7816764678_1235e5de61_zDas Thema Vorratsdatenspeicherung führte zum Streit in der Großen Koalition. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will das Urteil zur EU-Richtlinie abwarten, doch die CDU macht Druck. Im Interview sieht die Juso-Vorsitzende Uekermann die Vorratsdatenspeicherung kritisch.
Justizminister Heiko Maas hatte angekündigt, anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, vorerst keinen Gesetzentwurf vorzulegen. Das CDU-geführte Innenministerium hingegen fordert zügig ein Gesetz. Die bisherigen Pläne zur Vorratsdatenspeicherung beruhen auf einer EU-Richtlinie, zu der in Kürze ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwartet wird. Maas will das Urteil abwarten. Das Gutachten zur Richtlinie eines EU-Generalanwalts von Mitte Dezember wird unterschiedlich interpretiert. Im Interview unterstützt die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann den Justizminister in seinem Vorgehen und sieht das Thema Vorratsdatenspeicherung generell kritisch.
politik-digital.de: Was halten Sie von der Ankündigung des Bundesjustizministers, das Gesetzgebungsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung auf Eis zu legen, bis der EuGH über die Richtlinie geurteilt hat?
Johanna Uekermann: Ich finde, es ist ein richtiger Schritt solange abzuwarten, bis ein verbindliches Urteil vorliegt. Es gibt derzeit auch keinen Handlungsdruck. Heiko Maas handelt deshalb richtig, wenn er die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in Deutschland bis zur Entscheidung des EuGH ablehnt, statt ein möglicherweise europawidriges Gesetz in Gang zu bringen.
politik-digital.de: Kann es sein, dass Herrn Maas das ausstehende Urteil des EuGH ganz gelegen kommt, um sich nicht eindeutig positionieren zu müssen?
Johanna Uekermann: Ich glaube nicht, dass sich der Bundesjustizminister bisher keine Meinung zum Thema Vorratsdatenspeicherung gebildet hat und dafür nun die Wochen bis zum EuGH-Urteil benötigt. Es ist sachpolitisch sinnvoll, zunächst eine Entscheidung der EU-Richter abzuwarten.
politik-digital.de: Die Ankündigung des Bundesjustizministers hat für Verstimmung in der Großen Koalition gesorgt. Gibt es einen neuen Kurs der SPD in punkto Vorratsdatenspeicherung oder wird das Thema aus koalitionspolitischen Streitigkeiten heraus instrumentalisiert (Stichwort “Armutszuwanderung” der CSU)?
Johanna Uekermann: Es ist wichtig, dass die SPD in Zukunft deutlich macht, dass es eine Politik gegen die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger mit ihr auch in einer Großen Koalition nicht geben wird. Für mich hat das auch nichts mit Instrumentalisierung zu tun. Die Vorzeichen haben sich geändert mit dem Mitte Dezember veröffentlichten Gutachten. Die politische Auseinandersetzung um ein so wichtiges Thema wie die Zukunft der Grund- und Bürgerrechte muss auch in der Regierung geführt werden können.

“Die SPD muss jetzt zu einer Neupositionierung kommen und wieder echte Bürgerrechtspartei werden.”

politik-digital.de: In Umfragen wird immer wieder deutlich, dass ein Großteil der Bevölkerung eine Vorratsdatenspeicherung ablehnt. Wieso fand diese öffentliche Mehrheitsmeinung nicht Niederschlag im Koalitionsvertrag bzw. in der Haltung der SPD?

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Johanna Uekermann (Jg. 1987) studierte Politische Wissenschaft an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der Universíté de Genève. Seit 2013 ist sie Bundesvorsitzende der Jugendorganisation der SPD und engagiert sich ehrenamtlich in ihrer politischen Heimat Niederbayern.

Johanna Uekermann: Der Bundesparteitag der SPD hat sich 2011 mit knapper Mehrheit dafür entschieden, eine Vorratsdatenspeicherung für drei Monate unter strengen Kriterien grundsätzlich zuzulassen. Das erschwert einen Richtungswechsel in Sachen Vorratsdatenspeicherung und war sicher auch für die Koalitionsverhandlungen kein Vorteil. Gleichwohl nehme ich wahr, dass im Zuge der Snowden-Enthüllungen auch in der SPD ein Umdenken einsetzt, Themen wie die Vorratsdatenspeicherung und Datensicherheit im Allgemeinen wieder stärker in den Fokus rücken. Die SPD muss jetzt zu einer Neupositionierung kommen und wieder echte Bürgerrechtspartei werden.
politik-digital.de: Wie stehen die Jusos zum Thema Vorratsdatenspeicherung, und mit welchen Mitteln werden die Jusos ihren Einfluss in der Partei bzw. in der Regierung geltend machen?
Johanna Uekermann: Mit der Vorratsdatenspeicherung spricht der Staat einen Generalverdacht gegen alle seine Bürgerinnen und Bürger aus. Mit den erhobenen Metadaten lassen sich komplexe Persönlichkeitsprofile erstellen, während niemand für die Sicherheit der Daten bürgen kann. Wir lehnen einen solch gravierenden Grundrechtseingriff als unverhältnismäßig ab und sprechen uns gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung aus. Das haben wir auch parteiintern immer wieder versucht durchzusetzen. Auf dem Parteitag 2011 haben wir einen Antrag zur Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung eingebracht, der nach kontroverser Diskussion die Mehrheit nur knapp verfehlte. Danach haben wir das Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung unterstützt. Jetzt wollen wir die Debatte in der SPD weiter vorantreiben und kritische Stimmen stärken.
 
Bilder: oben: meetrajesh (CC BY-NC 2.0); Portät: Tobias Pietsch
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