Angela Merkel hat es vorgemacht, die Länderchefs ziehen nach. Gezielt suchen die Politiker per
Videopodcast den direkten Draht zum Bürger.

 

Die Begrüßungsworte, die Hamburgs Erster Bürgermeister
Ole von Beust in die Kamera spricht, klingen ungewohnt für
einen Volksvertreter: „Liebe User“. Sie stehen jedoch
stellvertretend für einen neuen Trend in der Politik. Von Beust
leitet die Premiere des Senatsvideopodcasts
ein. Seit Ende März stellt Hamburgs Regierung jede Woche eine
neue Folge der Drei-Minuten-Filme ins Netz. Ein schickes Intro zeigt
die Facetten der Hansestadt. Im Anschluss präsentiert ein Senatsmitglied
die Botschaft der Woche, gespickt mit kurzen Einspielern von Eröffnungen
oder Bauvorhaben. Die triste Studiokulisse wie bei Angela Merkels
frühen Video-Podcasts ab Juni 2006 hat ausgedient. Wenn Karin
von Welck, Kultursenatorin der Hansestadt, vom geplanten Bau der
Elbphilharmonie berichtet, fließt im Hintergrund die Elbe.
Justizsenator Carsten-Ludwig Lüdemann spricht gar direkt aus
dem Knast Santa Fu, wo Knackis während ihrer Ausbildung Produkte
mit dem Logo der Haftanstalt herstellen. „Schauen Sie doch
mal in unserem Knast-Shop vorbei“, wirbt der Senator.

Fragen und Kritik der Bürger per E-Mail

Mit der Probephase sei man durchaus „zufrieden“ gewesen,
sagt Kai-Uwe Garrels von der Hamburger Senatskanzlei. Die ersten
zehn Folgen wurden zusammen rund 20.000 Mal abgerufen. Per Mailfunktion
und Kontaktformular können die Bürger auf dem elektronischen-
oder Postweg Kritik und Anregungen loswerden oder den Podcast abonnieren.

Die E-Mails landen direkt bei Garrels. Der versucht sie innerhalb
eines Werktags zu beantworten. Der Großteil sind technische
Fragen und Probleme der Sorte: „Wie kann ich das bei mir sehen?“
Deshalb sind die Senatoren-Filmchen jetzt auch über das Videoportal
YouTube zugänglich. Inhaltliche Fragen seien bislang kaum dabei,
so Garrels. Und wenn, dann komme schon mal die eindringliche Bitte,
der Senator möge doch vor dem dunklen Hintergrund des Rathaussaals
nicht so einen dunklen Anzug tragen.

War die Reihenfolge der Senatoren anfangs noch von vornherein festgelegt,
traut man sich in der Senatskanzlei nach mittlerweile 13 Folgen,
mehr auszuprobieren. Die Themen sind nun aktueller und der jeweilige
Ressortchef wird erst kurz vor der Aufzeichnung informiert. Produziert
wird der Videopodcast von der Agentur Goldkanal GbR. Die Kosten
pro Folge liegen laut Garrels „im unteren vierstelligen Bereich“.
Nach 24 Episoden soll einer Vereinbarung zufolge erstmal Schluss
sein, um nicht in den Bürgerschaftswahlkampf kommenden Februar
einzugreifen.

Andere Länder, andere Podcasts

Hamburg ist kein Einzelfall. Die Idee des Videopodcasts ist ein
Jahr nach dem Start von Kanzlerin Merkels wöchentlicherVideoansprache
auf Deutschlands Ministerpräsidenten übergeschwappt. Die
Länderchefs probieren eigene Formate der Internet-Videobotschaften
aus.

Die CDU Nordrhein-Westfalen schmückt sich auf der parteieigenen
Website mit „Jürgen Rüttgers direkt“. Am schwarzen Stehtisch im gläsernen
CDU-Studio beantwortet der Landeschef einmal im Monat ausgewählte
Fragen der Internetnutzer. Ob EU-Beitritt der Türkei, Studiengebühren
oder Arbeitslosengeld: Mit einem freundlichen „Frau Winkler,
das sehe ich genauso wie Sie“ in die Kamera wird Interaktivität
zumindest gut inszeniert. Wer nicht im Videopodcast landet, bekommt
seine Antwort „in jedem Fall per E-Mail“, verspricht
Rüttgers. Der Bürger kann sich wahlweise die mit zwölf
Minuten Länge vergleichsweise üppige Sendung anschauen
oder einzelne Themen als Häppchen-Sequenzen abspielen.

Thüringer Studenten filmen Ministerpräsidenten

Studenten der Bauhaus-Universität Weimar stellten gemeinsam
mit der Tageszeitung Thüringer Allgemeine Mitte Juni ein vermeintlich
unabhängiges „Videotagebuch des Ministerpräsidenten“ auf die Beine. Die Macher
wollen Dieter Althaus einige Wochen lang begleiten – wie es heißt,
bei „mehr oder weniger offiziellen Anlässen“. Besucher
im Online-Forum warfen dem Projekt jedoch „Hofberichterstattung“
vor, denn weder Bürgerinitiativen noch die Opposition kamen
vor. Stattdessen gab es Althaus pur. Das „Videotagebuch“
ist auf der Homepage des Ministerpräsidenten verlinkt.

In einem einzigen, zaghaften Podcast-Versuch aus Brandenburg appelliert
Landeschef Matthias Platzeck an Jugendliche, zum Tag des offenen
Unternehmens märkische Betriebe zu besuchen, um den Fachkräftemangel
zu bekämpfen. Das Video
datiert von Mai 2007. Man habe sich noch nicht entschieden, den
Videopodcast wöchentlich oder monatlich zu machen, lautet die
schlichte Erklärung dort.

Niedersachsen plant, Berlin verzichtet vorerst

Weit gereift sind die Planungen derweil in Niedersachsen. Sofort
nach der Sommerpause soll Ministerpräsident Christian Wulff
als Hauptakteur alle zwei Wochen seine Videobotschaft mit Berichten
von der letzten Kabinettssitzung ins Netz stellen. Momentan suche
man noch via Ausschreibung die günstigste Agentur, heißt
es aus der Verwaltung. Rund um Klaus Wowereit im Berliner Senat
sei dagegen in den nächsten Monaten „nichts geplant“,
antwortet die Senatskanzlei auf Anfrage. Das überrascht, denn
in der Hauptstadt nutzen laut (N)Onliner Atlas 2007 bundesweit die meisten Menschen das Internet –
mit 68 Prozent immerhin mehr als zwei Drittel der Einwohner über
14 Jahre. Deutschlandweit liegt der Schnitt bei 60 Prozent.

Bremen peilt den Herbst als Termin an. „Wir haben das Thema
auf dem Schirm“, bestätigt Werner Wick, in der Senatskanzlei
zuständig für die Internetredaktion. Intern habe man die
Idee bereits besprochen. DieWebsite des kleinsten Stadtstaats enthält längst Angebote
wie virtueller Rathaus-Rundgang, Presseportal oder Fotoservice.
„Wir sind schon so etwas wie ein eigenes Medium“, sagt
Wick. Die traditionellen Medien wolle man aber nicht umgehen, beruhigt
er: „Damit würden wir den Ast absägen, auf dem wir
sitzen.“

Einige Bundesländer warten noch ab, bevor sie den Landeschef
vor die hauseigene Kamera schicken. „Ich schließe es
für die Zukunft nicht aus“, sagt Patricia Vernhold von
der Staatskanzlei Sachsen. Natürlich verfolge man die Entwicklung:
„Wenn alle anderen damit anfangen, wird man sicherlich auch
in Sachsen so was machen.“ Dann flimmert dem Bürger auch
jenseits von Hamburg und Nordrhein-Westfalen ein staatsmännisches
„liebe User“ vom Bildschirm entgegen.