stiftung will die komplette Bibliothek des Deutschen Bundestages digitalisieren und eine bessere Recherche in der über 1.250.000 Bände umfassenden Sammlung der Parlamentsbibliothek ermöglichen. Das Parlament soll für sich im derzeit stattfindenden Gesetzgebungsverfahren eine Ausnahmegenehmigung vom Urheberrechtsschutz schaffen und seine eigene Bibliothek digitalisieren dürfen.

Oliver Passek ist Medienbeauftragter der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

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