„Internetwache – Straftaten melden“ – mit diesen Worten macht das Internetunternehmen Lycos derzeit seine jugendlichen Nutzer auf die neuste Errungenschaft zur Erhöhung der Sicherheit in Chats aufmerksam. Selbstmordankündigung, Verabredungen zu Verbrechen im Internet, Gewaltandrohung im Chat – ein Polizei-Notruf-Button soll helfen. Guido Karl, Verantwortlicher für Online-Services der Polizei und Mitarbeiter des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen, zweifelt derzeit noch an der Praktikabilität des Vorhabens.

Lycos beansprucht für sich mit dieser neuen Funktion eine Vorreiterrolle in Sachen Jugendschutz und Sicherheit unter den kommerziellen Chatanbietern in Deutschland.

Online-Straftaten – Internetwache?

Mit der Integration des Alarmbuttons in den Chats betritt das Unternehmen tatsächlich neue Pfade. Bei Gefahr in Verzug müssen die Jugendlichen nicht erst einen Moderator kontaktieren, sondern können sich mit einem Klick direkt mit der Internetwache der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen verbinden. Dort können Chatter, die ihr Leben oder Eigentum bedroht sehen, die eine Verabredung zu einer Straftat beobachten oder Selbstmorddrohungen von anderen Nutzern empfangen, dieses mittels eines Online-Formulars direkt der Polizei melden.
Chatter werden aufgefordert, fragwürdige oder bedrohliche Passagen mitzuschneiden und in das Formular einzufügen. Nach der Angabe persönlicher Daten und der Quelle der Informationen müssen die Jugendlichen nur noch die Datenschutzrichtlinien und die Hinweise zu strafrechtlichen Bestimmungen lesen, verstehen und deren Kenntnisnahme bestätigen, und schon geht die Meldungen bei einem der Mitarbeiter der Internetwache NRW ein.
Diese ist 24 Stunden am Tag erreichbar und steht nicht nur den Kunden von Lycos, sondern jedem Internetnutzer zur Verfügung.

Internetwache NRW

 

Keine deutschlandweite Internetwache

Guido Karl, Blogger und Verantwortlicher für die Internetwache, äußerte sich in einem Telefoninterview mit politik-digital.de grundlegend positiv zu der Initiative von Lycos, hält sie aber für nicht gut durchdacht.
Die Internetwache NRW ist nur eine von derzeit zehn deutschlandweit. Laut Karl ist Ihre Zuständigkeit nur auf Straftaten in Nordrhein-Westfalen beschränkt, für eine Anzeige von einem in Hamburg lebenden Chatter ist die von Lycos verlinkte Internetwache daher gar nicht zuständig. Die Online-Services der Polizei sind Ländersache, ein zentrales Angebot für ganz Deutschland gibt es bisher nicht.
Bedenken, dass die Möglichkeit zur Online-Anzeige für Scherze missbraucht werden könnte hat Guido Karl nicht. Insgesamt werde der Service der Polizei von den Nutzern sehr ernst genommen. Die Zahl der Falschmeldungen liegt derzeit bei unter einem Prozent.

Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia

Auch andere Chatanbieter zeigen Eigeninitiative in Sachen Jugendschutz. Im November 2007 schlossen sich Lycos, AOL Deutschland, Knuddels und die RTL Interactive GmbH zu der Initiative „Freiwillige Selbstkontrolle der Chatbetreiber“ zusammen. Unter dem Dachverband der „Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter“ (FSE) haben sie sich das Ziel gesetzt, durch einen freiwilligen Verhaltenskodex den Kinder- und Jugendschutz im Internet verbessern und die Sicherheit in Chats zu erhöhen.

Verhaltenscodex

Mit der Unterzeichnung des Verhaltenskodex für Chatanbieter verpflichen sich die Mitglieder zur Einhaltung bestimmter Maßnahmen. Der Kodex sieht unter anderem eine Moderation aller Chats in den stark von Jugendlichen frequentierten Zeiten zwischen 10.00 und 22.00 Uhr vor. Eine weitere Initiative ist eine von den Anbietern gemeinsam gepflegte „Bad-Word-Liste“ jugendgefährdender Worte, die nicht im Chat genutzt werden dürfen und ein entsprechender Filter. Auch die Einführung von Sanktionen gegen User, die gegen die Chat-Regeln verstoßen und die Entwicklung von technischen Möglichkeiten zur eindeutigen Identifizierung der einzelnen Nutzer sind im Kodex vorgesehen.

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