Ron Sommers schlimmste
Befürchtungen werden Realität, spätestens ab Februar 2001 muss der
Ex-Monopolist seinen Konkurrenten die hartnäckig verweigerte
Großhandelsflatrate anbieten.
Nach dem 15. Dezember können andere Internet-Provider die Leitungen der
Telekom ganztägig ab 1,5 Pfennige die Minute nutzen. Eine bislang
geltende – und besonders für Telekom-Tochter T-Online günstige – Mengenrabatt-Regelung wurde ebenfalls untersagt.
Diese Entscheidung, die Telekom-Chef Ron Sommer
als "krassen Fehler" bezeichnete, sorgt für neue Bewegung auf dem ins
Trudeln geratenen Flatrate-Markt. Nachdem in den letzen Monaten bereits
zahlreiche Telekom-Mitbewerber aufgrund des bisherig gültigen
Abrechnungsmodells die Segel streichen mussten – politik-digital berichtete – kann die Konkurrenz nun wieder härter am Wind segeln.
Die Deutsche Telekom AG (DT AG)
sprach von einer klaren Fehlentscheidung und will eventuell gegen die
Anordnung klagen. Sie befürchtet ernsthafte Probleme für das
Telefonnetz. Schon jetzt gebe es, insbesondere in den Abendstunden,
regional massive Probleme, eine freie Leitung zu erwischen. Durch den
zu erwartenden zusätzlichen Internet-Verkehr könne es in dem
schmalbandigen Telefonetz zu kritischen Engpässen kommen, so ein
Sprecher des Ex-Monopolisten.
Die Regulierungsbehörde folgte in
ihrer Entscheidung aber nicht den Telekom-Ängsten vor einem
hoffnungslos überlasteten Telefonnetz, sondern entschied aufgrund von
Wettbewerbsgründen und Verbraucherinteressen. Das jüngste
Flatrate-Sterben zeige, dass das bisherige Abrechnungsystem nicht
funktioniere und lediglich der Telekom zu Gute komme, so
RegTP-Präsident Klaus-Dieter Scheurle.
Da es hier um einen der "aussichtsreichen Wachstumsbereiche der
Telekommunikation" gehe, will die Regulierungsbehörde durch ihr
Vorgehen die solide Basis für die weitere "wirtschaftliche,
beschäftigungspolitische und verbraucherfreundliche Entwicklung des
deutschen Internetmarktes" legen, so Scheurle weiter. Im übrigen müsse
die Telekom für einen wirtschaftlich sinnvollen Ausbau des
schmalbandigen Netzes sorgen solange der breitbandige Zugriff per
Digital Subscriber Line (DSL)
noch nicht flächendeckend gewährleistet sei. Konkrete Preisvorgaben
machte die Regulierungsbehörde aber nicht, der Deutschen Telekom AG
bleibe so genügend "Freiraum zur Gestaltung der Konditionen einer
Flatrate". Der "unternehmerische Spielraum" des Unternehmens würde
entgegen deren Befürchtungen nicht eingeengt werden, begründet Scheurle
diese Vorgehensweise in seiner Rede.
Telekom-Konkurrenz zeigt sich erfreut
Zwar knallten beim Haupt-Wettbewerber America Online (AOL) noch keine Sektkorken, doch Sprecher Jens Nordlohne betonte in einem Gespräch mit Spiegel Online,
dass die Großhandelsflatrate ein "Schritt in die richtige Richtung"
sei. Nur so könne man – ähnlich wie bereits in Großbritannien – dem
Kunden eine Flatrate unter der von der Politik geforderten magischen
50,– Mark-Grenze anbieten. Zugleich bot er der Telekom an, bei
Problemen mit Leitungsenpässen oder Investitionskosten gemeinsam eine
Lösung zu finden und sich nicht mehr "gegenseitig vors Schienbein" zu
treten.
Politik und Wirtschaft begrüßen Entscheidung – 400.000 neue Arbeitsplätze?
Vertreter aus Politik und Wirtschaft begrüßten die RegTP-Entscheidung einhellig. Staatsminister Hans Martin Bury
sprach dabei von einem "wichtigen Schritt in Richtung
Informationsgesellschaft" und kündigte zugleich an, die Bundesregierung
werde "mit gutem Beispiel vorangehen und internetfähige
Dienstleistungen in den nächsten Jahren online bereit stellen". Auch
die Opposition findet Worte der Zustimmung. Die CDU/CSU-Fraktion im
Bundestag betont in einer Pressemitteilung,
die bisherige Preispolitik der Telekom sei eine "ausschließlich
strategische Preisfestsetzung" gewesen, durch welche man die
"Wettbewerber vom Internet-Markt fernzuhalten" versucht habe. Der
Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) rechnet mit einem "weiteren
Auftrieb" welcher der elektronische Handel durch den Pauschalpreis
erfahren werde und außerdem mit deutlich günstigeren Online-Gebühren.
Experten erwarten nun ein massives Wachstum
des bundesrepublikanischen eCommerce bis 2005 und sprechen in diesem
Zusammenhang von bis zu 400.000 neuen Arbeitsplätzen. Paul Welfens von
der Universität Potsdam bemerkt in einem Interview mit Net-Business,
dass die Halbierung der Internetkosten auf 40 Mark innerhalb der
nächsten drei bis vier Jahren zwischen 300.000 und 400.000 neue
Arbeitsplätze nach Deutschland bringen könne.
RegTP will DSL-Angebot überprüfen
Damit aber nicht genug der schlechten Nachrichten für das Team Telekom. In einem Interview mit der Berliner Zeitung
kündigt Chefregulierer Scheurle eine Entscheidung hinsichtlich des
immer stärker in den Mittelpunkt rückenden Internet-Zugangs per DSL an.
Es lägen zwei Anträge von Telekom-Mitbewerber vor, die nicht mehr – wie
bislang üblich – die kompletten Teilnehmeranschlüsse mieten, sondern
nur noch ein gewisses Frequenspektrum für den DSL-Zugang kaufen wollen.
Dadurch könnte man Telefonkunde bei der Telekom bleiben, seinen
DSL-Anschluss aber von einem Mitbewerber zur Verfügung stellen lassen.
Eine EU-Verordnung sehe dies ab 1. Januar 2001 vor, so dass ein Eingreifen der Regulierungsbehörde ohnehin unumgänglich sei.