Mit der "Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" lädt Bundesministerin Ilse Aigner zum Internet-Dialog ein, der sich mit den Aufgaben und der Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland beschäftigt. Ziel ist es, eine möglichst breite Debatte in die Gesellschaft hineinzutragen, auf deren Grundlage im Herbst eine Charta für Landwirtschaft und Verbraucher entstehen soll.

Wie soll eine moderne Landwirtschaft aussehen, welche Mittel hat die Politik, um in diesem Bereich tätig zu werden? Und welche Möglichkeiten haben Bürger, an der Landwirtschaftspolitik zu partizipieren? Mithilfe eines Internet-Dialogs will Ilse Aigner einen Diskurs mit der Bevölkerung zu diesen Fragen führen. Neben dem Online-Dialog, zu dem Frau Aigner auf der Homepage des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) einlädt, veranstaltet das Ministerium vier Workshops zu den Themen Umwelt, Tierhaltung, Ernährungs-sicherung und Lebensmittel, an denen über 40 Organisationen – vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. bis zum Rat der Evangelischen Kirche Deutschland – beteiligt sind.

Die Idee eines Dialogs über das Web ist anzuerkennen, zumal der Auftritt ansprechend gestaltet ist und zur Interaktion einlädt. So ist der Aufruf zum „Mitreden!“ sehr prominent platziert, man will offenkundig eine breite Masse erreichen. Dennoch ist der angekündigte Dialog kein echter, weil ein wichtiges Element fehlt: die Möglichkeit, (mit einer Gegenrede) zu antworten. Jeder Teilnehmer kann seine eigene Meinung kund tun, doch wird er darauf keine Reaktion erhalten. Auf dieses Manko von politik-digital.de angesprochen, entgegnete ein Sprecher des BMELV, dass kein Forum initiiert werden sollte, sondern eine reine Meinungserhebung aus der Bevölkerung. Doch wie soll ein Dialog funktionieren und zu Ergebnissen führen, wenn jeder zwar seine Argumente vortragen, nicht aber auf die Meinungsäußerungen anderer Dialogteilnehmer reagieren kann?

Im Herbst werden die eingebrachten Kommentare, Fragen und Vorstellungen in die Charta einfließen mit dem Ziel, „Handlungsfelder und Lösungswege für eine zukunftsorientierte Politik für die gesamte Lebensmittelkette“ (I. Aigner) zu beschreiben. Es wird sich zeigen, ob auf diese Weise eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Politik und Bürgern gelingen kann, in der nicht übereinander sondern miteinander geredet wird.

Laut eigenen Aussagen möchte Frau Aigner mit der Charta eine größere Akzeptanz für die Landwirtschaft in der Gesellschaft erreichen. So soll einerseits eine Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft angestoßen und andererseits das Image dieser aufgefrischt werden. Doch wie kommt der Vorstoß der Ministerin bei den Landwirten an? Obwohl die bisherige Zusammenarbeit der Agrarministerin Aigner bisher vergleichsweise gut angelaufen sei, so Dr. Thomas Tanneberger, Chefredakteur der BauernZeitung, wird sie kritisch betrachtet. Der Unmut der Landwirte wird insbesondere in einem Offenen Brief des Deutschen Bauernverbandes an Frau Aigner offenkundig. Nach den letzten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Dioxin-Skandal und der Tierschutzoffensive ist man der Meinung, dass keine „realistische Debatte geführt wird“. Dennoch werde man sich aktiv in die vom BMELV nun angeregte Diskussion einbringen und fordere ebenfalls zur aktiven Teilnahme auf, hebt Dr. Michael Lohse, Pressesprecher des Deutschen Bauernverbandes, im Gespräch mit politik-digital.de hervor. Von primärem Interesse für die Landwirtschaft, so Lohse weiter, sei das Aufzeigen von Alternativen – die man sich von diesem Dialog erhofft, anstelle einer Agitation gegen den Berufsstand. Auf den Offenen Brief wird das BMELV am Ende dieser Woche eine Antwort veröffentlichen, in der explizit Abstand von einer Diskreditierung der Landwirtschaft genommen wird.

Der Dialog findet also nicht nur auf der dafür vorgesehenen Plattform statt, sondern ist schon in einer relativ frühen Phase darüber hinaus gegangen. Die Beteiligung der Bürger an diesem Dialog kommt ebenso langsam ins Rollen. Etliche Beiträge wurden auf der Homepage zu den vier Schwerpunktthemen Umwelt; Tierhaltung; Ernährungssicherung und Weltagrarhandel; Lebensmittel veröffentlicht. Dabei werden vor allem eigene Erfahrungen beschrieben und aus diesem Wissen heraus Vorschläge formuliert, die in die Landwirtschaftspolitik einfließen sollten. Der Inhalt der Stellungnahmen zeigt, dass sich nicht nur eine Minderheit zu Wort meldet. Jeder Beitrag wird durch Moderatoren seitens des BMELV verwaltet, mit der Begründung, das BMELV habe den Anspruch, „generell alle Beiträge zu veröffentlichen“, behalte sich aber vor, „eine Auswahl zu treffen, wenn sich Themen zu sehr wiederholen.“

Fazit
Jeder Interessierte sollte die Chance nutzen, sich in den Dialog einzubringen, damit eine breite Debatte über die Zukunft einer verbraucherorientierten Landwirtschaft geführt werden kann und eine Charta in diesem Sinne entsteht. Es zeigt sich hier eines der leider immer noch zu seltenen Beispiele für eine Kommunikation zwischen Politik und Bevölkerung, das Transparenz und Akzeptanz weiter stärken kann. Das Ergebnis ist abzuwarten. Schließlich kann noch sechs Monate lang diskutiert werden und erst dann wird sich zeigen, ob es nur eine gute Idee war oder tatsächlich eine Initiative mit Mehrwert.