fragdenstaatEine „Kultur der Transparenz“ sollte das vor gut neun Jahren verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einläuten. Doch da viele Behörden Informationen nach wie vor nur widerwillig preisgeben, gründete sich vor vier Jahren die Initiative FragDenStaat Wir haben nachgefragt, ob sich seither etwas in Sachen Kulturwandel getan hat.

„Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“ sagt § 1 IFG. Ein besonders findiger Schüler aus Nordrhein-Westfalen dachte sich vor kurzem wohl, er hätte den Ausweg aus der Büffelei für die Abiturprüfungen gefunden und bat das Bildungsministerium des Landes um Auskunft zu den diesjährigen Prüfungsaufgaben. Ganz so einfach macht es das Gesetz dem Antragsteller dann aber doch nicht. Nach § 6b des IFG Nordrhein-Westfalens werden Anfragen abgelehnt, wenn sie „den Erfolg einer bevorstehenden behördlichen Maßnahme erheblich beeinträchtigen würden“. Folgerichtig zwang die Absage des Ministeriums den Schüler zurück an den Schreibtisch, nicht ohne ihm für die Prüfungen viel Glück zu wünschen. Dennoch ermöglicht das IFG den Bürgern Zugang zu einer ganzen Reihe von interessanten Informationen. So erhielt ein Bürger auf eine Anfrage das vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Gutachten über die Rückstellungen der Energiekonzerne für den Rückbau der Atommeiler und die Lagerung des radioaktiven Abfalls. Doch auch Anfragen aus persönlichem Interesse wie die nach einer neuen Fußgängerampel am Rübenkamp in Hamburg werden immer wieder gestellt.

Die Informationsabfrage über FragDenStaat bietet eine ganze Reihe von Vorteilen. Nach Ausfüllen des Webformulars übernehmen die Betreiber die Korrespondenz mit der Behörde und veröffentlichen sie direkt auf der Webseite. Durch das Hinzufügen der jeweiligen Verweise auf die Auskunftsgesetze der Länder sind die Anfragen zudem rechtlich klar formuliert. Das ist besonders dann hilfreich, wenn Behörden erst auf mehrmalige Nachfrage reagieren oder Informationen aus unberechtigten Gründen verweigern. Durch die Veröffentlichung des gesamten Schriftverkehrs „erhöht sich auch der öffentliche Druck auf die Behörden“, gibt Arne Semsrott zu bedenken, der die Plattform zusammen mit Stefan Wehrmeyer betreut. Wer seine Anfrage über FragDenStaat stellt, erhöht die Wahrscheinlichkeit auf eine Auskunft somit deutlich. Auch deshalb wird das Angebot von Jahr zu Jahr stärker genutzt, mittlerweile laufen fast die Hälfte aller Anfragen an Bundesbehörden über das Portal.

Nicht jedes Bundesland verfügt über ein eigenes IFG

Nicht alle Länder sind dem Bund in Sachen Informationsfreiheit gefolgt. Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern haben keine entsprechenden Gesetze. Dort gilt weiterhin das Prinzip, dass behördliche Informationen grundsätzlich nicht öffentlich sind und so ist man immer wieder vom Gutdünken der Beamten abhängig. „Wir brauchen dringend IFGs in allen Bundesländern“, fordert Semsrott deshalb. Doch bis dahin wird es wohl noch eine Weile dauern. In Baden-Württemberg gibt es beispielsweise noch immer kein entsprechendes Gesetz, obwohl die grün-rote Regierung im Koalitionsvertrag noch versprach: „In einem umfassenden Informationsfreiheitsgesetz werden wir gesetzliche Regelungen treffen, damit Bürgerinnen und Bürger unter Beachtung des Datenschutzes grundsätzlich freien Zugang zu den bei öffentlichen Verwaltungen vorhandenen Informationen haben.“

Doch auch wo es das IFG längst gibt, versucht der Staat die Herausgabe sensibler Dokumente immer wieder zu verhindern. Einen großen Fortschritt erzielte FragDenStaat mit einem gewonnen Rechtsstreit gegen das Bundesinnenministerium im letzten Jahr. Das Ministerium hatte einem Bürger ein Dokument zur Prozenthürde bei der Europawahl zur Verfügung gestellt, die weitere Veröffentlichung unter Bezug auf das Urheberrecht jedoch verboten. FragDenStaat stellte das Dokument trotzdem online und erhielt im darauffolgenden Prozess vom Landgericht Berlin Recht. Im Interesse des Bürgers ist damit ein Präzedenzfall für mögliche weitere Prozesse geschaffen.

Auch die IFG-Mühlen mahlen langsam

Obwohl sich laut Semsrott „langsam eine Kultur der Informationsfreiheit in Deutschland etabliert“, gäbe es noch einigen Nachbesserungsbedarf. Ein großes Problem ist die Ablehnung von Anfragen mit Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse. Das kommt meist dann zum Zug, wenn es sich um Verträge zwischen Staat und der Privatwirtschaft handelt. Semsrott bemängelt außerdem, dass hohe Gebühren Bürger oft davon abschrecken, ihr gesetzlich festgeschriebenes Recht auf Informationen einzufordern.

So ganz scheint der vom IFG eingeleitete Paradigmenwechsel auch nach neun Jahren nicht bei allen Behörden angekommen zu sein. Wie so oft kann nur die Zeit und viel öffentlicher Druck das in Jahrzehnten entstandene Behördenselbstverständnis verändern. Bis es zu einer Selbstverständlichkeit wird, Informationen ohne Verzögerung, langatmige Bürokratie, Gebühr oder Rechtsstreit von jeder Behörde zu erhalten, werden wohl noch einige Jahre ins Land gehen. Dass es überhaupt dazu kommen wird, ist auch Initiativen wie FragDenStaat zu verdanken.

Bild: Screenshot von FragDenStaat

 

CC-Lizenz-630x1101