Auf viele Menschen wirkt die Rechtsbranche eingestaubt, doch auch vor ihr macht die Digitalisierung keinen Halt. Verschiedene Legal Tech Unternehmen versuchen aufzuzeigen, welche Neuerungen Anwälte und Klienten erwarten
Der Markt für Rechtsdienstleistungen macht jährlich einen Umsatz von circa 20 Milliarden Euro, rund 160.000 Anwählte besitzen in Deutschland eine Zulassung. Doch wenn von Anwaltsarbeit gesprochen wird, bleibt der Gedanke einer analogen, fast verstaubten, Wissenschaft nicht fern. Noch immer besteht das Jura-Studium aus dem Wälzen von Büchern und dem Nachschlagen von Paragraphen in Gesetzesausgaben.
Doch der digitale Wandel macht vor der Rechtsbranche keinen Halt. Wenn auch langsam und teilweise immer noch belächelt, werden stetig neue Geschäftsmodelle entwickelt, die sich mit der Digitalisierung der Rechtsbranche auseinandersetzen. Die Branche der „Legal Tech“ Unternehmen steht vor einem Boom.
Legal Techs auf dem Vormarsch
„Die letzte digitale Revolution war das Diktiergerät und alle sind damit irre glücklich“, sagte der Rechtsanwalt Klaus Lorenz Gebhardt bei dem Legal Tech Hackathon 2017 in Berlin. 2017, so der deutsche Anwaltsverein, ist das Jahr der Legal Techs.
Diese Unternehmen wollen den Zugriff zu einer Anwaltsberatung digitalisieren, juristische Vorgänge automatisieren und Daten durch künstliche Intelligenz auswerten. Digitale Technologien versprechen neue Möglichkeiten für die Arbeit von Juristen. Verschiedene Start-Ups programmieren Software, durch die Digitalisierung der klassischen Anwaltsdienstleistung kann dann Zeit und Geld gespart werden.
Dies ist nicht nur ein von Vorteil für Menschen, die Hilfe bei Rechtsfragen brauchen, sondern auch Juristen können Profit schlagen. Der Gang in die Bibliothek und das Durchstöbern von Gesetzesbüchern könnten dann der Vergangenheit angehören.
Den größte Vorteil einer Digitalisierung der Rechtsbranche sehen Experten in der individualisierten und dadurch effektiven Beratung. Klienten, die eigentlich einen Rechtsbeistand brauchen, scheuen oftmals den Gang zum Anwalt. Dabei ist nicht nur die Suche nach einem passenden Anwalt ist ein Problem. Für die meisten potenziellen Klienten sind es die ungewissen Kosten eines Rechtsbeistands, die abschreckend wirken.
Prozesse online gewinnen
„37% der Deutschen können sich vorstellen, für die Inanspruchnahme einer durchgehenden Rechtsberatung/ eines Anwalts Online Dienste zu nutzen.“, so eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Vor allem bei weniger komplizierten Sachverhalten wie Kündigungen oder Scheidungen können Online-Dienste eine schnelle und umkomplizierte Alternative anbieten. Wer wissen möchte, ob und wie viel Entschädigung ihm durch eine Flugverspätung zusteht, kann sich kostengünstiger und schneller an ein Internetportal wenden, anstatt einen Anwalt zu beauftragen, den Fall zu prüfen.
Ein Aussterben klassischer Kanzleien ist laut der Umfrage nicht abzusehen. Umso komplizierter ein Sachverhalt scheint, desto weniger Menschen vertrauen auf eine digitale Rechtsberatung. Zudem ist es in Deutschland derzeit nicht möglich, einen kompletten Rechtsstreit von der Suche nach einem Anwalt bis hin zur Urteilsverkündung oder dem Beilegen des Rechtsstreits digital stattfinden zu lassen.
Trotz dieser Barriere sind in den vergangenen Jahren einige Start-Ups entstanden, die Teile des Prozesses digital abwickeln wollen.
Auf der Veranstaltung rund um Legal Techs von Young + Restless im Telefonica Basecamp wurden drei dieser innovativen Unternehmen vorgestellt.
Keine reinen Anwaltsverzeichnisse
Bei Advocado.de kann ein Rechtsproblem online geschildert werden. er Kunde erhält daraufhin Angebote von qualifizierten Anwälten, inklusive einer Kostenübersicht. Auf der Platfform werden viele differenzierte Rechtsbereiche abgedeckt. So schuf das Start-Up einen Online-Marktplatz, auf dem Kunden und Anwälte digital aufeinandertreffen. Das Unternehmen wirbt damit, dass eine Anfrage innerhalb von 30 Minuten von einem spezialisierten Anwalt geprüft wird und anschließender ein telefonischer Kontakt zwischen Klienten und Anwalt hergestellt wird.
Ein weiteres Unternehmen ist fragrobin.de, gegründet im Jahre 2016. Dieses Unternehmen arbeitet ebenfalls nicht als reines Online-Anwalts-Verzeichnis, sondern stellt zudem durch die Internetseite den Kontakt zwischen Anwalt und Klienten her. Auch hier gibt es einen Kosten-Rechner und eine Einschätzung der Erfolgsquote, Dauer und Kosten des Rechtsstreits.
Helpcheck.de ist dagegen ein digitales Verbraucherportal, welches Versicherungen prüft und die damit verbunden Rechte einfordert. Nach eigenen Angaben ist das Start-Up eine einzigartige Schnittstelle zwischen Anwaltskanzleien, Gründern und Digitalexperten.
Alle drei Unternehmen versuchen durch ein Netzwerk an spezialisierten Anwälten und Online-Prüfungen eine individualisierte, effiziente und kostentransparente Beratung zu ermöglichen.
Ob sich die Vermutung mancher Experten bewahrheitet und es irgendwann keine menschlichen Anwälte mehr geben wird, bleibt vor allem bei komplizierten Sachverhalten scheint unwahrscheinlich. Dennoch steht die Branche vor einem Umbruch. So werden wohl in den nächsten 20 Jahren mehr Veränderungen in der Rechtsbranche stattfinden, als in den letzten 200 Jahren.
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