WLAN im Sitzungssaal sowie eine hohe Professorendichte: Das waren die Neuerungen in der um neun Experten erweiterten Runde der Enquete-Kommission
"Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestags. In der Anhörung am 5. Juli 2010 stellten sich die Experten sowohl den Fragen der Kommissionsmitglieder, als auch einiger des "18. Sachverständigen" – des Bürgers. Diese durften über Twitter mitmischen – neue Diskussionsansätze aus dem Netz schafften es jedoch selten in die Anhörung.
(4. Sitzung der Internet-Enquete)
"Die Enquete ist dazu da, sich Zeit zu nehmen und genauer hinzuschauen": Die 4. Sitzung des Ausschusses hätte kaum mit passenderen Worten eröffnet werden können. Obwohl: mit genauer "zuhören" hätte es der Kommissionsvorsitzende Axel E. Fischer (CDU) wohl noch besser getroffen, denn das war dieses Mal Hauptaufgabe der Enquete-Mitglieder. Das Wort hatten nämlich hauptsächlich die neun geladenen Experten. Die zweite Premiere in der noch jungen Enquete-Geschichte: Erstmals gab es einen gemeinsamen Internetzugang via WLAN im Sitzungssaal. Eine gute Gelegenheit, die Drahtlos-Konnektivität des unter den Enquete-Mitgliedern offensichtlich beliebten iPads zu testen.
"Harte Faktoren" im Mittelpunkt
Die Experten machten von Anfang an klar, dass sich die Sicht auf das Internet in Deutschland verändern muss. Man sehe das Internet hierzulande "zu negativ", sagte der mittelständische Unternehmer Peter Bisa. Auch sei es, laut Medienrechtler Thomas Hoeren, ein typisch deutsches Phänomen, alles regulieren zu wollen.
"Die deutsche Gesetzgebung hindert Innovation", urteilte XING-Gründer Lars Hinrichs aus Unternehmersicht. Es müsse "größer und globaler gedacht werden". Die Medien- und Informationsexperten Jörg Müller-Lietzkow und Rainer Kuhlen empfahlen in diesem Zusammenhang den Blick nach Skandinavien, wo der Internetrevolution "viel offener" begegnet werde.
"Kreisende Erregungen im Netzwerk"
Der Psychologe Peter Kruse bemängelte, dass man sich vor der Veränderung der kulturellen Identität durch das Internet verstecke. Man stelle, wie auch in der Anhörung zu merken sei, die "harten Faktoren" wie Wirtschaft und Recht zu sehr in den Mittelpunkt. Dabei sei das "vernetzte Denken" für das Internet typisch – und mache es zugleich aber auch "unvorhersehbar". "Re-Tweets sind kreisende Erregungen im Netzwerk", so Kruse weiter. Diese seien die Stärke von Webkampagnen, die man im Übrigen nicht regulieren könne, so Kruse. Stattdessen empfahl er der Enquête "nah dran zu sein" am Leben im Web.
Übereinkunft herrschte in der Expertenriege darin, dass die Medienkompetenz gestärkt werden müsse. Gerade jungen Leuten müsse von Beginn an vermittelt werden, dass ihre Daten etwas wert seien, sagte Müller-Lietzkow. Dazu gehöre auch "die Bereitschaft, Daten wieder zu löschen". Marie-Thérèse Huppertz vom Software-Unternehmen SAP betonte gegenüber politik-digital.de, dass die Verantwortung zur Erziehung der Medienkompetenz auch eine Aufgabe von Wirtschaftsunternehmen sei. Diese sollten "nachhaltig Verantwortung" übernehmen, wenn sie das Internet als "Wirtschaftsfaktor" nutzen wollten.
"Datenschutzdiskussion ist Rohrkrepierer"
Kontroverse Standpunkte vertraten die Sachverständigen in Fragen des Datenschutzes und Urheberrechts. Für Lars Hinrichs ist die Datenschutzdiskussion in Deutschland ein "Rohrkrepierer". Er lobte im Gespräch mit
politik-digital.de, dass auch solche Sachverständige, die "nicht nur
regulative Ideen" in Sachen Internet vertreten, in der Enquete angehört
würden. Das sei "mutig und fortschrittlich", so Hinrichs.
Thomas Hoeren appellierte an die Politik: "Machen Sie keine Gesetze." Man solle stattdessen die Möglichkeiten der "Selbstregulierung und der Justiz" besser ausnutzen. Eine klare Trennung der Rechte, die geltend gemacht werden können, würde die "lobbyistsich verkleisterte" Urheberrechtsdiskussion entschärfen, so Hoeren.
Enquête: Offline hui, online mau
Das Ende der Fragerunden bildete das Enquete-Internetforum, indem Fragen aus dem Netz an die Sachverständigen gestellt wurden. Da die Forumsbeteiligung immer noch vergleichsweise gering ist, brachten die Fragen des "18. Sachverständigen" jedoch keine wirklich neuen Diskussionsansätze in die Runde. Lebendiger ging es bei Twitter unter dem Hashtag #eidg zu, der es am Sitzungstag (6.7.) in die Liste auf Platz 7 der meist benutzten Hashtags in Deutschland schaffte.
Auch das Sekretariat der Kommission twitterte: Allerdings blieb es bei monotonen und inhaltsarmen Tweets à la: "Abgeordneter XY fragt Sachverständigen AB". Andere Twitternutzer straften dies sofort ab: "Die Tweets von @InternetEnquete habenen Informationsgehalt nahe 0. Dem Sekretariat sollte man beibringen Infos in 140 Zeichen zu packen", schrieb z.B. "Jamiro_UCT".