Nachdem der endgültige Zwischenbericht der Internet-Enquete des Deutschen Bundestages abermals verschoben wurde, gab es viel Kritik an der Arbeit des Gremiums. politik-digital.de traf am gestrigen Tage Dr. Konstantin von Notz (Grüne) und sprach mit ihm über seine Arbeit in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft.

Auch bei den Mitgliedern der Internet-Enquete regt sich vemehrt Kritik an der Arbeit der Kommission. Zuletzt kritisierte die Sachverständige Constanze Kurz, zugleich Sprecherin des Chaos Computer Clubs, in einem Beitrag bei faz.net die dortigen politischen Rituale – insbesondere beim Thema Netzneutralität. In einem Gespräch mit politik-digital.de erläutert das Enquete-Mitglied Dr. Konstantin von Notz, dass ein offener und demokratischer Streit dazugehöre. Dass nicht allein Parteiproporz vorherrsche, zeige sich daran, dass einige sehr gute Beschlüsse gegen die Koalitionsmehrheit im Bereich des Urheberrechts erreicht worden seien – auch dank der Sachverständigen. Diese seien zumeist das Zünglein an der Waage und könnten politische Gräben aufbrechen. Diese Überlegung stecke auch hinter der Systematik von Kommissionen wie der Internet-Enquete. Der 40 Jahre alte Dr. Konstantin von Notz ist seit 2009 Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Dort ist er Mitglied des Innenausschusses sowie stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses und des Unterausschusses Neue Medien. Von der Grünen Bundestagsfraktion wurde er 2010 in die Internet-Enquete entsandt. Ihm ist es ein besonderes Anliegen, Grundwerte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Bürgerrechte auch in der digitalen Welt zu verteidigen und zu stärken.

Dr. Konstantin von Notz (re.) mit politik-digital.de-Redakteur Charlie Rutz (li.)

Erster Teil: Fragen rund um die Internet-Enquete

Herr von Notz, wie kamen Sie mit dem Thema Netzpolitik in Berührung?

Das ist ein Prozess über die letzten fünf bis sechs Jahre gewesen. Denn immer mehr innenpolitische Fragen, zum Beispiel in punkto Datenschutz und demokratischer Beteiligungsprozesse, tangieren verstärkt den Bereich Internet und Digitalisierung. Ganz intensiv war dies im letzten Bundeswahlkampf, als sehr deutlich wurde, dass moderne Bürgerrechtspolitik eben auch Netzpolitik ist.

Warum bedarf es überhaupt einer Internet-Enquete im Deutschen Bundestag? Was soll diese leisten?

Es gibt für ganz wesentliche Fragen der Netzpolitik noch kein adäquates öffentliches Interesse. Netzneutralität beispielsweise ist eine sehr wichtige und entscheidende Frage mit Blick auf die Entwicklung des Internet in den kommenden Jahren. Wenn wir aber heute in die Fußgängerzone gehen und die Bürger befragen, ob sie für oder gegen Netzneutralität sind, werden vermutlich 90 Prozent der Menschen nicht wissen, welche Netze überhaupt gemeint sind und was diese Frage bedeutet. Die Enquete hat also zwei Dinge zu bewältigen: Sie muss zum einen nach innen das Thema im Bundestag stark machen. Die interessierten Netzpolitiker der Fraktionen erhalten hier einen Raum, diesem Thema die Bedeutung zu geben, die es braucht. Auf der anderen Seite hilft sie über Interviews wie dieses Fragen der Netzpolitik nach außen zu tragen – damit die Bürger bei der nächsten Bundestagswahl wissen, was die entscheidenden Fragestellungen sind und wie sich die jeweiligen Parteien dazu positionieren.

Wie gewichten Sie die Ausrichtung der Internet-Enquete zwischen akuten und drängenden Fragen sowie langfristigen Strategien?

Natürlich gibt es drängende Fragen, wie beim Thema Datenschutz – wobei es dieser Begriff aus meiner Sicht nicht mehr korrekt auf den Punkt bringt: Wir reden heute über die Gewährleistung der Privatsphäre in einer digitalen Welt. Das ist sicherlich ein Thema, für das wir kurzfristig Antworten finden müssen, damit die Politik weiß, wie sie zu handeln hat. Gleichzeitig werden hierfür aber auch längerfristige Überlegungen vonnöten sein, da es sich um sehr tiefgreifende Veränderungen unserer Gesellschaft handelt, die durch die Digitalisierung bedingt sind. Auch das Thema Netzneutralität hat einen kurz- und langfristigen Aspekt: So müssen wir kurzfristig handeln, damit langfristig der Wettbewerb im Netz gesichert ist.

Sie selbst betreuen die Projektgruppe „Demokratie und Staat“. Welche wesentlichen Ziele verfolgt die Gruppe?

Die Projektgruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, sowohl eine Übersicht der Möglichkeiten für mehr Transparenz und Partizipation zu erarbeiten als auch bestimmte Definitionsfragen zu beantworten. Denn es gibt derzeit eine ziemliche Kakophonie hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs Partizipation und darüber, was Politik in Sachen Teilhabe leisten muss. Wir wollen in der Projektgruppe einen Statusbericht und eine Antwort darauf geben, wie das Internet tatsächlich unsere Demokratie beleben kann. Wobei ich nicht denke, dass das Netz selbst durch bestimmte Abstimmungsmodi die parlamentarische Demokratie abschaffen wird. Trotzdem gibt es die Möglichkeit, über verschiedene Online-Instrumente eine Form von Partizipation und Transparenz herzustellen, die bis dato nicht möglich war. Hier liegen zahlreiche Chancen. Ein konkretes Beispiel ist das Thema Open Data: Es ist zu hinterfragen, inwieweit der Staat die ihm zugänglichen und durch Steuergelder erhobenen Daten im Netz aufbereiten und zur Verfügung stellen kann, um sein eigenes Handeln transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Wir als Grüne sagen, dass das fünfjährige Bestehen des Informationsfreiheitsgesetzes der richtige Zeitpunkt und Aufhänger ist, um klar zu machen, dass Verwaltungshandeln nachvollziehbarer gestaltet werden muss. Wir wollen also den Gedanken der Informationsfreiheit mit Open Data verknüpfen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Bürgerbeteiligungstool Adhocracy gesammelt? Bereichert es Ihre Arbeit?

Es gibt viel Aktivität bei der Nutzung der Beteiligungsplattform Adhocracy in der von mir betreuten Projektgruppe Demokratie und Staat. Wir haben allein in unsere Programmerstellung und den jetzt entwickelten Fahrplan über 50 Anregungen aus Adhocracy aufgenommen. Die Nutzung des Tools betrifft genau den Bereich parlamentarische Demokratie und Partizipation. Was das Internet damit verbunden zweifelsohne leisten kann, ist eine stärkere Transparenz und Verständlichmachung von Politik. Und hoffentlich auch einen leichteren Zugang zu bestimmten Themen und Personen. Natürlich muss man für Tools wie Adhocracy auch Zeit und Muße sowie einen gewissen thematischen Sachverstand aufbringen. Es gibt nicht bei jedem Thema Tausende von Leuten, die daran online mitarbeiten wollen. Das muss man respektieren. Unsere parlamentarische Demokratie ist so angelegt, dass man Repräsentanten wählt, die sich um Sachverhalte kümmern, mit denen sich ein Bürger nicht den ganzen Tag beschäftigen will und kann. Das soll die Politik jedoch nicht davon abhalten, Anregungen und Ideen von denjenigen einzuholen, die Fachwissen in bestimmten Bereichen besitzen. Dass aber irgendwann 82 Millionen Deutsche eigene Gesetzesvorlagen mithilfe von Adhocracy zusammenbasteln, wird vermutlich nicht geschehen. Aber es ist richtig, dass die Enquete Adhocracy ausprobiert und zu optimieren versucht. In unserer Projektgruppe machen wir alle Sitzungen öffentlich, damit die Leute verfolgen können, wie die Diskussionen verlaufen. Ich hoffe sehr, dass wir am Ende entsprechende konkrete Ergebnisse vorweisen können.

Die Internet-Enquete hat ihren endgültigen Zwischenbericht erneut verschoben, da es keine Einigung über Handlungsempfehlungen zur Netzneutralität und zum Datenschutz gab. Der Sachverständige Markus Beckedahl sprach gar von einer „Schmierenkomödie“. Worin sehen Sie die Ursachen dafür, dass es zu keiner Einigung kam? Verkommt die Enquete zur Politshow oder wird es doch noch Fortschritte geben?

Ich war über die Verschiebung der Zwischenberichte zu Netzneutralität und Datenschutz auch sehr unzufrieden. Eine Schmierenkomödie war die Sitzung meiner Ansicht nach aber nicht. Man muss anerkennen, dass die Enquete ein Gremium des Parlaments ist und dieselben demokratischen Regeln auch dort gelten. Wenn für bestimmte Anträge eine Mehrheit vorhanden ist, dann ist das zu akzeptieren. Zumal wir teilweise auch sehr gute Beschlüsse gegen die Koalitionsmehrheit im Bereich des Urheberrechts durchbekommen haben. Die Geschäftsordnung für Gremien wie die Internet-Enquete, die sich zur Hälfte aus Sachverständigen zusammensetzt, ist darauf angelegt, dass nicht allein Parteiproporz entscheidet. Man muss in dieser Diskussion aber auch die Neuerung sehen und anerkennen, dass eine solche Enquete überhaupt öffentlich tagt. Längst nicht alle Ausschusssitzungen sind bislang öffentlich. Es ist ein guter erster Schritt, dass man ein Tool wie Adhocracy einführt. Dass der Bundestag und seine Verwaltung entsprechende Ressourcen und Personal zur Verfügung stellen, um dieses Thema so populär zu behandeln, ist ein positives Signal. In der Demokratie geht es immer um das Machbare – und darum muss man stets hart ringen.

Das Gremium hat sich zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert – gerade mit Blick auf öffentliche Präsentation und Konsensfindung. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um angesichts der offenbar unterschätzten Komplexität der Themen zu tragfähigen und konsensfähigen Empfehlungen oder Beschlüssen zu kommen?

Ich würde nicht sagen, dass sich die Enquete nicht mit Ruhm bekleckert hat. Es gibt eben widerstreitende Interessen und unterschiedliche Ansichten. Wir versuchen demokratisch miteinander über Entscheidungen zu ringen. Demokratie ist ein zähes Geschäft, in dem man um die Mehrheiten kämpfen muss. Und natürlich geht es auch in der Netzpolitik um ganz zentrale Fragen von politischem Gewicht. Deshalb gibt es diese Enquete ja auch. Vor allem ist es doch wichtig zu demonstrieren, wie wir zu unseren Beschlüssen und Handlungsempfehlungen kommen. In den Diskussionen wird deutlich, bei welchen Themen es unterschiedliche Meinungen und damit auch Wahlmöglichkeiten für den Bürger gibt. Immerhin hat es die Internet-Enquete durch die Querelen der letzten Sitzung auf die Seite 1 der FAZ geschafft. Damit ist eine öffentliche Wahrnehmbarkeit für Themen wie Netzneutralität gegeben. Politischer Streit hat nicht nur schlechte Seiten – es ist eben auch ein offener Streit und zeugt von Demokratie.

Welche Probleme können von der Enquete tatsächlich gelöst werden?

Sie kann prinzipiell die Verankerung und Sichtbarmachung der Netzpolitik bewirken. Tatsächliche Veränderungen kann jedoch nur der Gesetzgeber auf den Weg bringen. Insofern leistet die Enquete eine wichtige Vorarbeit zu dem, was hinterher politisch beschlossen wird. Die Handlungsempfehlungen richten sich an den Gesetzgeber, der abhängig von den Mehrheitsverhältnissen im Parlament sehen muss, was er davon umsetzen kann und will. Zudem kann der Wähler erkennen, wie sich die jeweilige Partei netzpolitisch positioniert.

Zweiter Teil: Allgemeine netzpolitische Fragen

Was sind die Kernziele der Grünen im Bereich Netzpolitik?

Wir denken, dass Internet und Digitalisierung einen sehr starken Einfluss auf die Gesellschaft haben und dieser in den nächsten Jahren noch größer wird. Moderner Bürgerrechts- und Grundrechtsschutz ist für uns vor allen Dingen auch eine Frage von guter Netzpolitik. Durch repressive Maßnahmen entstehen umgekehrt ganz neue Gefahren für unsere Grundrechte. Letztlich kann man heute nicht mehr zwischen Offline- und Online-Welt unterscheiden. Beides ist miteinander verwoben – es ist ein einziger Lebensraum. Pathetisch gesagt ist das Netz eine zusätzliche Dimension unseres Lebens, in der der Grundrechtsschutz eins zu eins gelten muss. Es geht aber auch darum, den neuen Möglichkeiten von Transparenz und Kommunikation und ebenso den wirtschaftlichen und beruflichen Chancen, die das Netz bietet, Geltung zu geben.

Bei welchen netzpolitischen Themen sind Sie besonders engagiert?

Das für mich persönlich wichtigste Thema ist der Schutz der Grund- und Freiheitsrechte – das ist ja auch der Bereich, aus dem ich politisch komme. Dieser Bereich ist netzpolitisch gesehen aktuell vor allem beim Datenschutz sowie der Diskussion um Netzsperren und Vorratsdatenspeicherung relevant. Ganz wesentlich finde ich, dass mithilfe des Internet keine Überwachungsmechanismen und Freiheitseinschränkungen entwickelt werden, die im Offline-Leben überhaupt nicht akzeptiert wären. Da stehen uns noch viele Auseinandersetzungen bevor. Ganz entscheidend ist auch die Frage der Netzneutralität: Damit das Internet ein Motor für Innovation und Fortentwicklung bleiben kann, es also auch weiterhin Wettbewerb gibt, muss die Netzneutralität gesetzlich festgeschrieben werden. Denn hier besteht die Tendenz zu Oligopolen und monopolistischen Strukturen.

Wie frei kann das Netz sein? Wo sollte der Staat regulierend eingreifen?

Ganz heraushalten kann sich der Staat natürlich nicht. Ein von mir unterstützter regulativer Eingriff wäre beispielsweise die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Aber auch im Bereich des Datenschutzes ist für mich der Staat gefragt. Wenn es problematische Grundeinstellungen in sozialen Netzwerken gibt, dann reicht es eben nicht aus, dass die Verbraucherschutzministerin publikumswirksam ihr Facebook-Profil löscht. Der Gesetzgeber muss bestimmte Grundstandards setzen, an die sich Anbieter im Netz zu halten haben. Auch in anderen politischen Bereichen gibt es Regeln und wettbewerbsrechtliche Einschränkungen, wie beim Einsatz von bestimmter Sicherheitstechnik, die vielleicht für die Hersteller zunächst als Eingriffe in ihre wirtschaftliche Selbstbestimmung angesehen werden, die aber dennoch zwingend einzuhalten sind, da sie sinnvoll für die Allgemeinheit sind.

Welche Projekte verfolgen Sie im Netz?

Netzpolitik ist für uns Grüne kein Thema allein für die Bundespolitik. Es kommt uns vor allem auf eine gute Vernetzung nach Europa an, da viele Dinge auch in Brüssel mitentschieden werden. Aber auch in den einzelnen Staaten muss man Netzpolitik denken und an einer breiten Gesamtstrategie arbeiten. Das machen wir. Ich arbeite sehr intensiv mit Jan Philipp Albrecht aus dem Europaparlament zusammen. Auf unserer Internet-Plattform http://gruen-digital.de bringen wir diese Form der Vernetzung zum Ausdruck. Hier veröffentlichen unsere Netzpolitiker wie Malte Spitz und Tabea Rösner auch eigene Beiträge und zeigen auf, was in ihren Verantwortungsbereichen passiert. Und auch Landespolitiker der Grünen beteiligen sich. In der Vergangenheit haben wir online zudem eine Beteiligung an Gesetzentwürfen ermöglicht – wie im Falle des Beschäftigtendatenschutzes. Wir hatten tolle Vorschläge von Bürgern, wie wir unseren Gesetzesentwurf besser machen können und haben zahlreiche Anregungen übernommen (Stichwort: Crowdsourcing). Wir planen, diese Art der Bürgerbeteiligung institutionalisiert auf der Webseite der grünen Bundestagsfraktion zu realisieren und glauben, dass das für unsere Arbeit sehr wertvoll ist.

Die Energieerzeugung für den Betrieb von Datentechnik – Stichwort: Klimakiller Internet – ist überwiegend von konventioneller Natur und verursacht eine große Umweltbelastung. Wie steht es mit dem Umweltschutz im Netz, der Green-IT?

Der Energieverbrauch durch das Netz ist ganz erheblich. Wir wollen einen Umstieg auf erneuerbare Energien auch in diesem Bereich. Aber natürlich bedarf es dazu der Techniken und des Bewusstseins in punkto Energieeffizienz und -einsparung. Gerade im mobilen Internet-Bereich gibt es einen enormen Druck, energiesparender zu werden, um eine höhere Mobilität und Kosteneffizienz zu erreichen. Die Forschungen hierzu gehen schon in die richtige Richtung. Alle Möglichkeiten des Recycelns und der Energieeffizienz sind bisher mitnichten ausgeschöpft. Hier ist ein stärkeres Engagement der Politik gefragt. Eine Lösung kann es beispielsweise im Umgang mit Elektroschrott nicht sein, diesen einfach in die Dritte Welt zu verschiffen und dort unter arbeitsunwürdigen Bedingungen auseinanderschrauben zu lassen. Im Grunde müsste hier ein Markt entstehen, mit dem auch vernünftig Geld verdient werden kann.

Das Internet birgt viele Potenziale: So können beispielsweise Menschen mit körperlichen Behinderungen stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Andererseits droht wegen der digitalen Teilung eine Verzerrung des politischen Diskurses, da sich vor allem junge und gebildete Menschen politisch informieren und engagieren, damit aber auch ihre Interessen überproportional stark vertreten können. Wie wollen Sie das Dilemma auflösen, einerseits nicht auf die Vorteile des Internet im Sinne der emanzipatorischen Teilhabe zu verzichten, auf der anderen Seite nicht die Kluft zu verschärfen?

Auf der einen Seite gibt es dank des Internet die Möglichkeit, besser zu partizipieren. Andererseits existiert aber jene angesprochene digitale Spaltung, die auch eine soziale und wirtschaftliche Frage beinhaltet. Hier fällt der Bildung eine sehr starke Rolle zu. Mir ist es nicht begreiflich, wie ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2011 nicht an jeder Schule und für jedes Kind einen Computer mit Internetanschluss bereitstellt. Wenn wir uns anschauen, wohin sich unsere Gesellschaft in den nächsten 20 Jahren entwickelt, ist das eine sträfliche Vernachlässigung der Ausbildung und Förderung von jungen Menschen. Dadurch vertieft man die Gräben. Der Staat sollte sich hier seiner fördernden Verpflichtungen bewusst sein. Gerade im Bereich des E-Learning liegen große Chancen.

Gibt es mehr Schnittmengen zwischen den Netzpolitikern der jeweiligen Fraktionen als zwischen den Netzpolitikern und ihrer jeweils eigenen Fraktion? Oder andersherum?

Es gibt mittlerweile eine fraktionsübergreifende Einigkeit darüber, dass die Netzpolitik ein wichtiges Zukunftsthema ist. Im Hinblick auf den Stellenwert der netzpolitik in den einzelnen Fraktionen würde ich das aber sehr differenziert sehen. Ich kann nur für meine Fraktion sprechen, wenn ich sage, dass das Thema Netzpolitik innerhalb der grünen Bundestagsfraktion als sehr bedeutend angesehen und allgemein anerkannt wird. Hierbei sei auf den netzpolitischen Kongress mit über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hingewiesen, den wir im November des letzten Jahres veranstaltet haben. Wir werden auch auf dem kommenden Bundesparteitag in Kiel einen Programmteil haben, der sich ausschließlich mit Netzpolitik beschäftigen wird. Und natürlich gibt es zahlreiche Schnittmengen innerhalb der Fraktionen in Bereichen der Netzpolitik. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Wir haben gerade mit den Sozialpolitikern unserer Fraktion ein gemeinsames Papier zum Verhältnis von Menschen mit Behinderungen mit dem Netz erstellt und uns gefragt: Wo sind Vor- und Nachteile? Wie können wir barrierefrei im Netz arbeiten? Oder im Bereich der Entwicklungspolitik: Wie können wir in Ländern der Dritten Welt bestimmte Entwicklungen, wie einen freien Zugang zu Medien, stärken? Oder: Welche Auswirkungen hat das ACTA-Abkommen auf die Versorgung von Ländern mit billigen Medikamenten, so genannten Generika? So gibt es im Grunde zu allen Politikbereichen Schnittmengen, weil Netzpolitik das große Querschnittsthema unserer Zeit ist. Ich bin überzeugt, dass sowohl bei den Grünen als auch den anderen Fraktionen die Bedeutung des Themas Netzpolitik für die kommenden zehn Jahre stark steigen wird.