Im Jahr 2013 enthüllte der ehemalige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden das Ausmaß der Überwachung von Einzelpersonen durch die US-Regierung. Mit den Enthüllungen einher ging ein öffentlicher Diskurs über die Reichweite der Überwachung durch staatliche Akteure. Gleichbedeutend damit war aber auch eine Angst über das Ausmaß der bisherigen Überwachung. In aktuellen Buch A FIELD GUIDE TO THE SNOWDEN FILES finden die Autoren Magdalena Taube und Krystian Woznicki einen künstlerischen Zugang zu den Snowden Files.
Das Gefühl: Angst
„Bürger könnten zwar, wollen aber nicht unbedingt auf die Snowden Files zugreifen“, so Magdalena Taube über ihre aktuelle Buchveröffentlichung. Bereits bei mehreren Verlagen scheiterten die beiden Autoren Taube und Woznicki mit ihrer Idee, die Snowden Files einer Veröffentlichung zugänglich zu machen. Was sich hinter dieser Distanz gegenüber den Snowden Dateien verbirgt, ist ein tiefes Gefühl der Verunsicherung und Angst. Beides konzentriert sich in einer Repression und Vermeidung der durch die Snowden Files zu Tage gekommenen Informationen.
Das von Taube beschriebene Gefühl der Angst im Umgang mit den Snowden Files resultiert letztlich in einem Paradoxon. Das öffentliche Interesse und der Zugang zu den Snowden Files scheitern an der Angst vor den damit einhergehenden Konsequenzen. Dabei ist gerade die Aufgabe der Dateien das zu tun: den Staat und seine Methoden bloßstellen, den Bürger sensibel machen und aufrütteln. In den Snowden Files fixiert sich wie in kaum einer anderen Veröffentlichung der letzten Jahre der Zusammenhang zwischen Wissen und Macht. Das durch die Ausspähung der Bürger gewonnene Wissen bedingt eine Kontrolle über den Bürger in sozialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Der Bürger steht dem nicht nur unwissend, sondern gerade deshalb auch machtlos gegenüber. Es findet eine Kontrolle, Eingrenzung und Verengung durch den Staat statt, ausgelöst durch die asymmetrisch verteilten Informationen. Durch die ausgespähten Informationen wird Macht produziert und schließlich reproduziert.
Kunst: Konfrontieren
„Erst durch den künstlerischen Zugang wurde die mit den Snowden Akten zusammenhängende Angst genommen“. In dem Kunstband A FIELD GUIDE TO THE SNOWDEN FILES zeugen die Arbeiten von verschiedenen Künstlern wie u.a. Zeljko Blace, Corinna Haas, Colnate Group, Naomi Colvin, Christoph Hochhäusler, M.C. McGrath, Henrik Moltke, SAZAE bot oder Andi Weiland von der Auseinandersetzung mit den Snowden Files. Die Arbeiten sind manchmal humorvoll, irritierend, verstörend in jedem Fall aber konfrontierend.
Die künstlerischen Arbeiten betrachten die Snowden Files in ihrem gesellschaftlichen und politischen wie auch technischen Umfeld. Sie machen damit das sichtbar, was in der Ignoranz bequemer ist. Die Kunst wirkt dabei als subversives Mittel der Infragestellung gesellschaftlicher Konzepte. Die Ausspähung durch die NSA ist weder eine Ausnahme, noch der Vergangenheit zuzuschreiben. Sie ist im Jetzt, betrifft Jedermann und fordert mehr denn je ein Empören.
Staat und Macht: Mit Kunst aufbrechen.
Das durch den Staat konstruierte Machtgefälle zwischen Staat und Bürger lässt sich durch einen künstlerischen Zugang hinterfragen, aufbrechen und in Frage stellen. „Erst mit der Idee, einen Kunstband zu veröffentlichen, zeigten die Verlage Interesse. Letztlich haben wir auch in einem Kunstverlag veröffentlicht“, beschreibt Taube die Verlagssuche.
Das Werk von Taube und Woznicki konfrontiert nicht nur mit der Brutalität von Ausspähung des Einzelnen. In ihm kristallisiert sich auch das tiefliegende Gefühl der Ohnmacht der Bürger. Damit sind die Snowden Files vor allem ein Beweis für eine Asymmetrie zwischen dem Staat und den Bürger, die durch die technischen Möglichkeiten ein neues Ausmaß angenommen hat. Vor vier Jahren wurden durch die Unterstützung des Journalisten Glenn Greenwald und der Regisseurin Laura Poitras die Snowden Files der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In deren Veröffentlichung liegt auch heute noch die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Staat und Bürger zu hinterfragen. A FIELD GUIDE TO THE SNOWDEN FILES nimmt sich genau dieser Aufgabe an und setzt sich mit den Einwirkungen durch den Staat auf den Bürger künstlerisch auseinander. Die Snowden Files selbst werden dabei zum Gegenstand der Auseinandersetzung: die Ohnmacht des Bürgers zur Aufgabe.
Bild: Berliner.Gazette, CC BY-SA 2.0