Gemeinhin wird die Alpenrepublik in der öffentlichen Wahrnehmung vorrangig mit Skifahren, Bergwandern und einem überdressierten Schäferhund im Wiener Polizeidienst in Verbindung gebracht. Doch wie so häufig trügt das Klischee. Ein europaweit als vorbildlich geltendes eGovernment-Gesetz feiert in diesem Jahr bereits seinen zehnten Geburtstag und sorgt unter anderem dafür, dass immer mehr Menschen zwischen Innsbruck und Wien ihre Behördengänge per Smartphone erledigen.

In Zeiten, in denen vor dem Hintergrund der NSA-Affäre das allzu berechtigte Misstrauen gegenüber staatlicher Datenaggregation nicht weichen mag, wirkt die Recherche nach Best Practice-Beispielen rund um das Thema eGovernment wie ein hyperoptimistischer Millenniums-Anachronismus unverbesserlicher Nerds. Wer sich trotzdem (oder auch gerade deshalb?) auf die Expedition in Anwendungsgebiete bürgernaher digitaler Verwaltung begibt, dessen Reise endet bereits unmittelbar hinter der deutschen Grenze im Süden.
Denn im Vergleich mit den übrigen 27 Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union nimmt Österreich bereits seit über einer Dekade eine europaweite Vorreiterrolle bei der praktischen Umsetzung des Themas eGovernment ein. Das entsprechende Gesetz vom März 2004 feierte dort in diesem Jahr bereits seinen zehnten Geburtstag – in der sich stetig selbst beschleunigenden Zeitrechnung des Digitalzeitalters beinahe schon eine halbe Ewigkeit. Dass Österreich bei der Nutzung und Zufriedenheit von eGovernment-Diensten im innereuropäischen Vergleich weiterhin einen Spitzenplatz einnimmt, wurde in der jüngst veröffentlichten Ausgabe des deutschen eGovernment Monitors ein weiteres Mal bestätigt. Und da die technische Entwicklung auch an Inn und Donau schneller voranschreitet als so manche Novellierung entsprechender Gesetze, hat man sich dort auf das mobile Zeitalter eingestellt.
Die sogenannte „Handysignatur“ als eines der jüngeren Beispiele alpenländischer Innovationsfreude leistet technisch dabei mehr als die bloße persönliche Identifikation für den Geschäftsverkehr im Internet, die auch hierzulande bereits seit einigen Jahren gang und gäbe ist, um beispielsweise Bankgeschäfte zu erledigen oder um die Steuererklärung beim Finanzamt abzugeben. Die TAN-basierte Handysignatur ist neben dem Einsatz in Behörden auch für die Abwicklung des kommerziellen Geschäftsverkehrs von größtem Interesse.

Deutschlands neuer Personalausweis – Österreich hat die „Bürgerkarte“

Und auch, wenn der neue deutsche Personalausweis im Chipkartenformat unter Hinzunahme entsprechender Kartenlesegeräte Online-Behördengänge hierzulande zeitnah möglich machen wird – bei den Nachbarn im Süden ist es bereits seit dem Jahr 2003 zur überaus zeitsparenden digitalen (Verwaltungs-)Praxis geworden. Die präsenzpflichtigen Behördengänge werden dort mittels der „Bürgerkarte“ bereits online erledigt, wenn auch mit Anschaffungskosten für entsprechende Lesegeräte und der Installation zusätzlicher Software verbunden.
Die „Bürgerkarte“ darf man sich dabei keinesfalls als haptische Karte vorstellen, handelt es sich dabei lediglich um die Bezeichnung für das übergeordnete Verfahren, in dessen Rahmen sich der Nutzer mittels der eigentlichen eKarte und eines Kartenlesegerätes authentifiziert. Dieser Weg erscheint nicht nur aus der Außenperspektive zunächst kompliziert, auch die Österreicher selbst verlieren, schenkt man entsprechenden Meldungen Glauben, an der umständlichen Karten-Variante nach und nach die Lust – von einem „Ladenhüter“ ist die Rede. „iDentifikation“ mittels Smartphone heißt also das Gebot der Stunde und scheint, was angesichts der stetig wachsenden Verbreitung von Smartphones kaum verwundert, dem Prinzip der eKarten-basierten Bürgerkarte in Österreich bereits den Rang abzulaufen. Von inzwischen über 20.000 monatlichen Neuanmeldungen zur Nutzung der Handysignatur berichtete die österreichische Technikwebsite futurzone.at bereits im März dieses Jahres.
Seit Mitte des Jahres 2010 ist es den österreichischen Smartphone-Nutzern möglich, ihre Anträge gegenüber der öffentlichen Verwaltung optional auf mobilem Wege zu signieren und sich digital durch ein mTAN-basiertes System auszuweisen. Grundsätzliche Einschränkungen für die Nutzung der verschiedenen eGovernment-Dienste gibt es hierbei – neben einer österreichischen Mobilfunknummer – formal zudem wenige und daher gilt: Früh übt sich, wer sich in Österreich per Handysignatur ausweisen möchte. Die Beantragung ist mit der Vollendung des 14. Lebensjahres möglich.
Was gilt es also von Österreich zu lernen? Und wie steht die NSA-bedingte Datensicherheitsskepsis vieler Internetnutzer hierzulande im Verhältnis zu den Segnungen der digitalen Ausweisfunktion des eigenen Smartphones? Zumindest im Juni 2013 – wohlgemerkt vor dem Höhepunkt der umfangreichen Enthüllungen rund um den Whistleblower Edward Snowden – konnte sich laut einer im Auftrage des IT-Branchenverbandes BITKOM durchgeführten Erhebung jeder Vierte vorstellen, das eigene Smartphone zum Ausweis im Kontakt mit Behörden zu benutzen.

Kritik

Selbstverständlich bleibt, nicht nur vor dem Hintergrund der staatlichen Datensammel-Exzesse, Kritik an der österreichischen eGovernment-Praxis nicht aus. So berichtete „heise online“ bereits im Jahr 2009 von lange zurückliegenden erfolgreichen Trojaner-Einsätzen, mit denen das österreichische Bürgerkarten-System und damit die digitalen Signaturen von Nutzern missbraucht und ihnen gefälschte Daten untergeschoben wurden.
Wie weit ist es also wirklich mit der Substitution des Portemonnaies? Auch wenn der jüngst vorgestellte Bezahldienst ApplePay oder entsprechende Systeme eingeführt werden und sich der Funkstandard NFC zur sicheren (?) Übertragung von Daten in einigen Jahren durchsetzen sollte: die Beantragung der Handysignatur läuft für die Bürgerinnen und Bürger in der Alpenrepublik zumindest vorerst noch auf vergleichsweise klassischem Wege ab. Voraussetzung ist, wie es in auch hierzulande bekannter Behördensprache heißt, die Vorlage eines „amtlichen Lichtbildausweises“ durch den „Signator“.
Weiterführende Hinweise: Wer sich über die gesetzlichen Grundlagen des österreichischen eGovernments sowie die zahlreichen praktischen Anwendungsbeispiele informieren möchte, findet auf dem Portal „Digitales Österreich“, einem vom Wiener Bundeskanzleramt herausgegebenen Informationsangebot, weitere Informationen.
Bild: Ervins Strauhmanis
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