Cédric Puisney
Die Debatte über Vorratsdatenspeicherung  (VDS) in Deutschland kann jetzt endlich weiter geführt werden. Das Thema wird voraussichtlich für Streit zwischen den Koalitionsparteien sowie innerhalb der Parteien sorgen. Inhaltlich stehen sich dabei im Wesentlichen zwei Standpunkte gegenüber. Wir haben bei einem Befürworter und einem Gegner der VDS nachgefragt – beide verweisen auf sich widersprechende Studien.
Aktuell ist Deutschland der einzige EU-Mitgliedsstaat, in dem es keine VDS gibt. Zu Beginn der Großen Koalition drängte das CDU-geführte Innenministerium darauf, zügig ein Gesetz auf Grundlage der EU-Richtlinie zur VDS zu entwickeln. Zum Unmut des Koalitionspartners erklärte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) dann Anfang Januar, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten zu wollen, bevor sein Ministerium einen neuen Gesetzentwurf vorlegen werde. Diese Entscheidung muss rückwirkend als angemessen betrachtet werden, denn gemäß des gestrigen EuGH-Urteils ist die entsprechende EU-Richtlinie tatsächlich unzulässig.
Für die neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Andrea Voßhoff (CDU) ist das Thema VDS in Deutschland damit aber noch nicht erledigt. Sie ist der Ansicht, dass VDS „im Sinne des Gemeinwohls“ sinnvoll sein kann. Für den ehemaligen BfDI Peter Schaar allerdings gehen die Richter des EuGHs inhaltlich weiter als die des Bundesverfassungsgerichts, welches das deutsche Gesetz zur VDS 2010 gekippt hatte. Für Schaar ist die VDS sowie ähnliche Vorhaben, wie die europaweite Speicherung von Daten über Flugpassagiere, vom Tisch.
Im Kern der Sache geht es um die Frage, ob VDS für die Aufklärung von Verbrechen – insbesondere im Internet – nützlich ist und der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte der Menschen gerechtfertigt werden kann oder eben nicht:
Befürworter der VDS, wie die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), sind der Ansicht, dass VDS essenziell für die Verbrechensbekämpfung sei. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der DPolG, lässt erklären, dass Internet-Verbindungsdaten und Verkehrsdaten der Telekommunikation „wichtige Informationen zum Täterverhalten, Tatstrukturen und möglichen Komplizen“ lieferten. „Schwere Straftaten können erst mit Hilfe dieser Verkehrsdaten aufgeklärt und weitere Delikte verhindert werden“, so Wendt. Verwiesen wird auf eine Studie des Bundeskriminalamts, die diese Auffassung bestätige. Angezweifelt werde zudem die Qualifizierung der Richter. Diese „sollten eine spezielle Sachkunde nachweisen, bevor sie entscheidungsbefugt sind.“
Gegner der VDS, wie Matthias Spielkamp, Redaktionsleiter von iRights.info, vertreten hingegen den Standpunkt, dass es keine belastbaren Hinweise darauf gebe, dass diese zu einer höheren Aufklärungsrate von Internetdelikten führen würde. Spuren, die zur Ermittlung von Tätern führen können, seien auch ohne VDS ausreichend zu finden. Die Grundrechte der Bürger würden daher unverhältnismäßig einschränkt. Der Generalverdacht, unter den die VDS alle Bürger stelle, sei schädlich für eine demokratische Gesellschaft. Spielkamp verweist auf eine vom Max-Planck-Institut durchgeführte Studie, die keinen positiven Effekt durch VDS auf die Bekämpfung und Vermeidung von Internetdelikten feststellen kann.
 
Weiterführende Links:
Urteil des EuGH über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung: bit.ly/1hbeaZ1
EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG v. 15. 3. 2006): bit.ly/1lIbmmB
Interview mit der Rechtsanwältin und Bloggerin Nina Diercks zum EuGH-Urteil: http://t.co/nUUc0KCPHd
Bild: Media Initiative ECI /Screenshot Video
Buch-Cover von Marina Weisband
 

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