Wahrheitssager werden weggesperrt, der Bundespräsident schwadroniert irgendwie am Kernproblem vorbei, die Datenschützer vom Dienst scheinen zu schweigen in diesen stürmischen Zeiten, es regt sich kaum Protest. Weder die Politik noch die überwachte (und übersättigte?) Bevölkerung regt sich. Und das, obwohl die Hobbes’sche Schreckensvision im Begriff ist, wahr zu werden. Proteste, wie sie derzeit in Brasilien stattfinden, muss man hierzulande mit der Lupe suchen. Mit der Lupe, die Altavista nun aus der Hand legt…

Video der Woche


Bradley Manning spielte WikiLeaks brisante Geheiminformationen der US-Army im Irak zu – und wurde verhaftet. Weil er die Wahrheit ans Licht brachte. In diesem Unterstützungsvideo für Manning plädieren allerlei Prominente für die Informationsfreiheit und den Schutz von Whistleblowern. Und stellen die unangenehme Frage „What would YOU do?“

Stumm auf hoher See

Der aktuelle Überwachungsskandal, er könnte ein Steilpass sein für die Piratenpartei. Also jener politischen Gruppierung, die sich so vehement gegen Internetspionage stemmt und für Datenschutz eintritt. Doch viel hört man nicht von den Polit-Freibeutern, zwar werden  Demonstrationen organisiert und Statements formuliert, der große Aufwind bleibt aber aus. So richtig interessant scheinen die Piraten ob der monatelangen inneren Querelen für eine größere Öffentlichkeit nicht mehr zu sein. Die fatale und traurige Erkenntnis könnte lauten, dass ein Thema von solch ungeheurer Bedeutung wie die Internetüberwachung letzten Endes viel zu wenige Leute interessiert.

Licht ins Dunkel

NSA, PRISM, GCHQ, Tempora und Boundless Informant: Begriffe, die seit über einem Monat durch die Medien schwirren. Die Enthüllungen Snowdens über die weltumspannende digitale Überwachung durch den amerikanischen und englischen Geheimdienst machen fassungslos. Und je mehr Informationen an die Öffentlichkeit geraten, desto schwerer fällt es, den Überblick zu behalten. Der Spiegel versucht, Licht ins Dunkel zu bringen: Neben Begriffserklärungen, möglichen Konsequenzen der Enthüllungen, Reaktionen der Politik und Strategien der digitalen Selbstverteidigung gewährt der Spiegel Einblick in unterschiedliche Dokumente zu den Spähprogrammen.

Mund auf!

Apropos Reaktionen der Politik: Bundespräsident Joachim Gauck möchte sich nicht empören. Zunächst wären mehr Informationen darüber nötig, welchen Rechtsbruch Snowden konkret aufgedeckt habe. Generell aber habe er für „puren Verrat“ kein Verständnis. “Der öffentliche Dienst muss auf Vertrauenswürdigkeit setzen”, so Gauck. Den massiven Vertrauensbruch zwischen Staat und Bürgern sprach er nicht an. Durch verdachtsunabhängige Speicherung von (Meta)Daten und die Erstellung von Bewegungsprofilen wird die Bevölkerung ganzer Staaten unter Generalverdacht gestellt. Und die Datensammler sind jeder demokratischen Kontrolle entzogen. Sollte Gauck das nicht bekannt vorkommen? Wo bleibt seine Empörung, sein Einsatz für die von ihm vielgeliebte Freiheit? Juliane Leopold wirft Gauck in der Zeit vor, sich in einem Unfehlbarkeitsglauben gegenüber dem Staat zu verlieren. Deshalb begreife er Kritiker des bestehenden Status Quo als störende Nestbeschmutzer. Sie fordert Gauck auf, „seine Zweifel an den Zweifelnden abzulegen“ und seiner Aufgabe, Vertrauen zwischen Bürger und Staat zu stiften, nachzukommen.

Leviathan

Gesellschaftstheoretiker Thomas Hobbes beschrieb im 17. Jahrhundert den Leviathan, den allmächtigen Souverän außerhalb der Rechtsordnung. Daniel Martienssen fragt sich in „der Freitag“, ob Hobbes wohl wusste, im 21. Jahrhundert Recht zu bekommen. Die ganzheitliche Überwachung der Bürger, wie Edward Snowden sie offenbarte, machten die gruseligen Hobbbes’schen Ideen zur Wirklichkeit. Die westlich-aufgeklärten Machthaber – Obama und Cameron – sie versündigen sich, so Martienssen, an Recht und Verfassung, Merkel, die EU und auch das Volk blieben zu stumm und untätig, um an den offensichtlichen Verhältnissen grundlegend etwas zu ändern.

Ein Relikt aus der Vergangenheit

Wer sucht, googelt. Das war nicht immer so, denn es gab ein Leben vor Google. Mitte der 1990er Jahre, aus heutiger Sicht so etwas wie das Internet-Mittelalter, ging die Suchmaschine Altavista (die Älteren werden sich noch erinnern…) online und wurde schnell zur gefragtesten Online-Suche im damaligen Netz. Nach einigen Besitzerwechseln war Altavista im Frühjahr 2000 noch die Nummer eins auf dem zerklüfteten Suchmaschinenmarkt, bis, ja bis Google kam und die Herrschaft an sich riss. Es folgte der rasante Absturz, und nun, mittlerweile in Besitz von Yahoo, wird Altavista vom Netz genommen, einfach abgeschaltet. So ist es auf dem schnelllebigen Online-Markt: Ökonomische Bedeutungslosigkeit lässt sich alleine durch historische Bedeutung nur schwer wettmachen.

Vernetzter Protest

Brasilien ist die zweitstärkste Twitter-Nation. Das zeigt sich nun auch in den massiven Protesten, die seit einigen Wochen in Brasilien aufgebrandet sind. Bis zu hunderttausende Menschen gehen regelmäßig auf die Straße, um ihre Unzufriedenheit mit den staatlichen Ausgaben und der Korruption zum Ausdruck zu bringen. Dabei kommen auch die sozialen Medien zum Einsatz. Eine zentrale Bedeutung spielt Facebook, so etwa die Seite der Antikorruptionsbewegung „Movimento Contra Corrupcao“ mit 780.000 Likes. Via Twitter werden unter verschiedenen Hashtags Informationen in Form von Videos, Bildern und Artikeln verbreitet. Allerdings: “Die sozialen Medien sind zwar essentiell, jedoch nicht der Auslöser der Proteste”, so Débora Medeiros  von Globalvoices. Wichtiger als die neuen Medien seien die persönlichen Erlebnisse der Menschen. Ein Risiko der sozialen Medien: Über Facebook, Twitter und Co können Fehlinformationen schnell verbreitet werden. Zuletzt hielt sich das Gerücht eines Generalstreiks der Gewerkschaften hartnäckig im Netz. Zu Unrecht, wie ein Sprecher einer Gewerkschaft nun in einem Statement klarstellte.