Neue Soziale Bewegung oder grober Unfug? Per Internet und Handy organisierte Treffen in der Öffentlichkeit beschäftigen Polizei und Medien gleichermaßen. Volker Gäng war vor Ort und berichtet.
Das berühmte Kaufhaus KaDeWe im alten Zentrum Berlins war am Freitag Abend Treffpunkt eines sogenannten Flash-Mobs. Ein Flash-Mob ist ein für die Öffentlichkeit scheinbar spontanes Treffen an öffentlichen Orten, während dem für einige Minuten ein gemeinsames Handeln initiiert wird. Für Außenstehende, die vorab keine Informationen über das geplante Treffen erhalten haben, mutet ein solches Happening wie die Aufhebung der Wirklichkeit an. Nun leben aber Flash-Mobs von der Konspirativität ihrer Organisation. In möglichst geheimen Zirkeln im Internet und per Handy werden Zeit und Ort der Aktionen nur kurz vorher bekannt gegeben. Umso überraschender war es dann zu beobachten, wer zuerst vor Ort war.
Hase und Igel
Die Berliner Polizei war informiert und sicherte den “Tatort” mit drei Fahrzeugen und einigen Beamten. Sichtlich nervös waren nur das Sicherheitspersonal und die leitenden Angestellten des Nobelkaufhauses. Noch zahlreicher vertreten als die Polizei waren regionale und überregionale Medienvertreter. Diese vertrieben sich die Zeit bis zum großen Ereignis, in dem sie sich gegenseitig filmten und interviewten.
Um 18.01 war es dann endlich so weit. Ca. 30 junge Männer und Frauen sprachen plötzlich im Eingangsbereich des KaDeWe – umringt von den zahlenmäßig überlegenen Medienvertretern – wie auf Kommando in ihre Mobiltelefone. Wenige Minuten später brachen sie in lauten Applaus aus.
Reaktionen der Zuschauer
Interessant waren die Reaktionen des unbeteiligten und unwissenden Shopping-Publikums. Insbesondere das Klatschen erweckte deren Neugier, welchem Prominenten denn hier gehuldigt werde. Die anwesende Presse unterstützte sie in der Annahme, an einem wichtigen Ereignis beizuwohnen. Auf der Suche nach der prominenten Persönlichkeit wurde dann auch einer der Passanten fündig: “Schau mal, das ist ja Jan Ullrich”. Und wahrhaftig, im Interview mit einem Fernsehteam stand ein junger Mann mit Fahrradhelm und dazugehörigem Mountainbike vor dem KaDeWe. Dass dieser ca. 15 Jahre jünger und eigentlich auch nicht wirklich wie der Radprofi Jan Ullrich aussah, störte dabei wenig.
Gefahr Kommerzialisierung?
Bereits am Mittwoch, den 30. Juli 2003 fand am Potsdamer Platz in Berlin ein Flash-Mob statt. Allerdings war dieser von einer lokalen Radiostation organisiert worden, was von Kennern der Szene moniert wurde, da sie die Kommerzialisierung dieser neuen Bewegung befürchten. Entsprechend groß war auch dort der “Medien-Mob”. Zahlreiche Fernsehteams – mehr noch als am Flash-Mob vor dem KaDeWe – waren von Beginn an vor Ort.
Amerikanisierung
Ihren Ursprung haben die organisierten Kurz-Happenings in New York. Von dort breiteten sie sich innerhalb weniger Tage zunächst in den Vereinigten Staaten aus. Dank des WorldWideWebs dauerte es keine zwei Wochen, bis die Idee auch in “Old-Europe” Nachahmer fand.
Erscheinen die Flash-Mobs im Moment noch sinnentleert, könnte daraus sogar eine revolutionäre Bewegung werden. Das jedenfalls sagt der Medientheoretiker Howard Rheingold (
http://www.smartmobs.com/index.html): “So far, flash mobs have claimed to be apolitical, but that could soon change. What started as a prank could blossom into a social revolution”.
Erschienen am 07.08.2003
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