Der Irak-Krieg ist vorbei, die Spannungen zwischen den USA und Frankreich halten an. Da hilft nur Dialog, dachten sich die Initiatoren des französischen Online-Demokratie-Projekts “e1789.com”.

Nachdem Deutschland und Frankreich ihre Ablehnung gegen den von den USA geplanten Irak-Krieg verkündet hatten, war bei George W. Bush und seiner Administration das Fass übergelaufen. Wer es wagte, die USA so offen zu brüskieren, war der Freundschaft des großen amerikanischen Bruders nicht mehr wert. Der deutsche Bundeskanzler Schröder wurde schlichtweg nicht mehr empfangen, und alles, was auch nur den Anschein des Französischen hatte, war von nun an per se negativ und sollte umbenannt werden – berühmtestes Beispiel die „freedom fries“ in der Kantine des Repräsentantenhauses. Wie kommt man aus so einer verfahrenen Situation wieder heraus? Da hilft nur Dialog, dachten sich die Initiatoren des französischen Online-Demokratie-Projekts
e1789.com und öffneten ein spezielles Forum für den französisch-amerikanischen Gedankenaustausch.

Ein echter Dialog zwischen Nationen

Dass Diskussionsbedarf besteht, belegen die Zahlen: rund 600 Einträge innerhalb von vier Wochen hat
„Americans and French – let’s talk together“ zu verzeichnen. Waren es zunächst allein Franzosen, die sich beteiligten – sicher dem Ursprung des Projekts geschuldet – kamen bald auch amerikanische Stimmen dazu. Inzwischen ist ein echter Dialog zwischen den Nationen entstanden.

Erleichtert wird die Beteiligung durch den sehr anwenderfreundlichen Aufbau des Forums: zu jedem Themenstrang werden alle Antworten aufgeführt, und beim Aufruf der einzelnen Beiträge erscheint gleich ein neues Antwortkästchen für den Leser dazu. Mit wenigen Klicks steckt man also schon mitten drin in der Diskussion. Wer sich entschließt, das Forum öfter zu besuchen, sieht außerdem auf einen Blick, welche Beiträge seit dem letzten Besuch neu dazugekommen sind und kann auf diese wieder schnell reagieren.

Doch es liegt wohl nicht nur an der einfachen Handhabung, dass dieses Forum gut angenommen wird. Aggression und Frust haben sich in den Wochen des Irak-Kriegs aufgestaut und bedürfen jetzt eines Ventils. Dass dabei nicht immer ein Dialog zustande kommt, sondern gelegentlich schlichtweg die Wut über die Politiker oder aber den vermeintlichen Gegner herausgelassen wird, ist sicherlich verständlich. Gleichzeitig scheint auch eine Auseinandersetzung der Franzosen untereinander notwendig zu sein. Chirac und seine Regierung haben bei vielen Ärger und Enttäuschung verursacht, und so sind Thema der Beiträge häufig nicht allein die transatlantischen Beziehungen, sondern auch die französische Innenpolitik und ihre Schlüsselfiguren. Gelegentlich gleitet man ab in kindische Beschimpfungen der anderen, doch die seriösen Beiträge sind leicht erkennbar durch die hohe Zahl der Reaktionen, die auf sie folgt.

Immer wieder innenpolitische Argumente

Natürlich werden die Beziehungen zwischen Frankreich und den USA und die Eigenheiten ihrer Völker ebenfalls thematisiert. Hierbei sind die Positionen sehr gespalten. In teilweise recht aggressivem Ton greifen einige französische Diskussionsteilnehmer die amerikanische Eroberungspolitik an, erinnern an vergangene Kriege und ihre Toten sowie das Unrecht, das die US-Amerikaner ihrer Meinung nach in vielen anderen Ländern zugelassen haben und noch immer zulassen, ohne deswegen Kriege zu beginnen. Quer durch die Geschichte und über die Kontinente hinweg werden Gelegenheiten zitiert, bei denen Unrecht von den USA durch Aktion oder Unterlassung einer solchen verübt wurde. Das zieht sich von den Indianern über Vietnam bis hin zu Israel und Uganda. Gleichzeitig gibt es aber auch Verteidiger unter den Franzosen, die diese Aussagen – teils mit sachlichen Argumenten, teilweise schlichtweg emotional („Bush is the greatest“) – zu widerlegen suchen. Allerdings sind die Befürworter von Bushs Außenpolitik meist auch Gegner von Chirac, so dass ihre Position immer wieder mit innenpolitischen Argumenten vermischt wird.

Auf Seiten der amerikanischen Teilnehmer sind oft lange Erklärungen zu lesen, mit denen man – für sich und die anderen – zu belegen versucht, dass die militärische Intervention im Irak notwendig und förderlich war. Auch sie blicken zurück in die Geschichte (insbesondere immer wieder auf den Zweiten Weltkrieg), beziehen sich aber auch auf die Terroranschläge vom 11. September und die Ängste, die dadurch ausgelöst wurden. Die anderen, die die französische Haltung zum Irak-Krieg befürworten, trennen indessen zwischen den Terroranschlägen – die für alle grausam waren – und den Schlussfolgerungen, welche die Bush-Administration daraus zog. Viele von ihnen (auch wenn die Zahl der Amerikaner, die sich mit dieser Einstellung am Forum beteiligen, ohnehin nicht groß ist) sind nicht prinzipiell gegen den Krieg, sondern verurteilen die Art und Weise, wie er begonnen wurde. Vor allem die Einschränkung der Grundfreiheiten, die für US-Bürger Teil ihres Selbstverständnisses sind, wird von diesen Personen nicht akzeptiert.

Welche Position auch immer vertreten wird, für (fast) alle Teilnehmer ist es wichtig, tatsächlich ins Gespräch mit den Menschen auf der anderen Seite des Atlantiks zu kommen. Vor allem in den ernsthaften Beiträgen wird immer wieder betont, dass jeder das Recht auf eine eigene Meinung hat, dass es aber wichtig ist, sich auszutauschen. Oder, wie Philippe es ausdrückt: „As long as we will be able to exchange our views, we will be able to save lives in inefficient wars“.

Erschienen am 1.5.2003