Gefiltert, zensiert, überwacht: Weltweit nehmen staatliche Eingriffe im Internet zu. Damit schränken sie die Meinungsfreiheit der betroffenen Nutzer ein und bedrohen den freien Austausch von Informationen. Eine Studie zeigt, wie internationale Nachrichtenanbieter gegensteuern und ihre Inhalte trotz Zensur und Sperren zugänglich machen. 

Seit dem Aufkommen des Rundfunks machen Nachrichten nicht mehr vor Landesgrenzen halt. Das missfiel schon den Nationalsozialisten, die den Konsum ausländischer Rundfunksender gesetzlich verboten und Radioempfänger verteilten, die so schlecht waren, dass der Empfang ausländischer Sender schwierig wurde. Während des Kalten Krieges bauten die USA ein Kurzwellennetz auf, mit dem die russische Version der "Voice of America" trotz sowjetischer Versuche, das Signal zu stören, die dortige Bevölkerung erreichte. Heute ist der Kampf um Meinungshoheit und Zensur wohl brisanter denn je und hat sichmehr und mehr ins Internet verlagert.

Hier gehen Nachrichten in Sekundenschnelle um den Globus, sind jederzeit von überall abrufbar – zumindest in Ländern, in denen Informationsfluss noch nicht von einer staatliche Zensurmaschinerie gefiltert wird. Genau das aber ist laut der Open-Net-Initative (ONI) inwzischen bereits in rund 40 Ländern der Fall. Von Armenien über die Türkei bis Vietnam werden Inhalte gefiltert und geblockt. Dabei geht es nicht nur um gesellschaftliche Tabuthemen wie Glücksspiel, Pornographie oder Drogenmissbrauch, oft sind es politische Inhalte und oppositionelle Meinungen, die zensiert werden.

Davon betroffen sind neben lokalen Online-Zeitungen, Blogs und Sozialen Medien auch internationale Nachrichtenanbieter wie die Deutsche Welle, CNN oder BBC. Deren Inhalte, die online in 28 Sprachen abrufbar sind, werden immer wieder Ziel staatlicher Zensoren. Zu massiven Eingriffen kommt es insbesondere im Iran und in China, die beide über effektive Filtersysteme verfügen. Unter anderem ermöglichen die "Chinesische Firewall" und ihr iranisches Pendant es, durch die Kontrolle der Internet-Service-Provider (ISPs) den Zugriff auf ausländische Webseiten zu unterbinden. Allerdings können Nutzer in den betroffenen Ländern mit dem Einsatz sogennanter "Circumvention tools" die Sperren überlisten. Die Nutzung solcher Werkzeuge wird inzwischen auch von internationalen Medienkonzernen  gefördert, um potenziellen Lesern weiterhin den Zugang zu ermöglichen. Das Canada Centre for Global Studies und die University of Toronto haben vor einigen Tagen eine Studie veröffentlicht, in der die Möglichkeiten solcher "Umgehungs-Werkzeuge" untersucht werden.

                         
(Von Zensur betroffene Nachrichtenanbieter)

Die Studie mit dem Titel "Casting a Wider Net" bezieht sich exemplarisch auf ein Pilotprojekt der BBC, das seit 2009 die Zensur seiner Inhalte in China und Iran dokumentiert, und versucht, die Nutzung alternativer Zugangsmöglichkeiten voranzutreiben. Ein zentrales Ergebnis der Fallstudie ist, dass Blockaden oft nicht vorhersehbar sind und einer schnellen Reaktion bedürfen. Dabei reiche es manchmal schon, auf alternative Nachrichtenangebote hinzuweisen: So wie bei der iranischen Präsidentschaftswahl 2009, als sowohl die persische Version der Webseite als auch der persische TV-Kanal der BBC komplett geblockt wurden, der Internet-Live-Stream der BBC aber weiterhin erreichbar war. Um auch geblockte Inhalte für Nutzer zugänglich zu machen, unterstützt die BBC vor allem die Nutzung von Web-Proxies, die einen anonymen Netzzugang ermöglichen und die Kontrolle der Internetprovider umgehen. Die BBC nutzt zur Bereitstellung der Web-Proxies die freie Software "Psiphon". Mithilfe Sozialer Netzwerke wie Twitter, E-Mail-Verteiler oder alternativer, unzensierter Nachrichtenformate weist das Technik-Team der BBC potenzielle User auf die Umgehungsmöglichkeiten hin. Oft gleicht das einem Katz- und Mausspiel mit den Kräften der Zensur: Denn ist die Adresse eines Web-Proxies den Zensoren bekannt, wird diese ebenfalls gesperrt, und ein neuer Zugangskanal muss verbreitet werden. Dank dieser Technik können immer wieder aktuelle Nachrichten in zensierten Ländern zugänglich gemacht werden. Als die chinesischen Zensoren 2010 Meldungen zur Nobelpreisverleihung an Lui Xiabo sperrten antworteten die BBC und andere Online-Medien mit der Bereitstellung von Proxy-Zugängen. Trotz aller Erfolge der Maßnahmen könne so jedoch nur eine relativ kleine, wenn auch interessierte Leserschaft, erreicht werden. Dem Großteil der Nutzer bleibe die alternativen Zugangsmöglichkeiten unbekannt, so die Autoren der Studie.   

Die Umgehung staatlicher Firewalls ist indes nicht nur ein Ärgernis für internationale Medienkonzerne, sondern wie in Zeiten des Kalten Krieges fast ein Politikum. Im Februar diesen Jahres erklärte Hillary Clinton in einer Rede zur Internetfreiheit das Thema zur Sache des US-Außenmisiteriums und warnte andere Staaten vor Zensur und Eingriffen in die Meinungsfreiheit. Und auch die Umgehung der Netzsperren wird inwischen staatlich gefördert. So hat der US-Kongress in den vergangenen zwei Jahren 45 Millionen Dollar für die Entwicklung und Verbreitung der "Umgehungs-Werkzeuge" bereitgestellt. Damit zahlt der amerikanische Steuerzahler für die Umgehung von Sperren, die teilweise erst mithilfe des Exports amerikanische Überwachungs- und Zensurtechnik aufgebaut werden konnten.

 

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