Rechtsradikale in Sozialen Netzwerken und Diskussionsforen agieren oft über die Kumpel-Schiene. Und laut jugendschutz.net ist das Internet für Rechtsextreme die Propaganda-Plattform Nummer Eins. politik-digital.de hat die Nazis im Netz unter die Lupe genommen.
93 Neonazi-Communities hat Initiative jugendschutz.net 2009 gezählt, dreimal so viele wie im Vorjahr. Dies geht aus dem Jahresbericht „Rechtsextremismus online“ hervor, der am 24. August 2010 von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und jugendschutz.net herausgegeben wurde. Ein Anstieg, der laut Stefan Glaser von der bpb die zunehmende Vernetzung der Rechtsradikalen hervorhebt.
Zweispurig auf der Datenautobahn
Dabei gibt es laut Glaser zwei unterschiedliche Motivationen für Neonazis, im Netz vertreten zu sein. Einerseits können sie über die Web 2.0-Kanäle untereinander in Kontakt treten, andererseits über Facebook und Co. neue potentielle Gesinnungsgenossen ansprechen.
Vor allem autonome Nationalisten, d.h. einzelne Rechtsradikale ohne feste Parteizugehörigkeit, würden sich die neuen Medien zu eigen machen, erläutert Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung. Diese selbstständig agierenden Neonazis melden sich bei Facebook-Gruppen oder anderen Netzwerken an, um „Einfluss [zu] nehmen auf gesellschaftliche Diskurse“, so Rafael, die als Redakteurin auch das Netz gegen Nazis betreut.
Subtiles Einsickern
Um in Foren möglichst viele Leute zu erreichen, greife man häufig auf emotional geführte Diskussionen zurück. „Da gibt es ein paar Klassiker, die immer ziehen“, so Rafael. Beispiele dafür seien die Todesstrafe für Kinderschänder, die Gefahren des Linksextremismus und die Hetze gegen Muslime. Um von den Moderatoren nicht gelöscht zu werden, fänden diese Diskurse sehr häufig „auf der persönlichen Ebene“ statt, erklärt Rafael die Strategie. So würden Neonazis vermehrt über Probleme in der Nachbarschaft berichten, bei denen es zu vermeintlichen Übergriffen durch Muslime kam.
Auch die Meinungsfreiheit sei ein Thema, das laut Rafael gut funktioniere. Neonazis würden sich innerhalb der Gruppe beklagen, dass die eigenen Einträge gelöscht würden. Sogleich erfolge der Vorwurf der Zensur, angeblich initiiert durch den politischen Gegner.
Musikalische Radikale
Zunehmend würden Rechtsradikale auch eigentlich unpolitische Gruppen in Sozialen Netzwerken unterwandern. Ein prominentes Beispiel dafür sei Jürgen Gansel, so Rafael. Der NPD-Landtagsabgeordnete beteilige sich in der VZ-Community unter anderem in Gruppen wie „Ein Stock im Arsch ersetzt kein Rückgrat“, „Freunde des gepflegten Sarkasmus“ und „Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg“. Gansel teile auch seine musikalischen Vorlieben gerne mit seinen „Freunden“ und sei Mitglied der „Depeche Mode“-Fangruppe, so Rafael weiter.
Generell gilt Musik als erfolgversprechendes Werbemittel von Neonazis, um vor allem Jugendliche anzusprechen. Mit Melodien, die leicht ins Ohr gehen, würden Songs rechter Bands ausländerfeindliche und antisemitische Botschaften transportieren, so Glaser, der für die bpb auch die Seminarreihe „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ leitet. Über die sozialen Plattformen könnten die Songs ohne Umwege den Hörern angeboten werden.
Rechtsextreme Parteien mit Problemen im Netz
Etablierte rechtsextreme Parteien sind im Vergleich mit autonomen Rechtsradikalen sehr viel weniger in Sozialen Netzwerken aktiv. Laut dem Extremismus-Forscher Steffen Kailitz seien die rechten Aktivposten im Netz „eher Kleinstgruppen, die keine anderen Möglichkeiten haben“. Das Internet als Werbeträger sei oft der einzige Weg für sie, um Aufmerksamkeit zu erlangen. NPD und Co. agierten hingegen „nicht besonders modern“ und würden sich in puncto Eigenwerbung „nicht grundsätzlich von demokratischen Parteien unterscheiden“, so Kailitz.
Der Politikwissenschaftler betont zudem, dass Soziale Netzwerke für rechtsextreme Parteien „nicht sehr erfolgversprechend“ seien. Das läge vor allem an den Nutzern von Sozialen Netzwerken: Diese hätten „überdurchschnittlich hohe Bildungsabschlüsse“ und würden deswegen offizielle Angebote von rechtsextremen Organisationen ablehnen, beurteilt Kailitz die Situation.
Auch Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung stimmt dem zu. „Das Bewusstsein bei Usern steigt sehr stark an in Sozialen Netzwerken. Das ist letzten Endes auch der einzig gangbare Weg gegen Rechtsextremismus.“
Ein Text zu Linksextremismus im Netz erscheint in Kürze.