Die alltägliche Kommunikation mit Familie, Freunden und Kollegen – in Zeiten von Corona findet sie größtenteils im digitalen Raum statt. Neue Tools schießen aus dem Boden, und Anbieter von Videokonferenzplattformen sehen sich mit einer erstaunlichen Erhöhung der Nutzerzahlen konfrontiert. Indessen zeigt sich immer deutlicher, dass nicht alle Teile der Gesellschaft in gleichem Maße von digitalen Angeboten profitieren bzw. sie überhaupt nutzen können.

Schon beim Kick-Off der Debate Academy @ YouTube waren sich die Debattierenden einig: gerade in der Coronakrise verlagert sich die politische Willensbildung noch stärker ins Internet. Mit einer neuen Dringlichkeit stellt sich deshalb die Frage nach digitaler Teilhabe.

Die Debate Academy @ Youtube wurde gemeinsam von politik-digital und von YouTube Berlin als einzigartiger Think-and-Do-Tank konzipiert. Im Fokus sollte ein breites Angebot verschiedener Formate, von Trainings über Diskussionen bis hin zu interaktiven und unterhaltsamen Lernerfahrungen reichen. Der Ort, an dem die Events stattfinden sollten: der Youtube Space in Berlin Mitte. Auch hier hat die neue Corona-Realität uns vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Wie so viele andere Formate wurde die Debate Academy kurzerhand ins Internet verlegt. Die regelmäßigen Jours Fixes, in denen aktuelle Themen von Hatespeech bis zum Einfluss von Videos auf die US-Wahlen diskutiert werden, finden vorerst nicht im Youtube Space, sondern auf Youtube selbst statt. Die Debate Academy will aber weiterhin – wenn auch virtuell – zu einem einzigartigen Treffpunkt für YouTube-Creator, politische Mandatsträger, aber auch Akteure der Zivilgesellschaft werden

Vier Wochen später diskutierten beim ersten Jour Fixe „Handeln statt Labern“ Marina Weisband (Publizistin und Projektleiterin von “aula – Schule gemeinsam gestalten”), Elke Schilling (Gründerin von Silbernetz e.V.) und der Schulleiter und YouTuber Kai Schmidt über Möglichkeiten und Voraussetzungen digitaler Teilhabe. Die zentralen Fragen: Was brauchen wir, um uns digital einzubringen? Was hindert uns? Und wie kommen wir vom “Gut, dass wir darüber geredet haben” zur wirksamen Veränderung?

In ihrem Anfangs-Input erklärt Marina Weisband: „Handeln ist die Schlüsselkompetenz des Informationszeitalters. Es ist das Gegenteil von Konsumieren. Eine Beteiligung ohne Handeln ist sinnlos.“ Doch wie lernt man zu handeln? „Nur, indem man es tut“, da ist sich die langjährige Projektleiterin von aula sicher. Die klassischen Schulstrukturen machten es Schülern und Schülerinnen jedoch oft nicht leicht Handlungskompetenz zu entwickeln. Beteiligungsformate scheiterten deshalb häufig an geringer Beteiligung.

Elke Schilling, die mit Silbernetz e.V. ein Telefonangebot für einsame Senioren und Seniorinnen gegründet hat, berichtet, dass ältere Menschen durch Corona noch mehr in die Isolation gedrängt werden. Statt sich der Einsamkeit hinzugeben, könnten sie handeln, indem sie bei Silbernetz e.V. anrufen.

Kai Schmidt ist nicht nur Leiter einer Oberschule, er betreibt seit 2016 den Youtube-Channel Lehrer Schmidt. Hier vermittelt er Schülern und Schülerinnen neben klassischen Inhalten wie Mathe und Physik, auch Lerntipps und Alltagswissen. „Um handeln zu können, müssen Menschen ihre Optionen kennen“, glaubt er. Deshalb versucht Schmidt vor allem, „Orientierungswissen“ zu vermitteln. Schüler und Schülerinnen können bei ihm zum Beispiel lernen, die Vielzahl an verfügbaren Quellen richtig einzuschätzen. Die Corona-Krise habe seine Zugriffszahlen fast verdoppelt, so Schmidt.

Doch gibt es im Netz auch altengerechte Inhalte? Elke Schilling sieht hier einen Mangel. „Demokratie bedeutet, dass man nicht diskriminiert“. Auch ältere Menschen, die keine Lust auf Technik haben, müssten vermehrt eingebunden werden. Denn eins ist klar: Ohne Technik ist man heute mehr als je zuvor aus dem demokratischen Prozess ausgeschlossen.

Weisband sieht das ähnlich. Es sei ein Irrglaube, dass Digitalisierung automatisch demokratisch und partizipativ sei. Handlungskompetenz müsse eingeübt werden, und entstünde nicht rein digital, sondern funktioniere optimal auf eine hybride Weise. Elke Schilling erwartet dabei allerdings auch etwas von den älteren Menschen. Sie müssten sich zumindest ein Stück weit auf die neuen digitalen Möglichkeiten einlassen. In Coronazeiten sei dies nun mal der beste Weg, Kontakt mit der Familie aufrechtzuerhalten. Im Gegenzug müssten junge Menschen Verständnis aufbringen. Oftmals würden die Digital Natives die „alte Denke“ schlicht nicht nachvollziehen können und ungeduldig reagieren.

Demokratische Prozesse sind langwierig und bedeuten, dass man auch scheitern kann. Gerade der digitale Raum bietet aber Möglichkeiten, sich immer wieder neu auszuprobieren, so Weisband. Allerdings, so betont sie, sei es wichtig, dass die Beteiligung auch zu Resultaten führte, sonst setze schnell die Enttäuschung ein. Das habe sie bei ihren Schülern und Schülerinnen beobachtet.

Fest steht, (digitale) Teilhabe liegt nicht nur in der Verantwortung des Individuums. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt, das von allen Beteiligten viel fordert: vor allem Frustrationstoleranz und Ausdauer. Wenn sie dann aber gelingt, kann Teilhabe zu einem positiven, von Selbstwirksamkeit und Motivation geprägten Kreislauf führen, der in keiner Demokratie fehlen sollte.

Auch die Debate Academy @ Youtube lädt ihr Publikum zur digitalen Beteiligung ein. Im Youtube-Chat und auf der Plattform slido können parallel zum Livestream Fragen an die Teilnehmenden gestellt werden. Außerdem kann auf Twitter der hashtag #DebateAcademy verwendet werden. Am 25.5 geht der Jour Fixe in die zweite Runde, diesmal zum Thema Hatespeech, unter anderem mit spannenden Gästen wie dem Journalisten Richard Gutjahr, und der Influencerin Diana zur Löwen

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