Es gibt nichts, was es im Netz nicht gibt! Von gut sortierten Angeboten
kann man sich CDs als illegale MP3-Dateien herunterladen, auf gerne besuchten
‘Warez’-Seiten finden sich die neuesten Produkte der Softwareindustrie
und viele andere Sachen, für die normalerweise die eine oder andere
Mark bezahlt werden müsste.


Moderne Freibeuter verursachen Milliardenschäden

Manch eingefleischter Fan der Heavy Metall Band "Metallica"
ist in diesen Tagen nicht gut auf seine schweren Lieblinge zu sprechen.
Durch eine bis dato einmalige Aktion wurden die Musiker zu einer der meist gehassten Bands im Netz. Im Kampf gegen illegale MP3-Kopien ihrer Songs zogen die US-Boys vor ein kalifornisches Gericht und erkämpften die Sperrung von fast 320.000 Nutzern des MP3-Tauschdienstes Napster.

Während nun die Fans im Web über diese "Unverschämtheit" wettern, wittert die Musikindustrie ihre Chance. Spätestens seit dem Urteil gegen AOL
im April diesen Jahres – danach haften Internetprovider wenn auf ihren
Servern Raubkopien angeboten werden – ist das Thema MP3 ständig auf der
Tagesordnung. Nicht verwunderlich, denn nach Schätzungen der deutschen
Phonoindustrie sei alleine im Jahr 1999 dem bundesdeutschen
Musikgewerbe ein Schaden von rund 140 Millionen Mark zugefügt worden.
Dabei spielten die professionellen Raubkopierer mittlerweile eine eher
untergeordnete Rolle; das Internet läuft ihnen den Rang ab!

"Download ohne Grenzen"
In
der schönen, neuen Online-Welt haben nationale Grenzen nur eine
marginale Bedeutung und zur Zeit sind länderübergreifende gesetzliche
Regelungen noch die Ausnahme – aber in Vorbereitung!
Wer will, der kann sich mit vollen Händen aus dem schier
unerschöpflichen Web-Fundus bedienen. Musik, Software jeder Art,
Cracks, Kreditkartennummern, Passwörter oder ganze Kinofilme werden –
ganz offen – auf verschiedenen Seiten im Netz zur kostenlosen Nutzung,
bzw. zum Download angeboten. Dass damit nicht unerhebliche Schäden
verursacht werden ist vielen Nutzern zwar bewusst, aber letztlich egal!
Zum Teil brüsten sich die Webmaster und Member dieser Seiten mit ihrem
umfangreichen und überprüften Angeboten, die sie ständig aktualisieren
und animieren dadurch die Surfer zu erneuten Besuchen.

Provider wehren sich
Doch
seit dem bereits erwähnten AOL-Urteil werden auch die Gegenmaßnahmen
seitens der Provider intensiviert. Eine der bekanntesten
deutschsprachigen MP3-Seiten – MP3Hitz – kämpft seit einigen Tagen
gegen ihre komplette Löschung. Da kein seriöser Provider solchen Seiten
den benötigten Webspace zur Verfügung stellt, müssen sich die
Internetpiraten – vergleichbar mit ihren zur See fahrenden Vorfahren –
im Netz kleine Basen suchen. Zumeist nutzen sie kostenlose
Speicherplätze wie Yahoo!Geocities, um ihre Files dort anzubieten.
Auf verschiedene Benutzeraccounts verteilt und auch von verschiedenen
Personen betreut, existieren auf der Seite zahlreiche Unterrubriken,
die von Yahoo!Geocities gezielt gelöscht wurden und auch weiterhin
verstärkt unter Beschuss stehen. Doch davon lässt sich das Team nicht
beeindrucken sondern lädt – zum Teil in Nachtarbeit – fleißig wieder
hoch und versichert, dass sie "alles tun, um MP3Hitz zu erhalten".

Kampf gegen Windmühlen
Während Metallica und nun auch der Rapper Dr. Dre
gegen die Napster-User vorgehen oder MP3Hitz gezielt gelöscht wird,
lassen sich die MP3-Tausch-Fans einfach etwas Neues einfallen – Gnutella!
Was sich zunächst nach einer neuen Variante des bekannten
Nuss-Nougat-Aufstrichs anhört, ist aber die Fortsetzung von Napster mit
anderen Mitteln. Im Gegensatz zu Napster läuft das Programm nicht über
zentrale und vom Anbieter betriebene Server, sondern jeder einzelne
User fungiert hier gleichzeitig als Server und Client. Eine Sperrung
von Ports oder bestimmten IP-Adressen ist daher leicht zu umgehen.
Dabei ist Gnutella nur eines der im Netz kursierenden Tauschprogramme
und ist durch seine persönliche Abwandlung der OpenSource-Philosophie
namens "GNU’s Not Unix!"
für jeden fachkundigen Nutzer leicht veränderbar. Die Klone und
Varianten werden daher zukünftig noch zunehmen und somit die Verfolgung
von Raubkopierern weiter erschweren.

Ein Filter soll schützen
Dagegen vorgehen könnte das von der Musikindustrie entwickelte "Rights Protection System"
(RPS) welches das Übel aus dem Netz filtern, bzw. den Zugang zu
illegalen Inhalte unterbinden oder ganze Internetadressen für den
Zugriff aus Deutschland sperren soll. Dabei müssten die Server aller
inländischen Internetanbieter die über eine Verbindung ins Ausland
verfügen mit diesem System ausgerüstet werden. Das RPS überwacht den
Datenstrom der nach Deutschland hereinfließt und soll so den Zugriff
auf urheberrechtlich geschützte Dateien, die auf einem ausländischen
Server abgelegt sind, verhindern. Der Bundesverband der
Phonographischen Wirtschaft ist der Meinung, dass dies ohne größere
Probleme umzusetzen sei; lediglich 50 bis 70 Provider verfügten über
diese Auslandsanbindung und auch die Technik sei in die bestehenden
Systeme einfach zu integrieren.

Da dieses Verfahren aber eine stetige Überwachung der Daten erfordert, kommt unweigerlich die Datenschutzfrage
ins Spiel. In der Offline-Welt ist es ja auch nicht ohne weiteres
möglich Telefongespräche ohne entsprechende richterliche Beschlüsse
abzuhören. Wieso dies im Cyberspace plötzlich kein Problem mehr sein
soll bleibt ein spannender Konfliktpunkt im Streit zwischen den
geschädigten Industrien und den aufmerksamen Datenschützern.

Auch Software wird angeboten
Durch
das RPS könnten theoretisch auch andere Datei-Formate nach illegalen
Inhalten durchsucht und somit weitaus höhere Schadensbilanzen gemindert
werden. Während der Normalsurfer bislang aufgrund von engen Bandbreiten
und teuren Tarifen seine CDs noch bevorzugt im Fachhandel zu kaufen
scheint, "lohnt" sich der illegale Download von extrem teuerer
Anwendungssoftware für den Privatnutzer in finanzieller Hinsicht. Trotz
großer Datenmengen und den damit verbundenen Online-Kosten spart man –
bei Softwarepreisen zum Teil weit über 1.000 Mark – durch den
"Raubdownload" eine ganze Menge. Nicht nur deshalb sind Warez-, Gamez-,
Filez-, Crackz oder Appz-Sites hoch frequentiert, so mancher Surfer
entwickelt bei dem riesigen Angebot eine ausgeprägte
Sammlerleidenschaft und lädt bis die Festplatte voll ist. Inwieweit
diese Sammler die illegal beschaffte Software dann auch wirklich
nutzen, bzw. ohne diese Angebote überhaupt gekauft hätten, bleibt
fraglich.

Die Business Software Alliance (BSA) beziffert den durch Softwarepiraten in Deutschland entstandenen Schaden
auf 839 Millionen Mark, weltweit auf 11 Milliarden Dollar (1998). Dabei
befürchtet sie, dass diese Beträge in den nächsten Jahren – Dank immer
schnelleren und billigeren Zugangsmöglichkeiten – noch bedeutend
steigen werden. Es fänden sich derzeit an die 690.000 Seiten mit zum
Teil umfangreichen Angeboten im Netz. Ein effektives Vorgehen scheint
bei dieser großen Anzahl fast unmöglich und so erwecken die
BSA-Erfolgsmeldungen – etwa wenn im ersten Quartal 2000 aufgrund von
BSA-Anzeigen Software im Wert von rund 450.000 Mark nachlizensiert
wurde – den Eindruck des oft zitierten Tropfens, der auf dem heißen
Stein verdampft.

Online=Offline?!
"Im Netz gibt es alles außer Mord", zitiert der Heise Newsticker den Geschäftsführer der Firma NetUSE,
Martin Seeger. Er hat damit den Punkt getroffen. Bislang lagen die
Schwerpunkte der polizeilichen Netzermittlungen im Bereich der Kinderpornographie.
In Zukunft müssen sich Polizei und Staatsanwaltschaften intensiver und
umfassender mit dem Netz und seinen vielfältigen kriminellen Auswüchsen
beschäftigen. Durch die immer weiter fort schreitende internationale
Vernetzung stoßen nationale Gesetzgebungen schnell an ihre Grenzen und
müssen daher schnellstmöglich durch weiter gehende Ordnungsrahmen
ersetzt werden.