Als „Digital Native“ der ersten Generation konnte Malte Spitz mit Computern umgehen, noch lange bevor er politische Abläufe verstand. Bis heute bastelt der Grimme Online Award-Gewinner gern an Rechnern herum, doch um in der Netzpolitik etwas zu bewegen, nutzt er lieber die politische Schiene.

Seinen schnellen politischen Aufstieg verdankt Malte Spitz wohl nicht nur dem Themenbereich Netzpolitik, engagiert hat er sich dafür aber schon, seitdem er 2001 der Grünen Jugend und Bündnis90/Die Grünen beitrat. „Ich war 2002 der Internetredakteur der Grünen Jugend, das war damals noch ein bisschen exotisch,“ erzählt er über den Beginn seiner politischen Laufbahn. Bereits 2003 wurde er Vorstand der Grünen Jugend und deren politischer Geschäftsführer, bis er 2006 im Alter von nur 22 Jahren in den Bundesvorstand der Partei Bündnis90/Die Grünen gewählt wurde. Als Senkrechtstarter sieht der heute 27-Jährige sich jedoch nicht. Bei der Grünen Jugend habe er viel lernen können und die Möglichkeit bekommen, sich inhaltlich einzuarbeiten. „Der Eintritt in den Vorstand war mit Sicherheit eine Entscheidung, deren Tragweite ich damals gar nicht vorhersehen konnte. Jetzt, fünf Jahre später weiß ich, dass es richtig war, weil es mir extrem viel Spaß macht und ich sehe, dass ich etwas verändern kann“, erklärt Spitz bescheiden und bestätigt damit den Eindruck, dass er trotz seines frühen Erfolgs nie abgehoben ist.

Den Ausschlag für sein politisches Engagement habe, erzählt Spitz, ein einjähriger Aufenthalt in den USA gegeben. Dort lebte er in einer texanischen Gastfamilie und bekam hautnah den Wahlkampf zwischen George W. Bush und Al Gore im Jahr 2000 mit. Zwar hatte er sich schon vorher engagiert, beispielsweise als Schülersprecher, doch seine Erfahrungen in den Staaten bewogen ihn letztlich, den Grünen beizutreten. Die USA zeigten ihm, in welcher politischen Landschaft er nicht leben wollte.

2002 nahm Spitz das erste Mal an einem Treffen des Netzwerk Neue Medien teil, um sich intensiver in die Diskussion um Netzpolitik einzubringen. Immer wieder betont er die Notwendigkeiten von Kampagnen. Es fehle hierzulande an einem Akteur wie die Electronic Frontier Foundation, einer zivilgesellschaftlichen Organisation in den USA, die unter anderem Unternehmen und staatliche Stellen wegen Missbrauch von Datenschutz oder Urheberrechten verklagt. Er selbst sei zwar als Unterstützer im Chaos Computer Club aktiv und schätze vor allem dessen technische Expertise, dennoch fordert er mehr vergleichbare Aktionsgruppen. „Sich nur auf den Chaos Computer Club zu verlassen, halte ich für fatal. Es muss den Anspruch geben, unterschiedliche Akteure gewähren zu lassen, die jeweils ihr eigenes Profil haben.“ Spitz sieht aber nicht nur die Bürger in der Pflicht, sondern auch den Staat selbst. „Von staatlichen Stellen fordere ich, dass Projekte wie der Staats- oder Bundestrojaner gar nicht erst stattfinden“, fügt er hinzu.

Der Grünen-Politiker selbst startete zu Beginn dieses Jahres die Aktion „Verräterisches Handy: Was Vorratsdaten über uns verraten“, für die er schließlich mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. In Zusammenarbeit mit Zeit Online veröffentlichte er seine gesamten Handydaten eines Zeitraums von sechs Monaten in einer interaktiven Grafik, um für andere sicht- und greifbar zu machen, was Vorratsdatenspeicherung bedeutet. Nun kann jeder sehen, wann Malte Spitz sich an welchem Ort aufgehalten hat, wie viele SMS er versendet hat und wie lange er im Schnitt telefoniert. Statt ihn abzuschrecken, habe die Preisgabe seiner persönlichen Daten ihn vielmehr motiviert, ein klares Zeichen zu setzen. Vor allem international habe die Aktion große Aufmerksamkeit erhalten, worüber Spitz sich besonders freut. Deutschland sei, was die öffentliche Debatte über Datenschutz angeht, schon sehr weit. Umso wichtiger sei es, auch in anderen Ländern ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Momentan arbeitet der Grüne Netzpolitiker, der seine Aktionen nicht nur politisch verstanden wissen will, sondern als zivilgesellschaftliches Engagement, übrigens an einem ähnlichen Projekt. Details wolle er jedoch noch nicht verraten.

Der Weg im Kampf gegen die deutschen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung sei aber noch ein steiniger, gibt Spitz zu bedenken. „Es gibt zwei große Parteien in Deutschland, die leider weiterhin eine Mehrheit in allen Parlamenten haben. Und diese zwei Parteien streiten weiter für die Vorratsdatenspeicherung.“ Gegen das Vorhaben von CDU/CSU und SPD vorzugehen, sei nun Aufgabe der Zivilgesellschaft und vor allem auch Aufgabe von Bündnis90/Die Grünen. „Wir müssen auf allen Ebenen immer wieder deutlich machen, dass Vorratsdatenspeicherung mit uns nicht zu machen ist“.

Auch beim Thema Netzneutralität bezieht Malte Spitz klar Stellung. Die Grünen setzen sich für die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität ein und wollen sie einklagbar machen: „Wir wollen nicht abwarten, bis sie stückweise abgebaut wird. Es wird verdammt schwierig werden, sie wieder herzustellen, wenn sie einmal weg ist“. Zwar gebe es mittlerweile in allen Parteien ein Verständnis dafür, dass Netzneutralität notwendig ist, die Regierungsparteien sähen jedoch keine Notwendigkeit zur gesetzlichen Verankerung. Diese würde den Aufsichtsbehörden allerdings die Möglichkeit geben, gegen Praktiken vorzugehen, bei denen der Netzzugang kontrolliert und reguliert wird, auch hinsichtlich der Priorisierung oder Sperrung einzelner Dienste, erklärt Spitz. Mit einer gesetzlichen Regelung könnte man bei Einschränkungen klagen. Und auch Kleingedrucktes in allgemeinen Geschäftsbedingungen, das solche Einschränkungen erlaubt, wäre dann verboten. „Es gibt nur noch ein sehr, sehr kleines Zeitfenster, vielleicht noch zwei Jahre, um eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität umzusetzen“. Danach werde es schwierig, warnt Spitz. Er selbst hat für dieses Thema bereits vor eineinhalb Jahren gemeinsam mit Björn Böhning von der SPD die Initiative Pro Netzneutralität ins Leben gerufen.

Im Vergleich zu den anderen Parteien stehe seine Partei in puncto Netzpolitik gut da und müsse sich auch nicht vor den Piraten verstecken, findet Spitz. Die Piratenpartei habe zwar eine Diskussion ausgelöst, die vor allem in den Volksparteien schon lange überfällig gewesen sei, sie würden es aber in Zukunft noch schwer haben. „Bei den Piraten stehen sehr viele kontroverse Diskussionen aus. Ihnen fehlen Definition und Ausgestaltung ihrer Begrifflichkeiten, sie verstecken sich immer wieder hinter Schlagwörtern.“ Die Datenschutzdebatte innerhalb der Piratenpartei sei ein Beispiel dafür, wie sehr die Meinungen innerhalb der Partei auseinandergehen. Und das bei für die Piratenpartei so zentralen Fragen.

Trotz seiner intensiven Beschäftigung mit der Netzpolitik setzt sich Malte Spitz auch für andere Themen ein. Unter anderem ist er innerhalb der Grünen mit zuständig für den Bereich Wirtschaft. Sein 2003 begonnenes Studium der Volkswirtschaftslehre an der Berliner Humboldt Universität hat dem gebürtigen Münsterländer dabei wichtiges Wissen für die politische Debatte geliefert. Da ein Vollzeitstudium neben der Arbeit im Parteivorstand jedoch kaum möglich ist, studiert der Wahlberliner mittlerweile Politikwissenschaft an der Fernuniversität Hagen. Das Studium sei so spannend, dass er neben der Parteiarbeit die Motivation aufbringen kann, viele Abende am Schreibtisch anstatt auf Partys zu verbringen.

Und noch ein Thema ist ihm wichtig: Er ist Mitverfasser des Grünen Männermanifestes, das im April 2010 veröffentlicht wurde. Darin sprechen sich junge Grüne Männer gegen die gesellschaftliche Verankerung des Geschlechterrollendenkens und gegen die Diskriminierung von Frauen aus. Denn diese sei, entgegen vieler Annahmen, weiterhin real existent. „Wir sind männliche Feministen, die deutlich machen wollen, dass die Zeiten des Machotums vorüber sind. Dahinter stehe ich, weil es für mich eine Überzeugung ist, auch in der politischen Arbeit“, verkündet Spitz.

Im Hinblick auf seine Zukunft gibt sich das Grüne Vorstandsmitglied wie gewohnt bescheiden. Er sei noch zu jung, um die kommenden fünf Jahre bereits geplant zu haben. Fest steht für Malte Spitz nur, dass er weiterhin der Netzpolitik treu bleiben wird. Gerade jetzt, wo man nicht mehr so sehr um Aufmerksamkeit für das Thema ringen müsse, ist es für ihn wichtig, die Debatte mitzugestalten. „Das sind heute sehr spannende Zeiten für jemanden, der Netzpolitik seit Jahren als sein Herzensanliegen vertritt.“