Viel zitiert und viel beschrieben – der gläserne Bürger: Die Geheimdienste werden immer dreister,  die neue Facebook-Suche „Graph Search“ ermöglicht Rasterfahndungen im großen Stil und Warenhäuser überwachen unser Kaufverhalten mit neuen digitalen Methoden. Warum gelingt es der Netzbewegung dennoch nicht, die Bürger zum Proteste zu mobilisieren? Der Politologe Alexander Hensel macht sowohl den Bürger, als auch die Szene selbst dafür verantwortlich – das und mehr in der wöchentlichen Presseschau.

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Erst seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir mit einiger Sicherheit, dass ein Großteil unserer Kommunikation im Netz akribisch überwacht wird. Sollten wir Snowden als Held feiern? Diese Frage stellt sich die ARD und widmet Snowden einen Beitrag in „ttt – titel, thesen, temperamente“.

Unsere kleine Welt

Verdachtsunabhängige Überwachung, Zerstörung von Datenträgern durch Geheimdienste – Warum kann die Netzbewegung den Großteil der Bevölkerung  dennoch nicht zum Protest mobilisieren? Der Politologe Alexander Hensel macht auf taz.de zum einen den „staatsgläubigen Bürger“ als Grund dafür aus: Viele Bürger würden die Überwachung nicht als tatsächliche Bedrohung ihrer eigenen Freiheit wahrnehmen. Es fehle sowohl an konkreter Erfahrung mit politischer Repression, als auch an fassbaren Feindbildern. Zum anderen aber seien institutionelle Probleme innerhalb der Netzbewegung verantwortlich: Vorbehalte gegenüber hierarchischen Organisationsstrukturen und teils naive Vorstellungen von Basisdemokratie innerhalb der Szene würden eine Professionalisierung der Bewegung erschweren. Um gegen die Überwachung mobilisieren zu können, müsse die Netzszene an den eigenen Schwächen arbeiten, also stärker über das eigene kulturelle Milieu hinaus denken, arbeiten und argumentieren. Außerdem gelte es, noch deutlicher auf die Risiken der Überwachung für die Freiheit des Einzelnen hinzuweisen.

Nackt shoppen

„Big Data ist im Moment das große Geschäft“: Ein Artikel des manager magazins online beleuchtet neue Strategien des Handels. Immer mehr traditionelle Warenhäuser würden Methoden aus der Online-Welt übernehmen, um ihre Kunden besser durchleuchten und analysieren zu können. Die Auswertung von Wifi-Signalen der Kunden-Smartphones; Kameras, die in Schaufensterpuppen eingebaut sind; Technologien, die messen, welche Wege Kunden durch den Laden nehmen – das sind nur einige technische Möglichkeiten, die eine genaue Verhaltensanalyse der Kunden erlauben. Außerdem verknüpfen  auch traditionelle Firmen ihre „Offline-Informationen“ zunehmend mit Daten aus der Online-Welt und freiwilligen persönlichen Angaben der Kunden. Eine gute Nachricht bleibt: Bisher sind viele dieser Vorhaben, die vor allem jenseits des Atlantiks Anwendung finden, an den Protesten von Datenschützern gescheitert.

Rasterfahndung

„Graph Search“ nennt sich die neue Suchfunktion von Facebook, die eine Verknüpfung mehrerer Suchparameter erlaubt und damit  eine detaillierte Suche nach Menschen mit gleichen Eigenschaften oder Interessen ermöglicht. „Und das eröffnet natürlich den Weg zu einer privaten Rasterfahndung. Es ist dann in der Tat möglich, auch nach besonders sensiblen Daten zu suchen: nach politischer oder religiöser Weltanschauung oder nach sexueller Orientierung.“, behauptet der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar gegenüber ndr.de. Der Nutzer müsse deshalb bei den Nutzereinstellungen die restriktivste Datenschutzeinstellung wählen, ergänzt Jo Barger von der Computerzeitschrift c’t.

Alles umsonst?

Wahlkampf im Netz – eines der großen Themen im diesjährigen Bundestagswahlkampf. Das Debatten-Magazin „The European“ interviewte dazu Katie Habarth, Managerin bei Facebook, die Parteien über den Einsatz des Netzwerks im Wahlkampf berät. Wie viele andere Beobachter der digitalen Szene ist auch sie der Meinung, dass eine Facebook-Kampagne zwar keine Wahl entscheidet, aber effektives Hilfsmittel sein kann, den traditionellen Wahlkampf zu erweitern. Facebook trage insbesondere dazu bei, Bürger zur Teilnahme an Wahlen und Kampagnen zu mobilisieren. Allerdings können auch Politiker, genau wie alle anderen Nutzer, für Geld eine höhere Reichweite ihrer Nachrichten erwerben. Die kritische Nachfrage des Magazins, ob große Parteien mit höherem Budget die kleinen Parteien aus dem Newsfeed verdrängen könnten, wiegelt Habarth ab: „Gute Ideen und Begeisterung der Facebook-Fans kann man sich nicht kaufen.“

Utopie?

„Je weniger das Netz als anarchistischer Gefahrenherd wahrgenommen wird, desto eher wird ein fruchtbarer Diskurs entstehen.“ Drei Autoren sehen den Einfluss des Internets auf die Politik schnell anwachsen. Der „nächste“ Deutsche Bundestag werde jünger denn je, der Generationenaustausch schreite voran, schreiben sie in der Welt: „In drei bis vier Wahlperioden wird jeder Bundestagsabgeordnete ein Digital Native sein und verinnerlicht haben, wie man die Werkzeuge des Social Web anwendet.“ Infolge dessen würden Diskurse über Gesetz moderner geführt und die digitale Sphäre anders beurteilt. Das könne der Qualität der legislativen Arbeit zu Gute kommen. Durch das Eintauchen der Politik ins Social Web werde „Bühne für politische Auseinandersetzungen und für Gesetzesdebatten um ein Vielfaches“ größer, Politiker nahbarer und vermeintliche Nischenthemen zum Gegenstand größerer Debatte.
 
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