Eigentum mit allen teilen, Communities aufbauen und gegenseitiges Vertrauen fördern. Das sind die Ideen des Leihnetzwerks. Über das Internet kann man in Datenbanken nach Gegenständen suchen, die man benötigt und sich anzeigen lassen, wer diese in der eigenen Region verleihen möchte. Die Übergabe erfolgt in der Offline-Welt
Logo des Leihnetzwerks
Online-Auktionshäuser wie ebay haben sich in den letzten Jahren zu den erfolgreichsten kommerziellen Angeboten im World Wide Web gemausert. Kurierdienste liefern nahezu alles bis an die Wohnungstür. Man könnte meinen, das Internet ließe die Menschen vor ihren Rechnern seelisch und finanziell verarmen. Wie das Netz helfen kann, Menschen miteinander zu verbinden, Wissen und Besitz zu teilen, beweist seit einem Jahr das
Leihnetzwerk. Wer Bücher, Filme, Musik oder Geräte nicht gleich kaufen möchte oder einfach nicht mehr finden kann, kann sie sich auch leihen. Wer nicht weiß wohin mit all den Videos, Zeitschriften und DVD’s, kann sie Freunden oder Menschen in der eigenen Umgebung verborgen. Die Koordination erfolgt über das Internet, die Übergabe in der Offline-Welt. In Zeiten von kostenpflichtigen und schlecht ausgestatteten Bibliotheken entwickelt sich dieses Netzwerk zu einer echten Alternative.
Der Startschuss fiel vor einem Jahr
Vor einem Jahr kam dem Berliner Kurt Jansson der zündende Gedanke. „Da ich mich schon lange für freie Software interessiere, war ich schon damals auf der Mailingliste von
Oekonux. Das ist ein Projekt, das untersucht wie sich freie Software auf die Gesellschaft auswirken kann. Darüber habe ich von einer amerikanischen Software erfahren, die von unabhängigen Archiven und kleinen Bibliotheken genutzt wird, um Material auszutauschen“, sagt Jansson. Das war der Startschuss für das Berliner Leihnetzwerk. Jansson machte sich an die Arbeit und setzte die Seite leihnetzwerk.de auf. Wer etwas verborgen oder entleihen will, kann sich einfach ein Benutzerkonto anlegen. Einmal eingeloggt, kann man bequem nach Zeitschriften, Büchern, Videos oder CD’s stöbern oder selbst Sachen einstellen, die man anderen gern zugänglich machen würde.
Im eigenen Ort nach Sachen suchen
Das Angebot ändert sich ständig. Die Rubrik „Zeige Neues“ listet alle kürzlich dazugekommenen Artikel auf. Auch eine regionale Suche ist möglich. Die Anzeige der Entfernung zum Besitzer des Gegenstandes ist im Grunde die wichtigste Funktion der Leihnetzwerk-Seite. Ab einer bestimmten Größenordnung wäre es nicht mehr praktikabel, alle Besitzer einer CD per eMail zu fragen, wer von ihnen am nächsten wohnt. Die gespeicherten Adressen dienen nur der lokalen Suche und dem Austausch. Privatsphäre wird im Leihnetzwerk groß geschrieben. Die angegebenen eMail-Adressen bleiben im internen Netz und sind nicht für Spam-Roboter lesbar.
Privatsphäre wird groß geschrieben
Wer seinen Wohnort nur ungern im Internet veröffentlicht, kann auch einen Treffpunkt angeben. Das kann der eigene Arbeitsplatz, ein Café, ein Klub oder Restaurant sein. Es eignet sich jeder Ort, an dem man sich gut unterhalten kann. Schließlich möchte man auch wissen, wem man seine Sachen borgt. Manche Dinge würde man schon verleihen, aber nicht unbedingt an jeden. Auch solche Fälle werden im Leihnetzwerk berücksichtigt. Dafür wurde ein Feld für Besprechungen, Kommentare und Bewertungen eingerichtet. Dort kann man eingeben, wenn man Gegenstände nur an Freunde, Bekannte oder Personen mit guten Bewertungen verleihen möchte. Wenn man eine Leihgabe beschädigt zurück bekommt, sollte man das ebenfalls an dieser Stelle vermerken.
Wiedersehen macht Freude
Das Risiko für Leihnetzwerk-Nutzer ist verschwindend gering. Trotzdem macht Wiedersehen Freude. Um sicherzustellen, dass man seine Sachen auch innerhalb der vereinbarten Frist zurückerhält, kann man ein Ausleihformular verwenden. Dieses steht auf der Website zum Download bereit und kann einfach ausgedruckt werden. So können alle entliehenen Artikel quittiert werden. Wer besorgt um sein Hab und Gut ist, kann sich auch den Personalausweis der entleihenden Person zeigen lassen oder einen Pfand verlangen. Wer sich beim Verleihen an bestimmte Personen nicht wohlfühlt, kann im Gegensatz zu Internet-Auktionshäusern oder Online-Shops zu nichts verpflichtet werden. Das Leihnetzwerk beruht auf Freiwilligkeit.
Leihnetzwerk soll kein Marktplatz sein
Wie genau man einen Verleih regelt ist Jansson egal. Er möchte mit dem Leihnetzwerk nur eine Grundlage schaffen, um Dinge zu teilen, miteinander in Kontakt zu kommen, sich zu vernetzen und Vertrauen zu fördern. „Nur Geld sollte keine Rolle spielen. Es wäre schade, wenn so eine Plattform zu einem Online-Marktplatz verkommen würde.“, sagt Jansson. Damit fügt sich das Network ein in eine Reihe ähnlicher horizontal organisierter Projekte. Initiativen wie Freifunk.net, der Berliner Büchertisch, Wikipedia oder allesumsonst.de verfolgen ähnliche Ziele.
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Hallo Herr Steiner,
die Idee des Leihnetzwerks ist nicht schlecht. Aber wenn ich den obigen Artikel lese, frage ich mich doch, ob Sie schon einmal eine öffentliche Bibliothek bewußt von innen gesehen haben. Sicherlich könnten unsere Bibliotheken besser ausgestattet sein, aber ein Netzwerk mit einigen tausend Medien zu vergleichen mit einer Bibliothek im mittelstädtischen Bereich verfügt in der Regel schon über einige zehntausende bis zu hunderttausenden Medieneinheiten. In meiner Stadt beträgt die Jahresgebühr 10 Euro. Meiner Ansicht nach sollte das Ausleihen auch kostenlos sein, denn Bibliotheken werden in der Regel schon aus Steuergeldern finanziert und – was mir noch viel wesentlicher erscheint -, für die Grundversorgung an Informationen, Bildung und Wissen zuständig sind. Die Kosten für das Bringen bzw. Holen der Bücher, Videos etc. könnten im entsprechenden Umfang doch letztlich höher ausfallen als die Bibliotheksgebühr. Klar, auch zur Bibliothek muß man erst einmal gelangen, doch ist sie in der Regel in der Nähe des Wohnorts (Flächendeckung). Und: Wer sagt denn, daß Menschen in einer Bibliothek nicht kommunizieren dürfen!
Ein Leihnetzwerk ist dennoch eine gute Alternative für Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, Bibliotheken nicht betreten können bzw. möchten.
Andreas Lücke
(Diplom-Bibliothekar)