2009 war in der Folge von teils aufsehenerregenden Ergebnissen bei der Europa- und Bundestagswahl über eine Zukunft der Piraten als junge Großstadtpartei für netzaffine Bildungsbürger spekuliert worden. Nach den Wahlen vom vergangenen Wochenende differenziert sich dieses Bild. politik-digital.de sprach mit Christopher Lauer, dem politischen Geschäftsführer der Piratenpartei.

Von Koordinatenverschiebungen im politischen System der Bundesrepublik, wahlweise auch von einem "politischen Erdbeben" war die Rede, als am vergangenen Sonntag um 18 Uhr die ersten Hochrechnungen zu den Landtagswahlen veröffentlicht wurden. Die Piratenpartei jedoch spielte bei diesen Ergebnissem keine Rolle. Das bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg angewendete Einstimmenwahlrecht favorisiert tendenziell ohnehin die großen Parteien. Christopher Lauer, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei auf Bundesebene, macht im Gespräch mit politik-digital.de jedoch auf noch viel tiefergehende, praktische Gründe für die Startschwierigkeiten von Klein- und Kleinstparteien aufmerksam: "Es müssen über 10.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt werden, 150 in jedem Wahlkreis. Das sind teilweise Kreise, in denen Dörfer aus einer Straße bestehen. Das hat uns natürlich viel Zeit, Kraft und Energie gekostet, in der die Mitglieder vielleicht auf andere Weise effektiver Wahlkampf hätten machen können". Trotz geringer finanzieller Mittel sehen die Piraten in ihren Ergebnissen Achtungserfolge, so Lauer weiter.

Dennoch liegen in den drei Bundesländern, in denen am 27. März 2011 – auf unterschiedlichen föderalen Ebenen – gewählt worden ist, neben den von Lauer genannten 150-Seelen-Ortschaften auch zahlreiche der vermeintlichen Piratenhochburgen: Universitäts- oder Fachhochschulstädte mit formal gebildeter, junger und netzaffiner Wählerschaft. politik-digital.de hat in der folgenden Tabelle die vorläufigen amtlichen Endergebnisse der Piratenpartei in Universitätsstädten wie zum Beispiel Freiburg, Gießen oder Trier überblicksartig zusammengestellt.

Christopher Lauer kann den einzelnen am Sonntag erzielten Wahlergebnissen auch einige positive Aspekte abgewinnen: "Insbesondere die Ergebnisse bei den Jungwählern mit teilweise 12 Prozent machen Hoffnung, dass es zukünftig bessere Ergebnisse geben wird. Der Einstieg in die Parlamente wird für uns eher ein Marathon als ein Sprint werden, was aber auch sein Gutes hat, so kann die Partei lokale Strukturen aufbauen und wird nicht durch den schnellen Erfolg zerrissen". Lauer spricht von politischen Strukturen, die die Piraten von der kommunalen Ebene aufwärts planen wollen: "Die 29 Mandate, die von der Piratenpartei in Hessen erlangt werden konnten, legen eine Grundlage für kommunalpolitisches Engagment. Dass die Piratenpartei in Hessen in einigen Kommunen stärker war als Linke und FDP, freut mich natürlich auch".

Neben den bereits erwähnten verzerrenden Effekten des Wahlrechts scheinen weitere Gründe für das Abschneiden der Piratenpartei verantwortlich zu sein: Die Piraten sind wie Bündnis90/Die Grünen am libertären Pol des deutschen Parteiensystems angesiedelt und umwerben ein ähnliches Milieu. Gerade in den Universitätsstädten Baden-Württembergs standen die bündnisgrünen Chancen der Regierungsübernahme im Fokus der Wahl und die  Wahlauseinandersetzung hat sich in den letzten Wochen auf die Energiepolitik als grünes Urthema zugespitzt.

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