Die heiße Wahlkampfphase hat begonnen – die Parteien üben sich in Kampagnenführung zwischen analogem Plakat und virtueller Plattform. Wir blicken jedes Wochenende im Schnelldurchlauf zurück auf die letzten sieben Tage Webwahlkampf.
Wenn die großflächigen Plakate von Sozialdemokraten und Union die Straßen der Republik säumen, weiß es auch der Letzte: Die Wahlkampfmühle dreht jetzt richtig auf. Mit ihrer sehr personalisierten Parteiwerbung rief die CDU prompt die Blogosphäre auf den Plan: Kaum sind die ersten Konterfeis der Parteigranden Schäuble und von Guttenberg gekleistert, geistern im Web bereits die Parodien herum. Von der Handvoll Argumente der Kandidatin Vera Lengsfeld aus Pankow ganz zu schweigen…
Die SPD widersetzt sich bislang dem ungeschriebenen Personalisierungsgebot bei Wahlkämpfen. Herausforderer Steinmeier plant, bloggt und reist für Deutschland, auf andere prominente Werbeträger verzichten die Parteistrategen bislang zugunsten ihrer thematischen Schwergewichte. Dabei erhöhen die umfragegebeutelten Genossen die Schlagzahl ihres (Online)-Wahlkampfs und funken täglich neue Filmchen ins Netz.
Eines aus zahlreichen selbstgemachten Wahlwerbevideos wählten indes die Anhänger der Piratenpartei zu ihrem Fernsehspot – User Generated Content trifft auf Alte Medien – und prompt haben sie selbst ein Problem mit ihrem Lieblingsthema, dem Recht des Urhebers. Daneben werben die politischen Freibeuter viral in gegeißelten „Killerspielen“ – politischer Vermittlungskanal und Thema werden eins.
Der Wahlkampfstart wird begleitet von jüngsten politischen Engagements der sozialen Plattformen. Nach „Wahlzentrale“ (MeinVZ) und „OpenReichstag“ (Youtube und ZDF) ziehen nun weitere Netzwerke nach: Die Business-Plattform Xing bietet ernsthafte Diskussionen unter seinen Mitgliedern in den Gruppen der Parteien, MyVideo setzt auf interaktive Politikerchats und Sevenload verwurstet eine lockere Grillrunde mit dem Gourmet Ulrich Wickert. Na dann, guten Appetit!
Die Macher des Aufrufs zur Wahl – “Geh nicht hin!” http://www.gehnichthin.de/ – haben ihr Ziel vollkommen erreicht. Wahlmüdigkeit wurde sogar zum Thema der Kampagnenführung der Parteien. Jeder Bürger mit Wahlrecht hat am 27. September 2009 die historische Chance, sich unabhängige, nicht von Lobbyisten beeinflusste Volksvertreter zu wählen. Die Sprüche-Politik der Wahlkampfslogans hat wenig Aussagekraft und zeigt, wie wenig eigene Inhalte die Parteien mittlerweile zu bieten haben. Eine Personalisierung im Wahlkampf hat den Vorteil der Vermittlung einer unabhängigen, nur dem “souveränen” Volk verpflichteten und damit glaubwürdigen persönlichen Verantwortungszurechnung.