Nach GuttenPlag und SchavanPlag ging jüngst eine Plattform online, die der Suche nach Plagiaten eine neue Dimension gibt. Abgeordnete des Europaparlaments sollen Gesetzesentwürfe zur EU- Datenschutzreform von LobbyistInnen übernommen haben, was jetzt auf lobbyplag.eu sichtbar gemacht wird.
Bei Recherchen über die Reform der EU-Datenschutzverordnung fiel dem Wiener Studenten und Netzaktivisten Max Schrems etwas Erstaunliches auf. Offensichtlich waren einige Änderungsanträge der EU-Verordnung teilweise wörtlich aus Unternehmenspapieren von Amazon oder Ebay übernommen worden. Nach den Hinweisen von Schrems wird LobbyPlag nun als nicht kommerzielles Projekt von „Open Data City“ betrieben und von dem Journalisten und Mitgründer der Seite Richard Gutjahr auf seinem eigenen Blog begleitet.
Die Seite funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Im Stil der Wikis GuttenPlag oder VroniPlag, auf denen Plagiate der Doktorarbeiten deutscher PolitikerInnen aufgedeckt wurden, vergleichen die MacherInnen von LobbyPlag Papiere von Unternehmen mit Gesetzesentwürfen.
Positive mediale Resonanz
Seitdem die Plattform am vergangenen Sonntag online ging, erhielt sie bereits viel positive mediale Resonanz. Zu den Kritikpunkten gehört jedoch der noch schwache Crowdsourcing-Aspekt der Seite. Im Vergleich zu anderen Plagiats-Plattformen seien die Beteiligungsmöglichkeiten der Masse noch sehr begrenzt. Mitinitiator Gutjahr erklärte dies mit der Aktualität der EU- Datenschutzverordnung und dem Zeitdruck bei der Entwicklung der Webseite: „ Wir wollten mit unseren Erkenntnissen jetzt online gehen, und nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist“.
Kritik kam auch von Seiten der EU selbst. So warf der EU Abgeordnete Alexander Alvaro LobbyPlag Einseitigkeit vor, weil nicht nur Unternehmen Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen würden sondern auch BürgerrechtlerInnen oder NetzaktivistInnen ihre Ideen einbrächten. LobbyPlag-Mitbegründer Gutjahr entgegnet der Kritik, dass alle Hinweise auf „Plagiate“ veröffentlicht würden, egal aus welcher Quelle sie stammten.
Transparenz in Zeiten des Internets
Forderungen nach Transparenz im mitunter sehr undurchsichtigen politischen Prozess sind generell kein neues Phänomen und erreichen dennoch seit GuttenPlag und Co. ein neues Ausmaß an öffentlicher Resonanz. Die aktuelle Aufmerksamkeit für Plagiate und Intransparenz hänge eng mit dem technischen Fortschritt zusammen, so Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer von Transparency Deutschland, im Gespräch mit politik-digital.de. Erst durch technische Neuerungen sei es auf einer solchen Plattform möglich, Dokumente miteinander zu vergleichen und für alle sichtbar zu machen. Generell seien die Transaktionskosten für Transparenz mit der Einführung des Internets gen Null gesunken. „Und Transparenz ist ein Instrument der Machtkontrolle“, bekräftigt Humborg.
In der öffentlichen Debatte scheint insgesamt Einigkeit darüber zu bestehen, dass LobbyPlag neben den vorhandenen Schwächen etwas Notwendiges und gesellschaftlich Wünschenswertes ist. Aber warum eigentlich? Dass außerparlamentarische AkteurInnen die Gesetzgebung beeinflussen, ist weder strafbar noch ungewöhnlich, sondern Teil unserer politischen Kultur.
Führt LobbyPlag zum “legislativen Fußabdruck”?
Für Christian Humborg ist die Einflussnahme auf Gesetzgebung nicht generell verwerflich, unter der Voraussetzung, dass sie öffentlich und transparent gemacht wird. Problematisch findet er vor allem, dass die Chance auf Einflussnahme durch Unternehmen aufgrund von besseren finanziellen Ressourcen deutlich höher ist als durch andere AkteurInnen
Ob es LobbyPlag gelingen wird, Abgeordnete und GesetzgeberInnen langfristig zum Umdenken zu bewegen oder im Falle der EU-Datenschutzverordnung sogar den Einfluss von LobbyistInnen zu begrenzen, bleibt abzuwarten. Im Netz wurde bereits die Frage aufgeworfen, ob ParlamentarierInnen mit dem Wissen über die Seite in Zukunft nicht einfach geschickter abschreiben werden als bisher. Humborg hofft, dass mit einer solchen Plattform Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt wird, und plädiert dafür, dass ParlamentarierInnen in Zukunft einen „legislativen Fußabdruck“ hinterlassen sollen. Die Einführung des „Legislativen Fußabdrucks“, als Offenlegung der kontaktierten LobbyistInnen im Gesetzgebungsprozess, war bereits 2011 im Rahmen einer Debatte über die Geschäftsordnung des EU-Parlaments diskutiert worden. In jedem Fall scheinen aber Websites wie diese einen Schritt auf dem Weg zu mehr Transparenz im politischen Prozess markieren zu können.