Nachdem CSU und SPD dem Münchner Stadtrat ihre Pläne zur Abkehr von der eigens individualisierten LiMux-Software vorgelegt haben, steht eines der Vorzeigeprojekte für die Benutzung von freier Software in Verwaltungen vor dem Aus. Kritiker bezweifeln, ob das tatsächlich an LiMux liegt.
Das Projekt LiMux startete vielversprechend und mit pfiffigem Namen. Als individualisierte Anpassung des Betriebssystems Linux, ging LiMux nach Millioneninvestitionen 2013 für die Münchner Verwaltung in den Betrieb. Vier Jahre später hat sich die rot-schwarze Regierungskoalition der bayrischen Landeshauptstadt für ein Aus der freien Software in ihrer Verwaltung ausgesprochen. Im Februar legten SPD und CDU dem Stadtrat den Antrag vor, der Open-Source-Alternative den Rücken zu kehren und wieder auf Microsoft zu setzen.
Rückkehr zu Microsoft
Nach einer dreijährigen Benutzungsphase steht das Projekt, welches als eines der Vorzeigeprojekte der freien Software in Verwaltungen galt, vor dem Ende. Bis 2020 soll eine komplette Rückkehr zum Großkonzern Microsoft folgen. Knapp 20.000 Rechner der Verwaltung würden bis dahin wieder mit Windows zu bedienen sein. Man wolle „marktübliche Standardprodukte“ einführen, sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und sprach von einer Kehrtwende. Begründet wird der Ausstieg mit einem zu hohen Kostenaufwand und der steigenden Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Office-Programm von Linux. Auch werden die mangelnde Einheitlichkeit und der erhöhte Aufwand bemängelt, sodass es zu Verzögerungen und Komplikationen kam. Ein Dokumentenaustausch mit dem Bund und anderen Verwaltungen wurde zuletzt durch verschiedene Dokumentenformate erschwert.
Was nach einer Provinzposse und einem Fachthema für Informatiker-Kongresse klingt, ist tatsächlich ein Millionenthema. Es geht um das Geld der Steuerzahler in München. Obwohl die Stadt durch Einsparungen bei den Microsoft Lizenzen in Millionenhöhe sparte, war LiMux nicht nur ein Prestigeobjekt, sondern auch ein kostspieliges Unterfangen. Dem Beschluss im Jahr 2003, auf eine freie Software umzusteigen, war eine zehnjährige Entwicklungs- und Individualisierungsphase mit dem anschließenden Entstehen von LiMux gefolgt. Der damalige Umstieg von Microsoft auf Linux und die Entwicklung von LiMux kosteten finanzielle und personelle Ressourcen, rund 70 Programmierer und Softwareentwickler wurden extra dafür eingestellt. Diese kreierten sogenannte Workarounds, also Behelfslösungen, und bauten Brücken zwischen Linux und Windows, um eine optimale Nutzung der Open-Source-Software zu gewährleisten.
LiMux nicht alleiniger Faktor
Mittlerweile häufen sich die kritischen Stimmen aus der Politik und der IT-Szene zum nahenden LiMux-Ende. Die Opposition in München spricht von einem Schildbürgerstreich und beruft sich auf einen Prüfbericht, welcher eine komplette Umstellung für zu teuer und unnötig erachtet. Auch IT-Experten zweifeln, ob die Komplikationen durch die Einführung von LiMux ausgelöst wurden. “Zwingende technische Gründe für einen Wechsel zu Windows und Microsoft Office sehen wir nicht“, sagte Karl-Heinz Schneider, der Chef des kommunalen Dienstleisters IT@M der Nachrichtenseite Heise online.
Andere Kritiker sehen die Probleme ebenfalls nicht bei LiMux, sondern in einer selbstverschuldeten Zersplitterung in der Münchner IT-Landschaft. Mit der Einführung von LiMux fand eine digitale Umstrukturierung der Verwaltung statt, die laut Experten nicht ideal umgesetzt wurde. So sollen die Benutzersoftware und die dazugehörigen Programme nicht zeitnah und koordiniert installiert worden sein. Die installierten Programme seien zudem häufig veraltet gewesen. Experten kritisieren auch, dass themenspezifische Schulungen nicht ausreichend angeboten wurden. Kritiker der Rückmigration zu Microsoft stellen sich deshalb öffentlich die Frage, ob auch andere Faktoren für das Scheitern des LiMux-Projektes verantwortlich sein könnten. So berichtete „Heise online“ jüngst über die jahrelange Lobby-Arbeit des US-Konzerns Microsoft, der schon unter Münchens ehemaligen Oberbürgermeister Christian Ude versuchte, die Stadt von einer Rückkehr zu Windows zu überzeugen.
Mehrere kommunale Verwaltungen und Einrichtungen arbeiten derzeit noch mit Linux und sind damit zufrieden. Als eine der ersten Kommunen setzte Schwäbisch Hall konsequent auf Linux und dessen freies Betriebssystem. Bis heute arbeitet die Verwaltung zufrieden mit der Open-Source-Software. Horst Bräuner, IT-Abteilungsleiter der Verwaltung Schwäbisch Hall erläutert, welche Vor- und Nachteile es bei der Arbeit mit Linux gibt.
1. Seit wann nutzen Sie Linux für die Verwaltung und wie kam es dazu?
2001 wurde der Support für die bis dahin eingesetzten, proprietären, also herstellerspezifischen und geschlossenen Standard-Progamme („Windows Betriebssystem und „Office“-Paket) vom Hersteller abgekündigt. Ein Wechsel auf die nachfolgenden Versionen dieser Software hätte weitreichende Konsequenzen gehabt. Die damals verwendete Hardware hätte getauscht werden müssen und bei der Stadt wären erheblichen Lizenzkosten für das Upgrade angefallen. Zusätzlich brachen zu diesem Zeitpunkt die Einnahmen aus der Gewerbesteuer ein. Deshalb lag es für die Verantwortlichen nahe, Alternativen auszuloten. Die positiven Erfahrungen mit OpenSource-Software in der Vergangenheit ermutigte die Verwaltung, diese Technik auch bei der Ausstattung der zukünftigen Arbeitsplätze einzusetzen.
2. München hat nun entschieden, Ihrem LiMux Projekt den Rücken zu zukehren. Können Sie diese Entscheidung nachvollziehen?
Für uns, als Außenstehende, stellt sich die Entscheidung auf den ersten Blick als politisches Statement dar. Ob und wie das konkret umgesetzt wird, können wir nicht beurteilen.
3. Welche Vorteil sehen Sie bei der Nutzung von Open-Source-Programmen?
Einer der größten Vorteile ist, dass wir jederzeit nachvollziehen können welches Programm was mit welchen Daten macht. Offene Desktops sind flexibel einsetzbar und lassen sich an eigene Bedürfnisse anpassen. Wir denken, dass offene Formate und Standards die einzige Chance sind, wie Informationen für die Zukunft erhalten werden.
4. Bemerken Sie auch Nachteile?
Als Nachteil haben wir bisher eher „psychologische“ erkannt. Wir, d.h. die Beschäftigten der Stadtverwaltung, werden von Externen als „Außenseiter“ und „Exoten“ gesehen. Das stößt manchen Personen auf.
5. Welches Einsparpotential ergibt sich bei den Lizenzen, wo fallen welche zusätzlichen Kosten an?
Letztendlich fallen keine Lizenzgebühren für Betriebssystem und Office-Paket an. Wegen der Vielzahl unterschiedlicher Lizenzmodelle des Herstellers ist es schwierig konkrete Zahlen zu nennen. Es gibt unseres Wissens keine Übersicht des Herstellers, die konkrete Aussagen dazu unterstützt. Lizenzgebühren, die auf den Einsatz von offener Software zurückzuführen sind, gibt es nicht.
6. Gibt es Anwendungen, die nur microsoftbasiert funktionieren und wie lösen Sie das?
Ja, einige Fachanwendungen sind so „unglücklich“ programmiert, dass sie nur auf proprietärer Software laufen. Wir lassen einen großen Teil der Fachsoftware in kommunalen Rechenzentren betreiben. Diese stellen uns die Software dann (remote) so zur Verfügung, dass wir sie von unseren offenen Desktops nutzen können.
7. LiMux wurde dafür entwickelt, der Verwaltung München eine optimale Software-Nutzung zu ermöglichen. Arbeitet Schwäbisch Hall auch mit einer solchen „Individualisierung“ von Linux?
Eher nicht; wir setzten und setzen nur minimal modifizierte Distributionen ein. Wir modifizieren die Desktops nur deshalb ein wenig, damit unsere Anwenderinnen und Anwender eine einigermaßen gewohnte Umgebung mir ihren jeweiligen Fachanwendungen und Ablagen vorfinden.
8. Wie aufwändig war der Umstieg auf Linux und wie aufwändig wäre jetzt ein Umstieg auf Microsoft?
Der Umstieg müsste „by the way“, also im Rahmen des laufenden Betriebes erfolgen. Es durfte weder zusätzliches Budget noch Personal eingesetzt werden. Ich gehe davon aus, dass für den Rückschritt zu proprietärer Software Ähnliches gilt.
Im Gegensatz zu Schwäbisch Hall scheint das Linux Projekt in München schon vor dem offiziellen Vorschlag des Ausstiegs gescheitert. Ob und inwiefern LiMux alleiniger Grund dafür ist, bleibt fraglich. Bis 2020 wird der Umstieg auf Microsoft vollzogen sein, wie genau er aussehen wird, werden CSU und SPD zeitnah dem Stadtrat vorlegen.
Titelbild: penguin by OpenClipart-Vectors via pixabay, CC0 Public Domain
Es war ambitioniert, sich gegen alle Größen der IT-Brache zu stellen und den Fokus auf das Geld des Steuerzahlers und die Datensicherheit (Open-Source) zu legen. Ein Herr Uhde hatte wohl das notwendige Rückgrat.
Dass hat nicht jeder, und 14 Jahre Lobbyarbeit hinterlassen auch Spuren.
Wobei sich das in den vergangenen Jahren für die Lobbyarbeit ausgegebene Geld jetzt als eine sehr lohnende Investition für Microsoft & Co entpuppt.
Eine erfolgreiche und reibungslose Umstellung auf Open-Source hätte hingegen deren Geschäftsmodell untergraben. Was verhindert werden musste.
Aber nicht nur hier drängt sich der Verdacht auf, dass Politiker sich hin- und wieder als Interessenvertreter der Lobbyisten und nicht ihrer Wähler sehen (Dieselskandal).