Kaum ein Thema der letzten beiden US-Präsidentschaftswahlkämpfe hat die Beobachter hierzulande so sehr begeistert wie die Internetaktivitäten der Kandidaten. Es geht um Apps, Social Media und Mobilisierungsnetzwerke. Nur selten rücken dabei jedoch die Datenbanken als Fundament solcher Netzaktivitäten in den Vordergrund. Dabei spielen die Datenbanken der Parteien bereits seit Jahrzehnten eine nicht zu unterschätzende Rolle in amerikanischen Wahlkämpfen.
Sowohl Republikaner als auch Demokraten pflegen umfangreiche Datenbanken mit Informationen über die wahlberechtigte Bevölkerung. Die Parteien versprechen sich davon, potentielle Wähler zu erkennen und mit den passenden Botschaften und Themen anzusprechen. Durch den Siegeszug des Computers und des Internet haben die Datenbanken in den Parteizentralen einen regelrechten Aufschwung erlebt und wurden spätestens im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 auch für eine größere Öffentlichkeit sichtbar.
Intelligente Algorithmen
So sorgte Barack Obama 2008 für einige Aufmerksamkeit, als er Microtargeting einsetzte – also die zielgenaue, themenspezifische Wähleransprache-, indem er seine freiwilligen Helfer Millionen von Daten sammeln ließ. Während Microtargeting bei Google zu passenden Suchergebnissen und passender Werbung führt, sind es im politischen Bereich die auf die Einzelperson zugeschnittenen Spendenaufrufe und Themenansprachen. Intelligente Algorithmen helfen außerdem dabei, Voraussagen über das Spendenverhalten, die Wahlbeteiligung und das Engagement zu treffen und damit die Ansprache zu optimieren.
In den USA finden am 6. November 2012 Wahlen statt. Lesen Sie weitere Beiträge zum US-Wahlkampf in unserer Reihe #US2012
Der gläserne Wähler
Doch nicht nur auf die selbsterhobenen Daten wird zurückgegriffen, sondern auch sogenannte Data-Mining-Dienstleister kommen zum Einsatz. Dadurch gelangen die Kampagnenstrategen an für ihre Zwecke sehr wertvolles Wissen darüber, was potentielle Wähler einkaufen, wo sie wohnen, welche Autos sie fahren, was sie lesen und womit sie sich in ihrer Freizeit beschäftigen. Das Verknüpfen solcher kommerziellen Daten mit den eigenen Daten ist zwar auch in den USA nicht gern gesehen, aber scheinbar inzwischen gängige Praxis.
Die Wähleransprache hat sich also grundlegend verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen TV-Werbung und Postwurf-Aktionen alleine ausreichten. Vielmehr wird in immer stärkerem Maße versucht, die Wähler persönlich und möglichst individuell anzusprechen. Der gläserne Wähler ist in den USA also Realität geworden.
[…] Für politik-digital.de habe ich dieser Tage einen kurzen Artikel über Microtargeting, also die zielgerichtete und themenspezifische Ansprache von Wählerinnen und Wählern, geschrieben. Darin skizziere ich warum die Datenbanken der beiden US-Präsidentschaftskandidaten in der Berichterstattung zumeist zu Unrecht aus dem Fokus geraten: Microtargeting – Wahlkampf mit Datensätzen. […]