Die Amteinführung von George W. Bush soll zum Protesttag werden
Die Abwandlung der
Präsidentenhymne "Hail to the Chief!" zu "Hail to the Thief" zeigt,
dass auch Wochen nach der Wahlentscheidung noch immer nicht jeder
US-Bürger George W. Bush den Sieg gönnt. So mancher Wähler hätte dem
demokratischen Bewerber Al Gore am 20. Januar seinen großen Tag
gegönnt. Statt dessen wird der Republikaner George W. Bush seine
"Inauguration" erleben. Ob diese reibungslos abläuft, hängt nicht
zuletzt auch von der Schlagkraft zahlreicher Protestgruppen ab.
Die Wahl in den Vereinigten Staaten ist vorbei. Die Wirren der Wahl sind hingegen noch nicht vergessen: die unglücklichen
Schmetterlingswahlzettel, die zahlreichen (Nicht-)Nachzählungen und das unsägliche juristische Tauziehen treiben viele der
enttäuschten Wähler immer noch um. Schließlich hat der Republikanische "president elect" George W. Bush rund 500.000
Gesamtstimmen weniger auf sich vereinigt als sein Gegner Al Gore. Hätte Al Gore bei vollständiger Auszählung der Stimmen
nicht doch die notwendigen Wahlmänner Floridas gewonnen? Hat der Oberste
Gerichtshof nicht parteipolitisch entschieden? Wir seh´n den Vorhang zu und viele Fragen offen.
Am 20. Januar wird Dubbya in das
Weiße Haus einziehen, Bill Clinton entschwebt per Air Force One gen
"Ruhestand". Die Verlierer der Wahl wollen die offizielle
Amtseinführung von George W. Bush, die "Inauguration", zu erneutem
Protest nutzen. Das Motto der Veranstaltung, "Celebrating America’s
Spirit Together", wollen sie auf ihre Weise interpretieren, um auf
Mißstände der Vergangenheit und Ängste für die Zukunft aufmerksam zu
machen. Die neuen Minister lassen Bürgerrechtler und Vertreter von
Minderheitengruppen das Schlimmste für die nächsten vier Jahre
vermuten: u.a. für Frauenrechte, Minderheiten und Umwelt. Die von Bush
versprochene "Heilung" hat aus ihrer Sicht noch nicht stattgefunden.
George W. Bush freut sich derweil
auf seinen großen Tag. Den Tag, an dem er der 43. Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika wird. Während die Homepage von Al Gore
in das virtuelle Nirwana übergegangen ist, hat Bush seine Webseite thematisch angepaßt: Hier kann sich der geneigte Surfer um einen
Job in der neuen Administration bewerben oder sich zur
offiziellen Seite der Inauguration am 20. Januar weiterklicken.
Ein Höhepunkt der letztgenannten Seite ist wohl der "Inaugural Gift Shop"
: Gedenkmünzen mit dem Konterfei von George W., Krawatten, Nummernschilder und mehr, um zu beweisen "Ich war dabei!".
Zumindest online.
Dabei sein wollen viele. Aus durchaus unterschiedlichen Gründen: Unter dem Kürzel "i20" ruft eine Gruppe zu einer
Demonstration
am 20. Januar auf, um ihren Unmut über ein politisches System zu
äußern, daß ihrer Meinung nach eher der Wirtschaft als den Menschen
dient. Sie werden nicht die einzige Gruppe sein, die demonstriert: In
einer Sonderausgabe bietet das Online-Magazin "Free Radical"
einen kompletten "Guide to the Inauguration Protests".
Der Führer durch den 20. Januar wartet mit zahlreichen Links und Infos
rund ums Thema "Inauguration" auf: offizielle Seiten, Zeitpläne für den
Tag, Treffpunkte und Aktionen der einzelnen Protestgruppen und
Überblicke über die Beteiligten. Auch das Independent Media Center in Washington D.C. hat zahlreiche
Hintergrundberichte und Links zu Amtseinführung und den zu erwartenden Protesten.
Das "Justice Action
Movement!"
(Erfinder der Schlagzeile "Hail to the Thief!") organisiert z.B. drei
"Counter Inaugural Balls" während Bush und Cheney sich nebst Frauen im
Weißen Haus amüsieren. Auf diesem Weg soll Protest geäußert und Geld
für weitere Maßnahmen gesammelt werden. Auch auf dieser Seite lassen
sich zahlreiche Links zu Protestgruppen und
-gründen finden.
Die Wahl mag gelaufen sein, die Proteste enttäuschter Wähler gegen den neuen Präsidenten George W. Bush sind noch lange nicht
verstummt. Weder Wahl noch "Transition" sind in den vergangenen Wochen reibungslos verlaufen. Haben die Protestgruppen
Erfolg gegen das zu erwartende Aufgebot an Sicherheitskräften und Bush-Anhängern, wird sich dieser Trend auch am 20. Januar
fortsetzen. Keine guten Vorzeichen für eine Veranstaltung, die das Motto "Celebrating America’s Spirit Together" trägt.
Keine guten Vorzeichen für die Akzeptanz Bushs des II. in seinem eigenem Land.
Das Wahlkampfdossier zu den USA bei politik-digital.